Nahost Mahmud Abbas wird neuer Präsident der Palästinenser
Ramallah - Fast 15.000 palästinensische Wählerinnen und Wähler hatte die Bir Zeit-Universität im Verlaufe des Wahltages am Ausgang von rund 150 Wahllokalen nach ihrem Stimmverhalten befragt. Insgesamt rund 66 Prozent der Befragten gaben an, für den PLO-Chef Mahmud Abbas gestimmt zu haben. Ohne ungültige Stimmen dürfte der Anteil bei 70 Prozent liegen. Dieser Wert ist etwas niedriger als frühere Umfragergebnisse, liegt aber im Rahmen des Erwarteten. Mahmud Abbas erhält - sollten sich diese Zahlen erhärten - ein deutliches Mandat für seine auf Verhandlungen mit Israel und eine Beendigung der auf den bewaffneten Kampf zielenden Politik. Für viele Wählerinnen und Wähler war Abbas der nahe liegendste Kandidat, weil er als einer der langjährigsten und engsten Vertrauten des im November verstorbenen Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat gilt.
Der Umfrage der Bir Zeit-Universität zufolge kam Mustafa Barghuti, der Kandidat des linken Lagers und der reformorientierten "Mubadara"-Bewegung auf 18 bis 20 Prozent, wenn man die unausgefüllten Wahlzettel abrechnet. Durch seinen hochprofessionellen Wahlkampf hat der Arzt und Bürgerrechtler demnach erheblich an Bekanntheit und Popularität zulegen können. Er hatte sich als Kandidat des Wandels und Vertreter der Armen in Szene gesetzt. Seine Hauptkritik galt dabei den verkrusteten Strukturen der Palästinensischen Autonomiebehörde, die allgemein als wenig effizient und korrupt gilt.
Zu ähnlichen Zahlen wie die Meinungsforscher der Bir Zeit-Universität kam auch das Meinungsforschungsinstitut PCSPR (Palestinian Center for Policy and Survey Research). Dessen Prognosen zufolge kann Mahmud Abbas mit 66,3 Prozent der Stimmen rechnen. Mustafa Barghuti könnte auf 19,7 Prozent Stimmenanteil kommen. Die übrigen fünf Kandidaten spielten in beiden Umfragen keine Rolle.
Konfusion in Ostjerusalem
Das vorläufige amtliche Endergebnis wird für heute erwartet. Etwa 1,8 Millionen Palästinenser waren aufgerufen, den Nachfolger des am 11. November nach schwerer Krankheit in Paris verstorbenen Jassir Arafat zu bestimmen. Es waren die ersten landesweiten Wahlen seit 1996, bei denen Arafat damals auf über 88 Prozent Stimmenanteil kam.
Im Großen und Ganzen verlief der Urnengang problemlos. Über 1000 internationale und lokale Wahlbeobachter kontrollierten die Arbeit der Wahlhelfer in den über 2000 Wahllokalen. Größere Unstimmigkeiten wurden nur aus Ostjerusalem gemeldet, dessen palästinensische Bürger lange von den israelischen Behörden im Unklaren gelassen wurden, wo und wie sie ihre Stimme abgeben können. Israel hat den Ostteil der Stadt annektiert, die Palästinenser betrachten ihn dagegen als zum Westjordanland zugehörig. In letzter Minute hatte gestern der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter interveniert. Die Palästinenser Ostjerusalems durften daraufhin ihre Stimmen in allen Postämtern Ostjerusalems oder in den zu den palästinensischen Gebieten zählenden Teilen der Stadt abgeben. Die Palästinensische Wahlkommission hatte daraufhin die Schließung der Wahllokale um zwei Stunden verschoben. Um 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit wurden die letzten Wahlzettel abgegeben.
Hohe Erwartungen an die neue Führung
Wahlsieger Mahmud Abbas gilt als Mann des Ausgleichs. Früh schon sprach er sich für eine friedliche Verhandlungslösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern aus. Mehrfach kritisierte er auch gewalttätige Akte auf palästinensischer Seite. Sowohl die US-Regierung als auch die EU und Israel hatten im Vorfeld der Wahlen signalisiert, dass Abbas ihr Wunschkandidat wäre. Innerhalb der Palästinensischen Gebiete galt Abbas lange Zeit als unbeliebt. Seine trockene und wenig mitreißende Art ließ ihn hinter dem charismatischen Jassir Arafat verblassen.
In den letzten Wochen ist es ihm aber gelungen, sein Ansehen zu steigern. Die meisten Palästinenser sind mittlerweile der Ansicht, dass es am besten ist, von einem erfahrenen Politiker geführt zu werden, der auch schon reichlich Erfahrung mit Friedensverhandlungen sammeln konnte. Abbas gilt als einer der Architekten des 1993 zwischen den beiden Konfliktparteien abgeschlossenen Oslo-Abkommens, in dessen Folge Teile der palästinensischen Gebiete erstmals von Israel in die Autonomie entlassen wurden.
Der Umfrage der Bir Zeit-Universität zufolge haben die palästinensischen Wähler hohe Erwartungen an die neue Führung. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen die Lösung der ökonomischen Krise, Fortschritte im Friedensprozess und Reformen im Inneren. Die Wahlbeteiligung schätzt die Universität auf 65 Prozent.