Münchner Sicherheitskonferenz Die EU - der Vegetarier unter Fleischfressern

Münchner Sicherheitskonferenz im "Bayerischen Hof"
Foto: Sebastian Widmann/ Getty Images"Brandgefährliche Eskalation" in Sachen Nordkorea, "akute Kriegsgefahr" rund um Syrien, Chinas Führungsanspruch und Russlands Machtbewusstsein, Nationalismus, Protektionismus und Populismus: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat sich Noch-Außenminister Sigmar Gabriel wenig Mühe gemacht, die äußerst fragile Sicherheitslage weltweit zu beschönigen.
"Niemand sollte versuchen, die Europäische Union zu spalten: nicht China, nicht Russland, aber auch nicht die Vereinigten Staaten", so sein Appell. Die USA unter Präsident Trump seien nicht mehr verlässlich, es sei an Europa, angesichts der brisanten Lage in der Welt mehr Machtbewusstsein zu entwickeln. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, sich militärisch zu engagieren, sagte Gabriel. "Als einziger Vegetarier werden wir es in der Welt der Fleischfresser verdammt schwer haben."

Außenminister Gabriel
Foto: Sebastian Widmann/ Getty ImagesDie Münchner Sicherheitskonferenz ist die größte internationale Tagung zu geostrategischen und militärischen Fragen. Sie findet jährlich im Februar statt, Hunderte Sicherheitspolitiker, Militärs und Rüstungsindustrielle nehmen teil. Große Bedeutung erwächst der Tagung aus der Tatsache, dass Vertreter aus verschiedenen Interessensphären zusammenkommen - und sich im Idealfall austauschen, miteinander ins Gespräch kommen, sich gegenseitig verstehen lernen.
Genau das scheint in diesem Jahr allerdings nicht vollauf gelungen zu sein. Viele Wortbeiträge wirkten wie ein Aneinandervorbeireden der Mächtigen. Vor allem zwischen Russland und den USA wurden erneut große Differenzen deutlich.
Umso stärker betonte Gabriel die Bedeutung Europas. Berechenbarkeit und Verlässlichkeit seien derzeit "die knappsten Güter" auf der Welt, sagte der Noch-Außenminister. "Europa ist nicht alles, aber ohne Europa ist alles nichts."
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ergänzte: "Wir waren lange Zeit nicht weltpolitikfähig. Die Umstände bringen es mit sich, dass wir uns um Weltpolitikfähigkeit bemühen müssen."
Fehlende Visionen der USA
Aus den USA war Donald Trumps Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster angereist. Er blieb eine wegweisende Rede zur transatlantischen Zukunft schuldig.
Dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad drohte McMaster mit weiteren Vergeltungsschlägen für Chemiewaffeneinsätze im Bürgerkrieg. "Fotos zeigen ganz klar, dass Assad weiter Chemiewaffen einsetzt", sagte er in München. Es sei Zeit für alle Staaten, die Assad-Regierung dafür verantwortlich zu machen.
Das weltweite Konfliktpotenzial wurde auch beim Thema Aufrüstung deutlich. So bestehen die USA auf der Entwicklung kleinerer Atomwaffen als Vorsichtsmaßnahme gegen die Aufrüstung Russlands. "Wir wollen die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen damit nicht senken, sondern erhöhen", sagte McMaster. Dies sei eine Reaktion darauf, dass Russland gegen den INF-Abrüstungsvertrag verstoße und selbst neue Waffen entwickle. "Wir werden nicht zulassen, dass Russland oder irgendein anderes Land die Bevölkerung Europas als Geisel nimmt", erklärte McMaster.
Belastetes US-russisches Verhältnis
Wie unsicher die Welt tatsächlich geworden ist, zeigen die aktuellen Verwerfungen im amerikanisch-russischen Verhältnis. Gerade erst wurde in den USA Anklage gegen 13 russische Staatsbürger erhoben - wegen Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahl. Die Beweise dafür seien "wirklich unumstößlich", sagte selbst Trumps Sicherheitsberater McMaster. Präsident Trump selbst hatte die Vorwürfe einer russischen Wahlbeeinflussung bisher hartnäckig als "Erfindung" abgetan.

Russischer Außenminister Sergej Lawrow in München
Foto: Sebastian Widmann/ Getty ImagesDass es um die diplomatischen Kanäle zwischen Moskau und den USA nicht gerade gut bestellt ist, machte auch der russische Außenminister Sergej Lawrow deutlich. Zu den Ermittlungen in den USA sagte er lapidar: "So lange wir die Fakten nicht haben, ist alles andere Geschwätz."
Gabriel will EU-Sanktionen gegen Russland lockern
Verbale Annäherung gab es zumindest in einem Punkt - wenn auch in einem umstrittenen. So hat sich Bundesaußenminister Gabriel für einen schrittweisen Abbau der EU-Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Allerdings ist dies nicht die offizielle Meinung der Bundesregierung. "Ich weiß, dass die offizielle Position eine andere ist", sagte Gabriel bei einem Treffen mit Lawrow am Rande der Konferenz.
Er forderte einen Waffenstillstand in der Ostukraine und den Abzug der schweren Waffen. Er unterstütze den Vorschlag des russischen Präsidenten Wladimir Putin, einen Waffenstillstand über einen Uno-Blauhelmeinsatz zu sichern. Der Vorschlag liege bereits seit einem halben Jahr auf dem Tisch, man müsse Tempo bei der Umsetzung machen. "Wenn uns das gelingt, dann müssen wir beginnen, schrittweise Sanktionen abzubauen", sagte Gabriel.
Der russische Außenminister Lawrow erklärte, "wie kein anderes Land möchten auch wir, dass die Krise gelöst wird." Lawrow klagte allerdings, die Ukraine werde vor die "falsche Wahlmöglichkeit" gestellt, sich entweder Russland oder der EU zuzuwenden.
Ein ursprünglich für das Wochenende angepeiltes Treffen von Vertretern Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine zur Lösung des Konflikts im Donbass kam gleichwohl nicht zustande.