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Nahost: Verhandlungsmarathon in Scharm al-Scheich

Foto: Khaled El Fiqi/ dpa

Nahost-Gipfel Ein bisschen Frieden

Müde Delegationen, verschobene Pressekonferenzen und neue Gewalt in Gaza - die Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern scheinen in der Krise zu stecken. Und doch geben sich Teilnehmer plötzlich optimistisch. Hinter den Kulissen nähern sich alle Seiten an.

Mahmud Abbas

Das Tagesprogramm war sorgfältig ausgearbeitet, aber die Pläne der ägyptischen Protokollexperten für die Nahost-Gespräche in Scharm al-Scheich ließen sich partout nicht einhalten: "Die Israelis wollen nicht wirklich verhandeln", frotzelte ein hochrangiger Berater von Palästinenserführer noch am Dienstagmorgen.

Benjamin Netanjahu

Neun internationale Fernsehteams hatten auf separate Pressekonferenzen mit Israels Ministerpräsident , Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem ägyptischen Außenminister Ahmed Abul al-Gheit gewartet. Die aber fielen aus. Nabil Schaath, prominenter Ex-Außenminister der palästinensischen Autonomieregierung PNA, warnte denn auch vor allzu großem Optimismus, "jedenfalls in dieser Phase", schob er nach.

Im Luxushotel "Al Hayat" machte sich eine gedrückte Stimmung breit. Warum sollten die zum Teil aus den USA und Europa eingeflogenen Pressevertreter an diesem offenbar reinen Symboltreff von Israelis und Palästinensern zugegen sein? Und dazu die Hitze sowie komplizierte und zum Teil sündhaft teure Taxifahrten in die drei weit auseinander liegenden Fünf-Sterne-Tagungshotels mit zeitraubenden Sicherheitschecks auf sich nehmen?

Außerdem überschattete Gewalt das Treffen. Militante Palästinenser feuerten am Mittwoch aus dem Gaza-Streifen zehn selbstgebaute Raketen und Mörsergranaten auf Israel ab. Die israelische Armee reagierte umgehend. Bei einem Luftangriff auf einen Schmuggeltunnel an der Grenze zu Ägypten wurden nach Angaben palästinensischer Sanitäter eine Person getötet und drei weitere verletzt. Die Extremisten auf beiden Seiten demonstrieren ihre Abwehrpositionen immer wieder gern, sobald Friedensgespräche laufen.

Doch die ägyptischen Gastgeber ließen sich von den Bedenken der Korrespondenten nicht beeindrucken. "Wartet ab, es läuft viel besser, als ihr glaubt", beschwichtigte Hussam Zaki, erster Staatssekretär und Sprecher des ägyptischen Außenministeriums, die Entmutigten. "Die Terminverschiebungen sind doch ein gutes Zeichen, es wird hart verhandelt."

"Tabufreie offene Diskussion"

Husni Mubarak

Hillary Clinton

Eine Gruppe amerikanischer Journalisten nickte verständnisvoll. Kurz zuvor hatte sie George Mitchell, Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, darüber informiert, dass Bewegung in die Gespräche gekommen war. Während eines ausgiebigen "Working Lunch", zu dem Ägyptens Präsident geladen hatte, wurde Tacheles geredet. "Keiner nahm ein Blatt vor den Mund", bekannte der Envoyé des US-Präsidenten im kleinen Kreis. "Wir konnten gar nicht lange genug zusammensitzen." Dem Mittagessen war eine nicht eingeplante fast zweistündige "tabufreie offene Diskussion" der Netanjahu-Gruppe mit US-Außenministerin vorausgegangen. Daher auch das verspätete Essen der physisch sichtlich geschafften Delegationsmitglieder.

Siedlungenbaus

George Mitchell freute sich. "Wir haben etwas erreicht", frohlockte - wohlgemerkt inoffiziell - der bislang wenig erfolgreiche amerikanische Vermittler. Sowohl die israelischen Gesprächspartner als auch die Palästinenser hätten gelobt, die Verhandlungen weiterführen zu wollen. Im vertrauten Kreis schob er nach: Auch wenn der israelische Regierungschef die am Monatsende auslaufende Frist für den Stopp des jüdischen nicht einstellen sollte, werde Mahmud Abbas vorerst weiterverhandeln, weil er die internen Schwierigkeiten Netanjahus erkenne.

"Die USA halten mit Nachdruck an ihrer Position fest, dass die Siedlungen ein Hindernis für den Frieden sind, wir wollen einen echten unabhängigen und lebensfähigen palästinensischen Staat", stellte der Abgesandte Obamas dann wieder ganz offiziell fest, "daran ist nicht zu rütteln. Und so wird es auch kommen. Wir dürfen wieder hoffen".

"Alle sind weitergekommen"

Den Israelis kam er dafür mit einem wichtigen Zugeständnis entgegen. Washington akzeptiere im Grunde die Vorstellung der israelischen Regierung, Israel einen "jüdischen Staat" zu nennen. Obwohl die arabische Seite befürchtet, solch eine religiöse Grundlage könne die in Israel lebenden Araber zu Bürgern zweiter Klasse machen.

Nun schien alles gelaufen zu sein. Aber es kam noch mehr: Palästinenserpräsident Abbas und seine Begleiter setzten sich noch einmal mit Israels Ministerpräsident Netanjahu und seinem Gefolge zu einer ebenfalls nicht eingeplanten "Anschlusssitzung" zusammen. Mit strahlender Miene verließ Abbas später den Tagungsraum: "Es war für uns alle ein sehr guter Tag."

Auch der sonst eher zurückhaltende ägyptische Außenminister Ahmed Abul al-Gheit äußerte sich zufrieden: "Alle sind weitergekommen." Der Minister fügte hinzu: "Ägypten und die Vereinigten Staaten vertreten deckungsgleiche Positionen in der Palästina-Frage, was auf diesem Treffen wieder sehr deutlich wurde". Später darauf angesprochen sagte George Mitchell einem erstaunt wirkenden israelischen Delegationsmitglied kurz und knapp: "So ist es in der Tat."

Einige israelische und palästinensische Delegationsmitglieder glauben, Netanjahu stelle sich auf die Möglichkeit ein, noch volle sechs Jahre mit US-Präsident Obama arbeiten zu müssen. Vorausgesetzt, die Kongresswahlen im kommenden November lassen erkennen, dass der US-Präsident Chancen auf eine zweite Amtszeit hat. Tatsächlich dürfte Netanjahu eine mehrjährige Dauerkonfrontation mit dem Chef der Supermacht kaum durchstehen.

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