Nach Rüge von der EU Wie Bulgarien den Weg aus der Korruption finden will

Mafia, Korruption und untätige Justiz - seit Jahren bemängelt die EU die Zustände in Bulgarien. Jetzt sind offenbar erste Erfolge zu verzeichnen. Doch es gibt noch viel zu tun für den neuen starken Mann: Ex-Bodyguard und Karatekämpfer Bojko Borissow.
Von Alex Wolf

Berlin/Brüssel - Auch zweieinhalb Jahre nach EU-Beitritt verfehlt Bulgarien nach Ansicht der Europäischen Kommission noch immer die Korruptionsstandards. Es mangele dem Land an einem "stärkeren politischen Engagement", sagte ein Sprecher der Kommission bei der Vorstellung des Berichts über die Fortschritte Bulgariens im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens.

Die Reformen gegen Korruption und die organisierte Kriminalität würden "nicht voll und ganz von einem politischen Konsens getragen". Es seien "substantiellere Erfolge bei der Untersuchung, Verfolgung und Aburteilung von Korruptionsfällen auf hoher Ebene und der organisierten Kriminalität erforderlich, damit in Bulgarien dauerhafte Veränderungen eintreten", heißt es in dem Bericht. Auch eine Justizreform sei dringend notwendig. Dazu bedürfe es jedoch eines "langfristigen, unmissverständlichen politischen Engagements". Die Kommission werde Bulgarien wie auch Rumänien, das in diesem Jahr ebenfalls scharf kritisiert wurde, daher noch mindestens ein Jahr streng beobachten.

Es ist seit Jahren das größte Problem Bulgariens: Organisierte Kriminalität und Korruption machen sowohl der Europäischen Union als auch den bulgarischen Bürgern schon lange schwere Sorgen. Beim EU-Beitritt des Landes forderte die Europäische Kommission Maßnahmen zur Lösung der Probleme - doch nach einem Jahr war nicht viel passiert. Im Sommer 2008 konstatierte die Kommission in ihrem Bulgarien-Bericht, es fehle an einem klaren Konzept zur Bekämpfung der Korruption.

Ex-Karatekämpfer verspricht Ergebnisse

Inzwischen ist ein weiteres Jahr vergangen, und der am Mittwoch vorgelegte Folgebericht der Kommission klingt schon etwas positiver. Der Rüffel habe einen "Mentalitätswandel" ausgelöst, heißt es. Es werde "nicht mehr geleugnet, dass organisierte Kriminalität und Korruption in Bulgarien weitverbreitete Phänomene sind". Auch seien "einige Maßnahmen" getroffen worden, um die Situation zu verändern und es gebe "erste Ergebnisse" (siehe Kasten).

Der angesprochene Wandel in der Mentalität zeigte sich deutlich bei den jüngsten Parlamentswahlen am 5. Juli. Die erstmals angetretene Partei "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens" (Gerb), die vom ehemaligen Leibwächter und Karatetrainer Bojko Borissow geführt wird, erreichte aus dem Stand 39,7 Prozent der Stimmen. Borissow, vormals entscheidungsfreudiger und daher äußerst beliebter Bürgermeister der Hauptstadt Sofia, hatte die Bekämpfung der Korruption zu seinem wichtigsten politischen Ziel erklärt. Der scheidende Ministerpräsident Sergei Stanischew und seine Sozialistische Partei verloren die Hälfte der Stimmen und kamen nur auf 17,7 Prozent.

Barissows Erfolg kommt nicht von ungefähr. Ein großer Teil der Bevölkerung sieht die Korruption und das organisierte Verbrechen mittlerweile als eines der Hauptprobleme des Landes. Dem etwas grobschlächtig, aber authentisch wirkenden Borissow trauen die Menschen anscheinend zu, die mordende Mafia und die korrupten Beamten zu bändigen oder zumindest ihren Einfluss zu schmälern. Mit dem an Obama angelehnten Spruch "Wir beweisen, dass Bulgarien (es) kann" warb Borissow um das Vertrauen - nun muss er seinem Volk sowie der Europäischen Kommission beweisen, dass er hält, was er versprochen hat. Das ist vor allem deshalb wichtig, damit sein Land wieder Zugang zu den derzeit verschlossenen Fördertöpfen der EU bekommt.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Europäische Union in ihrem Bericht zur Entwicklung in Bulgarien seit dem EU-Beitritt 2007 das Land scharf kritisiert. Über 50 Prozent Missbrauch gebe es in Bulgarien bei der Verteilung und Verwendung der Beitrittshilfen, konstatierte die Kommission. "Bulgarien ist nicht der einzige, aber der extremste Fall", sagte damals Haushaltsexperte Markus Ferber (CSU), der für das EU-Parlament in Bulgarien unterwegs war. Das Land sei zu Unrecht in die EU aufgenommen worden.

Noch immer sind 500 Millionen Euro EU-Mittel eingefroren

Auch die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde "Olaf" (nach der französischen Bezeichnung "Office Européen de Lutte Anti-Fraude") stellt Bulgarien ein schlechtes Zeugnis aus. In einem Report aus dem Jahr 2008 stellte Olaf fest, es gebe in Bulgarien "einflussreiche Kreise" in der Regierung, die Kriminelle schützten. So seien rund 32 Millionen Euro Agrarmittel veruntreut worden. Die Behörde warf der damaligen Regierung unter Ministerpräsident Stanischew vor, sie dulde die Machenschaften "eines kriminellen Netzwerks von über 50 bulgarischen Firmen", die kontinuierlich Gelder der EU veruntreuten. Der Fall reiche bis zur Staatsspitze, sogar der Präsident und der Ex-Vizeaußenminister seien unter den "Geschäftspartnern", so der vertrauliche Bericht.

Da die Delikte in Bulgarien nicht einmal ernsthaft von der Justiz verfolgt würden, müssten die Förder- und Strukturmittel blockiert werden, forderte der CSU-Mann Ferber damals. Das geschah dann auch: Als Konsequenz der fehlenden Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption hält die Kommission noch immer Fördermittel in Höhe von rund 500 Millionen Euro aus dem Zeitraum 2000 bis 2006 zurück. 220 Millionen Euro aus dem Förderprogramm "PHARE" (kurz für Poland and Hungary: Assistance for Restructuring their Economies) zur Vorbereitung des EU-Beitritts wurden sogar endgültig gestrichen. Über die rund elf Milliarden Euro, die Bulgarien nach dem Brüsseler Finanzplan bis 2013 noch zustehen, wird erst noch entschieden. Carsten Lietz, Pressereferent der EU-Kommission in Deutschland, sieht darin aber keineswegs eine Bestrafung, sondern lediglich eine Schutzklausel. "Mit der Blockade der Gelder soll sichergestellt werden, dass es nicht in irgendwelchen dubiosen Kanälen verschwindet", so Lietz. Und den Machthabenden sicherlich auch ein Anreiz gegeben werden, die Zustände zu ändern.

Die Lage hat sich nun etwas entspannt, erste Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität sowie zur Reform des Justizsystems sind angelaufen. EU-Mittel fließen noch nicht wieder, es gibt noch eine Menge zu tun für die politische Führung des Landes. Doch wenn man dem neuen starken Mann Borissow glauben kann, könnte sich der Fördertopf bald wieder öffnen.

mit Material von dpa/AFP
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