Nahost Israel und USA planen Isolierung der Hamas

Geheime Absprachen im Umgang mit der Hamas: Die "New York Times" berichtet über amerikanische und israelische Pläne, die neue Regierung in den palästinensischen Gebieten so zu destabilisieren, dass es in nicht allzu ferner Zukunft zu Neuwahlen kommen könnte.

Hamburg - Laut "NYT" geht es vor allem darum, die Hamas von internationalen Hilfsgeldern und Kontakten abzuschneiden. Dadurch, so das Kalkül der Ideengeber, würden die Palästinenser in eine so schwierige Lage kommen, dass sie nach einiger Zeit unter der Hamas von selbst wieder zu einer reformierten Fatah unter Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zurückkehren wollten.

Die Zeitung beruft sich auf Regierungsbeamte und Diplomaten, die unter dem Deckmantel der Anonymität mitgeteilt hätten, in den obersten Zirkeln des US-Außenministeriums und der israelischen Regierung werde diese Option im Umgang mit dem palästinensischen Wahlsieger diskutiert. Bei näherer Betrachtung, so die Auffassung der Verantwortlichen, stelle man fest, dass die Hamas ein weit dünneres Mandat errungen habe, als allgemein angenommen wird.

Durch den Druck auf die Hamas wolle man die Organisation vor die Entscheidung stellen, entweder das Existenzrecht Israels anzuerkennen, der Gewalt abzuschwören und zwischen Israel und der Palästinenserbehörde früher geschlossene Verträge anzuerkennen, oder eben isoliert zu werden und letztlich aufgeben zu müssen, so die Überlegungen laut "NYT".

Die USA haben den Zeitungsbericht inzwischen dementiert. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, sagte, einen "solchen Geheimplan" gebe es nicht. Die US-Gespräche mit Israel über die Lage nach dem Sieg der Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen unterschieden sich nicht von denen mit arabischen und europäischen Staaten. Auch der Sprecher des Außenministeriums, Sean McCormack, sagte: "Es gibt keinen Plan, es gibt keine Verschwörung."

Die Hamas wurde laut Meinungsumfragen gewählt, weil sich das Volk einen höheren Lebensstandard wünscht. Genau da wollten State Departement und die israelische Regierung ansetzen, heißt es in dem "NYT"-Bericht: Sollte Hamas die genannten Forderungen nicht anerkennen, werde das Leben der meisten Palästinenser durch eine Isolierung der Hamas noch härter, als es derzeit ist. Vor allem, wenn internationale Geldgeber den Geldhahn zudrehen.

Die Politik Israels zielt längst in diese Richtung. Der geschäftsführender Premier Ehud Olmert sagte am Sonntag nach einer Sitzung des Kabinetts, dass Israel die Hamas als Regierung der palästinensischen Gebiete ansehe, sobald das Parlament vereidigt ist, das heißt ab kommenden Samstag. Ab dann sei Hamas auch für das Finanzdefizit verantwortlich, das schon jetzt - nachdem Israel Zahlungen von Steuern und Zöllen eingestellt hat - mindestens 110 Millionen Dollar im Monat beträgt. In einem Jahr werde Palästina eine Milliarde Dollar fehlen - Geld, das dringend gebraucht wird, um die rund 140.000 Angestellten des öffentlichen Diensts, darunter rund 58.000 Sicherheitsbeamte, zu bezahlen.

Sollte Hamas die Arbeiter im Land und die Importe nicht mehr bezahlen und zu wenig Geld aus dem Ausland transferieren können, so hätte Präsident Abbas das Recht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen, kalkulieren die Strategen in den USA und Israel laut "NYT".

Doch bisher weigert sich Hamas, auf die Forderungen nach einer Anerkennung Israels einzugehen. Die Berichte über Pläne, die Palästinensergebiete nun finanziell auszutrocknen, stacheln die radikal-islamischen Palästinenser bisher eher noch an. Mehrere Hamas-Führer erklärten, sie würden sich auch von finanziellen Drohungen nicht beeinflussen lassen. Die Hamas brauche "das teuflische Geld" Amerikas nicht, sagte Hamas-Führer Mahmud Sahar in Kairo. Diese Mittel seien bislang ohnehin nur in korrupten Kanälen der bisherigen Regierungspartei Fatah versickert.

"Wir gehen ins Parlament, um jede Spur von Oslo zu eliminieren", sagte Sahar zu dem 1993 in Oslo unterzeichneten Vertrag mit Israel, der die Grundlage für den gegenwärtigen Autonomiestatus der Palästinenser bildet. Verhandlungen mit Israel mit Hilfe von Vermittlern schloss er allerdings nicht aus.

Hamas-Sprecher Muschir al Masri warf dem Westen heute Heuchelei vor, weil das Ergebnis einer demokratischen Wahl nicht anerkannt werde, die vorher immer gefordert worden sei. "Das ist eine kollektive Bestrafung unseres Volkes dafür, dass es einen demokratischen Prozess praktiziert hat", sagte Al Masri.

Der Plan der Amerikaner birgt hohe Risiken: Möglicherweise könnte es Hamas gelingen, Gelder aus der muslimischen Staatengemeinschaft, von Ländern wie Iran und Syrien, zu bekommen. Außerdem hätten die Radikalen in Palästina dann einen Vorwand mehr, Israel und die Vereinigten Staaten für die Misere in Palästina verantwortlich zu machen. Das würde alle Hoffnung, die amerikanische Roadmap zum Frieden durchzusetzen, zunichte machen.

asc/AP/AFP

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