Nach Europa Flucht über das Mittelmeer endet immer öfter tödlich

6500 Flüchtlinge hat die italienische Küstenwache an nur einem Tag gerettet. Für viele andere gab es keine Hilfe. Jeder 85. Flüchtling hat in diesem Jahr die Fahrt über das Mittelmeer nicht überlebt.
Flüchtlinge auf Schlauchboot vor libyscher Küste

Flüchtlinge auf Schlauchboot vor libyscher Küste

Foto: GIORGOS MOUTAFIS/ REUTERS

Die Fluchtrouten auf dem Mittelmeer haben sich verlagert. Nur noch wenige Menschen gelangen von der Türkei aus über die Ägäis nach Griechenland. Dafür wagen wieder - wie schon vor dem Jahr 2015 - mehr Menschen die Fahrt von Nordafrika aus nach Europa.

Immer größer ist der Anteil derer, die dabei ihr Leben verlieren. Jeder 85. Migrant habe die Fahrt in diesem Jahr nicht überlebt, berichtete die "Welt" unter Berufung auf eine Untersuchung der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Im vergangenen Jahr traf es demnach noch jeden 276. Migranten. "Unsere Daten legen nahe, dass es im Jahr 2016 unsicherer für Flüchtlinge geworden ist", sagte Frank Laczko, Leiter des IOM-Datenzentrums, dem europäischen Zeitungsnetzwerk LENA, dem die "Welt" angehört.

Die IOM weise darauf hin, dass unter anderem die Schleuser skrupelloser geworden seien und mehr Menschen auf Boote schickten, die nicht seetüchtig sind. Zudem kämen mehr Migranten aus Ägypten, von wo aus die Überfahrt deutlich gefährlicher sei. Die Organisation kritisiere, dass Europa zu wenig unternehme, um Verbleib und Identifizierung vermisster Migranten aufzuklären. Nach Angaben der Uno starben oder verschwanden in diesem Jahr bereits mindestens 3100 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer.

Italiens Küstenwache rettet 6500 Flüchtlinge an einem Tag

Schon in den vergangenen Monaten hatte sich abgezeichnet, dass es in diesem Jahr deutlich mehr Tote gibt als 2015. Und auch weltweit ist laut IOM die Fluchtroute über das Mittelmeer die tödlichste. 80 Prozent aller registrierten Opfer weltweit verunglückten laut IOM im Mittelmeer. Das mache die Mittelmeerroute zur gefährlichsten Passage für Flüchtlinge weltweit, sagte Laczko.

Allein an diesem Montag hatte die italienische Küstenwache rund 6500 Flüchtlinge aus Seenot im Mittelmeer gerettet. Das Kommandozentrum habe 40 Rettungseinsätze koordiniert und sei Tausenden Schutzsuchenden vor Libyen zu Hilfe gekommen, erklärte die Küstenwache per Internetdienst Twitter. Damit war es einer der intensivsten Rettungstage der vergangenen Jahre. Der katalanischen Organisation Proactiva Open Arms zufolge waren mitunter 700 Menschen auf einem einzigen Fischerboot zusammengepfercht.

An den Einsätzen war eine Reihe von Schiffen der Küstenwache und der italienischen Marine beteiligt, wie die Behörden weiter mitteilten. Auch die EU-Marinemission "Sophia", die im Kampf gegen Schlepper im Einsatz ist, die EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie humanitäre Organisationen halfen bei der Rettung der Flüchtlinge.

Die Organisation Proactiva Open Arms veröffentlichte auf ihrem Twitter-Konto Bilder des Einsatzes, die zeigen, wie die Schutzsuchenden zu Hunderten zusammengedrängt in kleinen Booten sitzen. Einige von ihnen sprangen demnach mit Rettungswesten ausgerüstet ins Meer und schwammen zu den Rettungsbooten.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen erklärte ihrerseits, dass unter den geretteten Flüchtlingen zahlreiche Babys und Kleinkinder waren. Ein fünf Tage altes Neugeborenes musste mit dem Hubschrauber in ein italienisches Krankenhaus gebracht werden. Schon am Sonntag waren in dem Gebiet mehr als 1100 Flüchtlinge gerettet worden. Fast alle Geretteten stammen aus Westafrika oder vom Horn von Afrika.

Video: Rettungsaktion vor Sizilien

SPIEGEL ONLINE
anr/AFP/dpa
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