Mubarak-Rede Das letzte Angebot des Autokraten

Die Massen fordern seinen Rücktritt - doch Ägyptens Präsident Husni Mubarak preist im Staatsfernsehen seine Verdienste. Mit der Ankündigung, die Machtübergabe selbst zu moderieren, will er sich einen Abgang in Würde sichern. Um damit durchzukommen, schürt er Angst vor dem Chaos.
Von Yassin Musharbash
Mubarak-Rede: Das letzte Angebot des Autokraten

Mubarak-Rede: Das letzte Angebot des Autokraten

Foto: dpa

Husni Mubarak

Doha - Chaos oder Stabilität - gleich mehrfach beschwor Ägyptens Präsident in seiner TV-Ansprache vom Dienstagabend diesen Gegensatz. Eine dritte Variante nannte er nicht. So begründete der Machthaber seine zentrale Ankündigung: dass er nicht mehr zur nächsten Präsidentenwahl in dem Staat am Nil antreten werde, im Gegenzug aber bis dahin im Amt bleiben wolle, um einen geordneten Übergang sicherzustellen.

Druck der Straße

Um jeden Preis wollte Mubarak den Eindruck vermeiden, er habe diese Entscheidung unter dem mittlerweile gewaltigen getroffen. Um das zu bekräftigen, behauptete der Staatschef, er habe auch niemals vorgehabt, zu kandidieren. Das ist vermutlich nicht die Wahrheit. Es wäre wesentlich glaubwürdiger gewesen, hätte er diese angebliche Entscheidung mitgeteilt, bevor die ägyptische Revolte in der vergangenen Woche richtig Fahrt aufnahm.

Auch stellte Mubarak seine lange Karriere "im Dienste des Volkes" in den Mittelpunkt seiner Ansprache. In Wahrheit ist gerade die Tatsache, dass er seit 1981 regiert - den Großteil der Zeit mit Hilfe von Notstandsgesetzen - ein Hauptgrund für die Aufstände. Der Präsident aber ging darauf mit keinem Satz ein. Stattdessen betonte er, dass Ägypten auch seine Heimat sei, die er als Soldat verteidigt habe, und wo er auch sterben werde. Damit machte er deutlich, dass er sich nicht wie sein tunesischer Amtskollege Ben Ali von den Demonstranten außer Landes jagen lassen will.

Mit Blick auf die Demonstrationen ging Mubarak zweigleisig vor. Er stellte den friedlichen Protesten angebliche Provokateure entgegen, die "Öl ins Feuer gießen" und für Gewalt und Zerstörung verantwortlich seien. Tatsächlich hatten die Hunderttausenden Protestierende, die seit einer Woche kontinuierlich auf die Straße gingen, fast ausnahmslos gewaltfrei demonstriert. Tote und Verletzte gingen zum allergrößten Teil auf das Konto der Polizei, die tagelang versucht hatte, die Proteste niederzuknüppeln.

Fotostrecke

Ägypten: Showdown in Kairo

Foto: Jim Hollander/ dpa

Außerdem warf Mubarak Teilen der Opposition Dialogverweigerung vor. Er zählte auf, was er bereits in die Wege geleitet habe: die Ernennung eines Vizepräsidenten, den er zudem den Dialog mit allen politischen Kräften aufgetragen habe; die Ernennung einer "neuen Regierung mit neuen Prioritäten"; Gesetzesänderungen und weitere Reformen in Richtung Demokratisierung.

Was er nicht sagte: Diese Schritte kamen nur auf Druck der Proteste zustande, zu alldem entschloss sich Mubarak erst in den vergangenen Tagen.

Immer wieder beschwor der greise Machthaber in seiner Ansprache - der zweiten innerhalb von einer Woche - die Einheit von Bevölkerung und Führung. Gemeinsam werde man diese schwere Zeit durchstehen, Ägypten werde stärker aus ihr hervorgehen, als es vorher war.

Dass den meisten Demonstranten und Aktivisten diese Aussagen, Ankündigungen und Versprechen nicht reichen werden, wurde sehr schnell klar. Mohammed ElBaradei, der sich an die Spitze der Bewegung gesetzt hatte, zeigte sich in einer ersten Reaktion enttäuscht: "Wie immer hört er nicht auf sein Volk." Regimegegner auf den Straßen in Kairo reagierten mit Buh-Rufen.

Aber Mubarak hatte erkennbar eine andere Gruppe im Blick: die schweigende Mehrheit, von der ein großer Teil zwar mit dem Aufstand sympathisiert, aber viele auch Angst vor noch mehr Chaos und Unsicherheit haben.

Vor allem ein Detail der Rede ist dagegen von einer gewissen Relevanz: Mubarak deutete eine Verfassungsänderung an, die die Frage betrifft, wer als Präsident kandidieren kann. Die Bedingungen dafür wurden von ihm in der Vergangenheit mehrfach verschärft, um Gegenspieler wie ElBaradei aus dem Machtkampf herauszuhalten.

Die Rede ist vermutlich Mubaraks letztes Angebot. Es ist kaum vorstellbar, dass er nach dieser Ansprache freiwillig doch noch vorzeitig abdankt oder ins Exil geht. Vielleicht wird es ihm gelingen, Zeit zu gewinnen.

Doch auch scheint es möglich, dass er sich nicht bis zur Wahl im September an der Macht halten kann. Sollte der Druck der Straße jetzt noch zunehmen, könnte zum Beispiel das Militär oder Kader seiner Regierungspartei gegen ihn aufbegehren.


Dieser Inhalt verwendet veraltete Technologien und steht daher nicht mehr zur Verfügung

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten