Nahost-Politik USA erhöhen den Druck auf Israel

Israels Regierung bekommt Druck aus Washington. Zwei Wochen vor Benjamin Netanjahus Antrittsbesuch fordern die USA immer deutlicher ein Ende der Hardliner-Politik. Man werde künftig "fester zupacken, als wir es unter Bush getan haben", lautet die Warnung aus dem Weißen Haus.

Beirut - Die USA wollen die neue israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu notfalls dazu zwingen, eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen den Palästinensern und Israel zu akzeptieren. Während der Antrittsbesuch Netanjahus in den USA am 17. Mai näher rückt, bemüht Washington seit Montag immer ranghöhere Politiker, um in immer kürzeren Abständen und zunehmend harschen Worten ihre Botschaft zu übermitteln: Es geht mit der Geduld Israel gegenüber zu Ende.

Israels Premier Netanjahu: USA fordern Zwei-Staaten-Lösung

Israels Premier Netanjahu: USA fordern Zwei-Staaten-Lösung

Foto: AFP

Die USA scheinen nicht länger hinnehmen zu wollen, dass die Regierung Netanjahu die Zwei-Staaten-Lösung nicht akzeptiert und weiter Siedlungen zu bauen plant. Angedeutet hatte sich der Umschwung in Washington schon länger. Bereits Mitte April betonte Präsident Barack Obama im Gespräch mit Jordaniens König Abdallah, er erwarte im Nahost-Konflikt "von beiden Seiten Gesten des Guten Willens."

Mit Beginn dieser Woche scheint in Washington nun eine regelrechte Kampagne gestartet worden zu sein, mit der Israel auf US-Kurs gezwungen werden soll. Den Auftakt machte am Montag der Stabschefs des Weißen Hauses, Rahm Emanuel. Bei der Jahresversammlung der Aipac, der Lobby-Organisation für Israel in den USA, betonte er, eine Zwei-Staaten-Lösung für das historische Palästina sei die einzige Formel, die die USA unterstützen werde.

Am Dienstag legte der US-Vizepräsident vor dem selben Publikum nach: Israel müsse für die Zwei-Staaten-Lösung arbeiten, keine weiteren Siedlungen bauen, die Außenposten der Siedler räumen und den Palästinensern Bewegungsfreiheit geben, forderte Obamas Stellvertreter Joe Biden.

Warnungen aus Washington

Hinter den Kulissen wurden die Amerikaner noch deutlicher: General James Jones, Obamas Berater für nationale Sicherheit, soll einem europäischen Außenminister wörtlich gesagt haben, im Gegensatz zu seinem Vorgänger George W. Bush werde Obama Israel hart anfassen. "Die neue Regierung wird Israel dazu bringen, in der Palästinenserfrage Kompromisse einzugehen", zitiert die israelische Zeitung "Haaretz" Jones aus einem geheimen Protokoll des Gesprächs. "Wir werden Israel nicht unter die Räder eines Busses schubsen. Aber wir werden fester zupacken, als wir es unter Bush getan haben."

Einen weiteren Tiefschlag fing sich Jerusalem am Dienstag ein, als sich eine Vizeministerin im US-Außenamt zu Wort meldete. Bei einer Sitzung der Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags sagte Rose Gottemoeller, die USA erwarteten auch von Israel, dass es das Abkommen unterzeichne, das die Verbreitung von Atomwaffen verhindern soll. Neben Israel forderte Gottemoeller auch Nordkorea, Pakistan und Indien auf, dem Abkommen beizutreten.

In Jerusalem wurde die Äußerung mit Sorge aufgenommen. Ein ehemaliger Berater im Außenministerium nannte sie "überraschend und besorgniserregend". "Ich glaube nicht, dass die USA so etwas in der Vergangenheit je gesagt haben", sagte Alan Baker der Zeitung "Yedioth Ahronoth".

Ein Tröpfeln, dass zum Regen geworden ist und sich zur Sintflut auszuwachsen droht: So versuchte die israelische Zeitung "Maariv" die auf Israel einprasselnden Forderungen in ein Bild zu fassen. Angesichts der wachsenden Ungeduld in Washington stehe Netanjahu bei seinem dortigen Besuch in zwei Wochen vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe, kommentierte das Blatt. Der Regierungschef müsse einen Plan für die künftige israelische Außenpolitik präsentieren, der einerseits die USA zufriedenstellt, ihm aber andererseits erlaube, nach Hause zurückzukehren und im Amt zu bleiben.

