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Münchner Sicherheitskonferenz Verdorbene Verhältnisse

Russlands Premier Medwedew sieht einen neuen Kalten Krieg und beschuldigt den Westen, den Syrien-Konflikt vorangetrieben zu haben. Lösungen für Syrien und die Ukraine scheinen sehr weit weg.

Russland auf der einen Seite, der Westen, die Ukraine auf der anderen Seite - wie verhärtet die weltpolitischen Fronten derzeit sind, wurde auf der Sicherheitskonferenz in München in aller Schärfe deutlich. Die Konflikte drehten sich um mehrere zentrale Punkte: (Hier können Sie die Ereignisse des Tages im Minutenprotokoll nachlesen)

  • Syrien-Krieg

Russlands Premier Dmitrij Medwedew hielt eine aggressive Rede, in der er dem Westen indirekt die Schuld am Syrien-Krieg gab. Vor sechs Jahren sei Syrien ein friedliches Land gewesen. "Ohne Einmischung von außen hätte sich Syrien weiterentwickeln können", sagte Medwedew. Doch westliche Politiker hätten ihm immer wieder gesagt, Assad müsse gehen - dann würden Frieden und Prosperität einkehren. Zugleich wies Medwedew Vorwürfe zurück, dass Russland Zivilisten in Syrien bombardiere. Die Opposition in Syrien forderte er zu Gesprächen mit Assad auf.

Nach Einschätzung des Westens bombardiert Russland gemäßigte Assad-Gegner in Syrien. "Die große Mehrzahl der russischen Angriffe richtet sich bisher gegen legitime Oppositionsgruppen", sagte US-Außenminister John Kerry in München und forderte Russland auf, die Luftangriffe auf Gruppen der gemäßigten Opposition in Syrien einzustellen.

Nach Angaben der oppositionellen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte flogen russische Kampfbomber auch am Samstag Angriffe auf Standorte von Rebellen rund um Aleppo. Die Entwicklung in Aleppo, das Russland zuletzt schwer bombardiert hatte und das kurz vor dem Fall an die mit Moskau verbündeten Regierungstruppen steht, gilt als Gradmesser für den Erfolg der Vereinbarung von München. Dort hatten sich die USA und Russland am Freitag darauf verständigt, binnen einer Woche eine Feuerpause in dem Bürgerkriegsland zu erreichen und die humanitäre Lage der Menschen in den belagerten Städten deutlich zu verbessern.

Ob die Feuerpause zustande kommt, ist äußerst fraglich - das wurde am Samstag noch einmal klar, als sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow dazu in München äußerte. "Offensichtlich geht es hauptsächlich darum, die Luftangriffe der russischen Kräfte zu beenden." Russland bombardiere aber die Extremistenmiliz IS und damit das gleiche Ziel wie die USA. "Ich bin jetzt nicht mehr so ganz sicher, ob dieses Treffen hier in München wirklich so erfolgreich war - insbesondere, was dieses Dokument zur Waffenruhe angeht", erklärte Lawrow.

  • Verhältnis EU-Russland

Russlands Premier Medwedew sprach von einem verdorbenen Verhältnis zur Europäischen Union. "Wir sind in die Zeiten eines neuen Kalten Krieges abgerutscht", sagte er und fragte: "Kann es wirklich sein, dass wir noch eine dritte weltweite Erschütterung brauchen, um zu verstehen, wie nötig jetzt die Zusammenarbeit ist und nicht die Konfrontation?"

Angesichts der Konflikte in der Ukraine und in Syrien müsse jetzt wieder Vertrauen aufgebaut werden. Dies sei zwar ein schwieriger Prozess. "Aber wir müssen diesen Prozess anfangen. Und da darf es keine Vorbedingungen geben." Westliche Politiker versuchten, die Wogen zu glätten: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherte in München, dass das westliche Militärbündnis keine Konfrontation suche. "Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg."

  • Flüchtlinge

US-Außenminister John Kerry hat die EU-Staaten und besonders Großbritannien vor einer Spaltung Europas gewarnt. Die EU stehe unter anderem durch die Flüchtlingskrise vor einer "fast existenziellen Bedrohung", sagte Kerry auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Ohne einzelne Länder zu nennen, sagte er, es gebe Kräfte, die diese Krise sogar noch anheizten. "Europa ist aber schon häufig stärker aus Krisen gekommen, solange Europa geeinigt ist und gemeinsame Antworten auf die Herausforderungen findet", sagte Kerry.

Kanzlerin Angela Merkel und andere hätten sich "mit unglaublichem Mut" dieser Herausforderung gestellt. Ausdrücklich forderte er die Briten auf, sich im Referendum für einen Verbleib in der Union zu entscheiden. Ohne Russland zu nennen, fügte er hinzu: Wer hoffe, dass die transatlantische Partnerschaft sich auflöse, habe nicht verstanden, dass diese auf einem gemeinsamen Wertefundament beruhe und gerade in Krisenzeiten ihre Stärke zeige.

  • Ukraine-Krise

Angesichts der andauernden Krise im Osten seines Landes hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko schwere Vorwürfe gegen Russland erhoben - und forderte, Sanktionen aufrechtzuerhalten. "Das ist kein ukrainischer Bürgerkrieg, das ist Ihre Aggression", sagte Poroschenko an die Adresse von Russlands Staatschef Wladimir Putin. "Es sind Ihre Soldaten, die mein Land besetzt haben", ergänzte er.

Poroschenko warnte weiter vor einer Unterwanderung Europas durch russische Propaganda. Eine Gefahr für den Kontinent seien "alternative Werte", die von Moskau proklamiert würden. "Das alternative Europa hat einen Führer - und das ist Putin", sagte Poroschenko und fügte hinzu: "Es hat Bodentruppen - Parteien, die gegen Europa sind." All dies führe zu neuem Nationalismus und Fanatismus.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sagte, er stimme Poroschenko zu. Die russische Regierung versuche, "einen Keil in die EU zu treiben und sie zu spalten". Russlands Premier Medwedew gab wiederum dem Westen die Schuld: Die EU habe mit ihrer Politik der "östlichen Partnerschaft" gegenüber der Ukraine, Moldawien und Georgien keinen "Freundeskreis, sondern eine Entfremdungszone" geschaffen.

anr/dpa/Reuters/AFP
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