Unterstützung für Russland Chinas Schatten über der Ukraine

Während der Westen versucht, Russland zu isolieren, stellt sich China an die Seite Wladimir Putins. Hinter den Kulissen arbeiten Moskau und Peking bereits an Plänen für ein militärpolitisches Bündnis - eine Allianz, die die Kräfteverhältnisse auf der Welt dramatisch verändern kann.

Die freundlichen Worte über Russland stehen in der Zeitung der mitgliederstärksten politischen Partei der Welt. "Renmin Ribao", das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Chinas mit 70 Millionen Mitgliedern, gab kürzlich in einem Leitartikel die Linie aus: Angesichts dessen, dass die Ukraine "vom Geist des Kalten Krieges bedeckt" sei, werde "die strategische Annäherung Chinas und Russlands zu einem Anker der Weltstabilität". Mit Blick auf die Ukraine bemerkt das chinesische Leitmedium: "Russland unter Führung Wladimir Putins hat den Westen schon gezwungen zu verstehen, dass es im 'Kalten Krieg' keinen Sieg gibt."

Die starken Worte stehen für eine stringente Strategie. Im Konflikt Russlands mit dem Westen steht das bevölkerungsreichste Land der Erde an der Seite des größten Flächenstaates. Peking und Moskau arbeiten an einem Bündnis, das die Kräfteverhältnisse auf der Welt dramatisch verändern kann. Zwar hat sich China bei der Abstimmung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die russische Militäraktion auf der Krim der Stimme enthalten. Doch die von der Kommunistischen Partei gelenkte Presse lässt keinen Zweifel an Chinas Position. "Die USA und Europa sehen gegenüber Russland und Putin wie ein Papiertiger aus", höhnt die chinesische Zeitung "Global Times". Das Blatt gehört zur Holding des KP-Zentralorgans und steht der chinesischen Auslandsaufklärung nahe.

Russlands Willen unterschätzt

Der Westen, so die "Global Times", habe "Russlands Willen unterschätzt, seine Kerninteressen in der Ukraine zu verteidigen". Die Strategie des Westens, so das Blatt, eine "prowestliche ukrainische Regierung" zu unterstützen, funktioniere nicht. Dieser Versuch führe "in ein Chaos, das zu beseitigen der Westen nicht die Kapazität oder nicht die Weisheit hat". Der Westen, so die chinesische Prognose, werde "Verlierer des Fiaskos in der Ukraine" sein.

Ein Leitartikel der "Global Times" schlussfolgert: "Wir können Russland nicht enttäuschen, wenn es sich in Schwierigkeiten befindet. China sollte ein verlässlicher strategischer Partner werden. So gewinnen wir neue Freunde."

Die Offerte aus der Volksrepublik trifft in Moskau auf offene Ohren. In seiner Ansprache vor der Staatsduma und dem Föderationsrat dankte Putin offiziell "dem chinesischen Volk". Hinter den Kulissen tut sich bereits mehr. Experten des russischen Außenministeriums arbeiten derzeit an einem Entwurf eines Vertrages über "militärpolitische Zusammenarbeit" mit China. Details sind noch nicht bekannt, aber die geplante Übereinkunft dürfte weiter gehen als der Vertrag über "gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit", den Putin 2001 mit China schloss.

Schon dieses Abkommen sieht eine "militärische und militärtechnische Zusammenarbeit" von Russen und Chinesen vor. So arbeiten beide Staaten in der Shanghaier Organisation für Sicherheit, gemeinsame Manöver eingeschlossen. China ist Großkunde der russischen Rüstungsindustrie. Nach China gingen allein in den Jahren 2004 bis 2011 rund 23 Prozent der russischen Waffenexporte. Die Chinesen kauften bei den Russen unter anderem Jagdflugzeuge, Flugzeugmotoren, Diesel-U-Boote und Raketenkomplexe.

Chinesische Waffenwünsche

Mit Rücksicht auf die Amerikaner hat Moskau den Chinesen manchen Waffenwunsch bislang nicht erfüllt. Das könnte sich bald ändern. So würde Peking gern raketenbestückte Atom-U-Boote des russischen "Projekts 949A" erwerben. Damit ließen sich im Ernstfall selbst amerikanische Flugzeugträger versenken.

Einflussreiche Manager des staatlichen russischen Waffenhandels fordern bereits, beim Rüstungsexport nach China jede Zurückhaltung abzulegen. Beim Flugzeug- und Militärschiffbau, so Experten der Branche, seien auch gemeinsame Großprojekte denkbar.

Das chinesische Interesse an Rüstungskooperationen erklärt auch die Haltung Pekings zu Kiew. Nach Einschätzungen des Stockholmer Forschungsinstituts Sipri ist die Ukraine der drittgrößte Waffenlieferant der Volksrepublik. Allein 2012 lieferte die Ukraine an China Waffen im Wert von 690 Millionen US-Dollar.

Eine Annäherung der Ukraine an die Nato, so chinesische Befürchtungen, könnte diese Kooperation beenden. Darum ist China an einer Ukraine im Einflussbereich Russlands strategisch interessiert. Daher liegt der Schatten Chinas über der kriselnden Ukraine.

Hinzu kommt, dass der neue chinesische Parteichef Xi Jinping ein profunder Kenner der russischen Literatur ist. So wächst zusammen, was schon einmal zusammengehörte. Nach ihrer Gründung im Oktober 1949 formierte die Volksrepublik China mit der Sowjetunion das "Lager der Volksdemokratien", das auch die DDR einschloss. Auch jetzt sind beide Großmächte wieder durch autoritäre Staatsauffassungen verbunden. Deren innere Kraft und Festigkeit wird im Westen oft unterschätzt.

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