Übergabe in Kiew und Moskau
Ukraine und Russland tauschen Dutzende Gefangene aus
Es handelt sich um einen seit Langem erwarteten Schritt: Die Regierungen in Kiew und Moskau haben Gefangene ausgetauscht - darunter sind offenbar ein prominenter Filmemacher und 24 Seeleute.
Gefangenenaustausch: Russisches Flugzeug auf dem Kiewer Flughafen Boryspil
Foto: Gleb Garanich/ REUTERS
Im Zuge eines großen Gefangenenaustauschs zwischen Russland und der Ukraine sind Dutzende Inhaftierte den Behörden des jeweils anderen Landes übergeben worden.
Ein Flugzeug mit Inhaftieren verließ den Moskauer Flughafen Wnukowo, wie die Agentur Interfax meldete. Parallel dazu startete in Kiew eine russische Maschine mit Gefangenen, wie das ukrainische Fernsehen zeigte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fuhr zum Kiewer Flughafen Boryspol, um die Männer in Empfang zu nehmen.
Unter den freigelassenen Ukrainern sollen der seit fünf Jahren in Russland inhaftierte Filmmacher Oleg Senzow sowie zwei Dutzend Seeleute sein, die im November 2018 bei einem schwerwiegenden Zwischenfall vor der Halbinsel Krim von russischen Behörden gefangen genommen worden waren. Ihr Schiff war zuvor gerammt und beschossen worden. (Mehr dazu lesen Sie hier.)
Die Festnahme der 24 Matrosen hatte in den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den Regierungen in Moskau und Kiew eine weitere schwere diplomatische Krise ausgelöst. Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg entschied im Mai, dass Russland die Seeleute umgehend freilassen muss - was bislang jedoch nicht geschah.
Russischer Beamter neben Gefangenentransporter in Moskau: Ein Durchbruch?
Foto: Vasily Maximov/ AFP
Moskau und Kiew hatten auf Initiative des ukrainischen Präsidenten Selenskyj seit Ende Juli über den Austausch von Gefangenen zur Entspannung der beiderseitigen Beziehungen verhandelt - Medienberichten zufolge soll es um jeweils 35 Häftlinge gegangen sein.
Der Austausch schien bereits vor einer Woche anzustehen, wurde dann aber wieder verschoben. Bis zuletzt wurde um die Namen auf der Liste gehandelt. Während in der Ukraine einiges bekannt wurde, ist über die russischen Gefangenen, die ausgetauscht werden sollen, bislang wenig bekannt.
Für Aufsehen sorgte der Name Wladimir Tsemach. Der ehemalige Kommandeur einer prorussischen Luftwehreinheit in Donezk war in dieser Woche überraschend von einem Gericht in Kiew freigelassen worden. Er gilt als wichtiger Augenzeuge im Fall des im Juli 2014 abgeschossenen Passagierflugzeugs MH 17. Eine ukrainische Spezialeinheit hatte ihn im Juni im Donbass gekidnappt und nach Kiew gebracht, wo er in Haft saß. Es ist nicht klar, ob er nun auf der Liste der Gefangenen beim Austausch ist.
Zuletzt hatte Staatspräsident Selenskyj mehrere Inhaftierte für die Übergabe an Russland begnadigt. Erst in der vergangenen Woche hatte ein ukrainisches Gericht auch den des Hochverrats beschuldigten russischen Journalisten Kirill Wyschinski aus der Untersuchungshaft entlassen.
Freigelassen: Journalist Kirill Wyschinski
Foto: Serhii Nuzhnenko/ REUTERS
Wyschinski ist Leiter des Ukraine-Büros einer staatlichen russischen Nachrichtenagentur. Der 52-Jährige war im Mai 2018 vom ukrainischen Geheimdienst festgenommen worden, weil er in Artikeln die russische Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 gerechtfertigt haben soll.
Wyschinski selbst wollte Medienberichten zufolge seine Unschuld beweisen und lehnte daher einen Austausch ab - den hatte zuvor der ukrainische Präsident Selenskyj im Austausch gegen den Filmemacher Senzow in Betracht gezogen.
Bereits am Donnerstag hatte Russlands Staatschef Wladimir Putin sich erstmals öffentlich zu dem Gefangenenaustausch geäußert. Geplant sei ein großangelegter Austausch, der "ein großer Schritt hin zur Normalisierung" der russischen Beziehungen zur Ukraine bedeute.
Das Verhältnis zwischen Kiew und Moskau ist seit der Krimkrise 2014 und dem bewaffneten Konflikt in der Ostukraine extrem angespannt. Putin hatte die Verhaftung Wyschinskis wiederholt verurteilt. 2015 hatte er dem Journalisten per Dekret die russische Staatsangehörigkeit zugebilligt.