Außenminister in Somalia Gabriel am Horn des Hungers

Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen besucht Außenminister Gabriel den Krisenherd Somalia. Der Region droht eine dramatische Hungersnot. Gabriel verspricht mehr Geld, verfolgt aber auch seine innenpolitische Agenda.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in einem Flüchtlingslager in Baidoa, Somalia

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in einem Flüchtlingslager in Baidoa, Somalia

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Aus dem Flugzeug wirkt Mogadischu fast malerisch. Azurblau liegt der Indische Ozean unter der kleinen Propeller-Maschine. Das Flugzeug setzt rumpelnd auf. Dann kommt es zum Stehen, genau dort, wo im Oktober 1977 deutsche Elitepolizisten den gekaperten Lufthansa-Jet "Landshut" stürmten.

Ganz vorn in der weißen Propeller-Maschine sitzt am Montag Außenminister Sigmar Gabriel. Am Sonntagabend ist er von Braunschweig aus zu einer fast historischen Mission aufgebrochen. Es ist der erste Besuch eines deutschen Außenministers in dem von Bürgerkrieg, Hunger und den Terroristen von der Gruppe al-Schabab geplagten Land am Horn von Afrika.

Gabriel, so sagen es seine Leute, war es wichtig, gerade jetzt zu einem symbolischen Kurzbesuch hierher nach Somalia zu kommen.

Bereits mehr als 500 Todesopfer

Die Gefahr, sie ist in Mogadischu immer zu spüren, auch wenn Gabriel nur am schwer gesicherten Flughafen politische Gespräche führt. Überall auf dem Rollfeld wuseln bewaffnete Männer mit von Waffen ausgebeulten Hemden herum.

Das Camp am Flughafen ist so etwas wie eine sichere Insel mitten im Chaos. Von hier aus will die Internationale Gemeinschaft Somalia auf dem Weg vom "failed state" zu einem halbwegs normalen Land unterstützen.

Jahrelang beherrschten die al-Schabab-Terroristen große Teile des Lands, noch immer bedrohen sie die Hauptstadt mit Anschlägen. Derzeit aber steht Somalia vor einer anderen Krise. Durch ausbleibende Regenfälle ist die ganze Region - von Äthiopien, Somalia bis nach Kenia Uno - von einer beispiellosen Hungersnot bedroht. In Somalia gab es schon mehr als 500 Todesopfer. Experten fürchten, dass die Krise das Ausmaß der fatalen Hungersnot von 2011 erreichen kann. Damals starben mehr als 250.000 Menschen, die Welt schaute fassungslos zu.

"Die nötigen Mittel bereitstellen"

Um das zu verhindern, trat Gabriel jetzt die gefährliche Reise an. "Die Dürre droht zu einer humanitären Katastrophe zu werden", sagt er in Mogadischu, "deswegen rufen wir dazu auf, die nötigen Mittel bereitzustellen." Die Zahlen, die im Camp am Flughafen ein Mitarbeiter runter rattert, illustrieren die dramatische Lage. Er überschlägt grob, dass 2,9 Millionen Menschen in Somalia bereits unter Hunger leiden, am schwersten betroffen seien die Kinder.

Weitere 3,3 Millionen Menschen drohen dazuzukommen, sollten sie nicht rasch Hilfe erhalten, so die Uno. Viele der Herden im ganzen Land seien verdurstet, Fleisch werde zur Mangelware. "Wir müssen handeln, bevor es eine echte Hungersnot gibt", sagt der Uno-Helfer. Noch sei die Definition einer Hungersnot nicht erreicht. Dafür müssen statistisch von jeweils 10.000 Menschen täglich zwei sterben. "Wollen wir wirklich so lange warten?", fragt der Helfer in den Raum.

Sigmar Gabriel kündigt an, dass Deutschland seine Nothilfe von knapp 70 Millionen Euro für Somalia noch einmal verdoppeln will. Jetzt hofft er, dass andere Länder nachziehen. "Die Internationale Staatengemeinschaft muss mehr tun gegen die Hungerkatastrophe", sagt er bei einer improvisierten Pressekonferenz mit dem somalischen Premierminister.

Gabriel will bei der immer dramatischer werdenden Lage als deutscher Außenminister eine Art Leitwolf werden. Auf einer eilig einberufenen Krisen-Konferenz in London sollen 1,8 Milliarden Euro für das Krisenland eingesammelt werden. Noch aber ist das Geld nicht zusammen.

Debatte um Militärausgaben

Ein bisschen ist Gabriels Besuch natürlich auch eine Volte gegen den augenblicklichen Mainstream in Deutschland. Seit Monaten, noch mehr da in den USA nun Präsident Donald Trump im Weiße Haus sitzt, diskutiert man in Berlin über die Steigerung der Militärausgaben, über das Ziel, dass Deutschland zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben soll.

Gabriel ist von dieser Debatte mehr als genervt, er will die deutsche Rolle in der Welt nicht nur mit Soldaten und Milliarden fürs Militär unterstreichen.

Als Instinkt-Politiker hat Gabriel schnell erkannt, dass hier auch eine Chance für ihn und die SPD liegt. Ziemlich ironisch schrieb er schon vor gut zwei Wochen in einem Gastbeitrag, das vielzitierte Mantra, Deutschland wolle mehr Verantwortung übernehmen in der Welt, müsse eben auch mit Entwicklungs- und Nothilfe und nicht nur mit Geld für Panzer, neue Korvetten oder Kampf-Jets eingelöst werden.

Am Ende des achtstündigen Kurzbesuchs watet Gabriel knöcheltief im Matsch, um ihn herum stehen in Baidao im Landesinneren notdürftige Zelte für fast 7000 Flüchtlinge. Alle hier sind aus unsicheren Gegenden hierher gekommen. Viele fürchten, dass sie nie wieder in ihre Heimat zurückkönnen.

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