Risiko für Netanjahus Regierungskoalition

Sollte sich Netanjahu dem Druck der USA beugen und den Palästinensern das Recht auf einen eigenen Staat zusprechen, würde das vermutlich schon das Aus für seine Regierungskoalition in der Knesset bedeuten. In ihr sind mehrere Parteien vertreten, die den israelischen Abzug aus dem besetzten Westjordanland aus politischen oder religiösen Gründen ablehnen. Auch Siedler-Parteien sitzen mit am Kabinettstisch, weshalb es Netanjahu schier unmöglich sein dürfte, der amerikanischen Forderung nach einem Siedlungsstopp nachzukommen.

Netanjahu steckt in der Zwickmühle, und darum beneiden ihn selbst sein politischen Gegner nicht. So klang es geradezu mitleidig, als der israelische Staatspräsident Schimon Peres bei seinem Staatsbesuch bei Präsident Obama am Montag ein gutes Wort für Bibi einlegte.

Peres war Netanjahu 1996 in den Wahlen zum Ministerpräsidenten knapp unterlegen, die beiden Männer mögen sich nicht. Trotzdem nahm Peres seinen Widersacher in Schutz: Er habe Obama klargemacht, dass der Friedensfahrplan in Nahost zwei getrennte Staaten für Palästinenser und Israelis vorsehe, so Peres bei der anschließenden Pressekonferenz. Netanjahu wisse das und wolle einen historischen Frieden schließen. "Er hat Koalitions-Schwierigkeiten, aber wir sollten ihm nicht vorgreifen und voreilig sein."

Druck wird noch steigen

Der amerikanische Druck auf Netanjahu dürfte vor seinem Washington-Besuch noch weiter zunehmen: Die USA wollen ihn anscheinend dazu bringen, eine goldene Brücke zu überschreiten, die sie derzeit mit Hilfe der moderaten arabischen Staaten bauen.

Nach einem Bericht der in London erscheinenden Zeitung "Al-Kuds al-Arabi" arbeiten Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und die Palästinensische Autonomiebehörde derzeit auf Bitten der USA mit Hochdruck an einer überarbeiteten Fassung des arabischen Friedensplans. Der ursprünglich 2002 gefasste Plan sieht eine Normalisierung des Verhältnisses aller arabischen Länder zu Israel vor. Vorher jedoch müsste Israel alle besetzten Gebiete räumen.

Die Obama-Regierung unterstützt den Plan, hat die Initiatoren dem Zeitungsbericht zufolge jedoch ersucht, eine für Israel leichter zu akzeptierende Fassung zu erstellen. Vor allem das Recht auf Rückkehr für palästinensische Flüchtlinge solle relativiert werden, schreibt "Al-Kuds al-Arabi" unter Berufung auf palästinensische Quellen. Zudem solle ein Zeitplan für die angekündigte Normalisierung mit Israel erstellt werden. Israel solle davon überzeugt werden, dass die Schaffung eines Staates Palästina konkrete Vorteile mit sich bringe.

Uno bezichtigt Israel der Lüge und Folter

Nicht nur aus Washington bläst Netanjahu in diesen Tagen ein scharfer Wind ins Gesicht. Gleich zweifach musste Israel sich am Dienstag von Uno-Organisationen rügen lassen. Zum einen präsentierte die Uno ihren Bericht zu den israelischen Angriffen auf Uno-Einrichtungen während des Gaza-Krieges zum Jahreswechsel.

Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon bezichtigte Israel bei der Vorstellung des Reports im Sicherheitsrat dabei der Lüge. Entgegen ihrer Aussagen habe die israelische Armee Uno-Gebäude im Gaza-Streifen bewusst beschossen und so den Tod Dutzender Menschen verursacht, die sich in die Einrichtungen der Vereinten Nationen geflüchtet hätten, so Ban. Bei einigen Angriffen hätte Israel Phosphor-Munition eingesetzt, die in dicht besiedeltem Gebiet nicht benutzt werden darf. Die Uno will bis zu elf Millionen Dollar Schadenersatz von Israel.

Ebenfalls am Dienstagabend veröffentlichte das Anti-Folter-Komitee der Vereinten Nationen einen Bericht, in dem Israel vorgeworfen wird, palästinensische Gefangene an einem geheimen Ort auf israelischem Staatsgebiet festzuhalten. Dort, so die Uno-Experten, würden Verhörmethoden angewandt, die gegen die Anti-Folter-Konvention verstoßen. Genannt werden unter anderem Schläge, Schlafentzug und das Sitzen in schmerzhaften Stellungen.

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