Nahost-Reise Bush wirbt für US-arabische Front gegen Iran
Abu Dhabi - Er hätte seine große Nahost-Rede im Irak halten können, dem Land, das er vom Tyrannen befreite. Oder in Palästina, wo sie seinem Ruf folgten und massenhaft zu den Urnen gingen. Oder im Libanon, dessen "Zedernrevolution" vor drei Jahren seine Vision eines demokratischen Nahen Ostens greifbar nahe erscheinen ließ.
Doch nein: George W. Bush hat sich für ein Land entschieden, das sich nicht einmal den Anschein gibt, eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu sein ? und trotzdem zu den fortschrittlichen Staaten der Region gehört. Bush spricht auf Einladung des Emirates Center for Strategic Studies and Research, eines braven, regierungsnahen Thinktank in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Spektakulär ist zunächst nur die Bühne, auf der er über seine Orientreise und die "Freedom Agenda", das Leitmotiv seiner Außenpolitik, räsonniert: Das Emirates Palace Hotel, das größte und teuerste der Welt, ein Tempel orientalischer Prachtentfaltung. Stuck und Marmor, Damast und Seide für einen Mann, der nicht wirklich beliebt ist am Golf.
Zornige offene Briefe an den US-Präsidenten waren erschienen, bevor er kam, zynische Kommentare vor allem über seinen vorangegangenen Besuch im Heiligen Land, wo er anderthalb Tage auf der israelischen und, penibel nachgerechnet, nur sechs Stunden auf der palästinensischen Seite der Grenze verbracht habe. Einer der wartenden Zuhörer in der ersten Reihe zeigt einen arabischen Ansteck-Button herum: "Nur noch zwölf Monate bis zum Ende der Präsidentschaft von Bush!" Seine Sitznachbarn lachen, dann betritt nach Außenministerin Condoleezza Rice der Präsident den Saal, der Button verschwindet und alles erhebt sich respektvoll ? ein Gebot der Höflichkeit.
Bushs Bedrohungszenario
Bush hebt an, lockert die Stimmung kurz mit ein paar Phrasen über "die Ehre, auf arabischem Boden sprechen zu dürfen"; nach zwei Minuten ist er bei seiner zentralen Botschaft, dem anhaltenden Kampf gegen den Terror. Zwei Gruppen seien es, die den Frieden im Nahen Osten bedrohten: al-Qaida und das Regime in Teheran, "der weltweit führende staatliche Unterstützer des Terrors". Selten hat der US-Präsident das Terrornetzwerk und die iranische Regierung so drastisch auf einen Nenner gebracht. "Diese Leute hassen Eure Regierung und sie hassen die Vereinigten Staaten."
Ein wenig atemlos verfolgt das Publikum ? arabische Würdenträger, Wissenschaftler, Wirtschaftsführer ? die Rhetorik, die unmissverständlich an Bush, den Kriegspräsidenten von 2003 erinnert. "Die neue Achse des Bösen", flüstert ein Syrer im Auditorium. Sein Land wird nicht mehr ausdrücklich erwähnt.
Bushs Gegenmittel: "Freiheit", "Gleichheit" und "Wohlstand". Vor allem mit letzterem hält er sich lange auf, über ökonomische Freiheiten lässt sich trefflich reden in einer Region, die im Moment kaum weiß wohin mit ihren Ölmilliarden. Das Wort "Demokratie" fällt erst gegen Ende seiner Rede, dann allerdings 15-mal hintereinander: Die historische Parallele, die Bush offeriert, ist nicht ? wie im Falle des Irak ? die Demokratisierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern Japan. Der Shintuismus, so hätten Skeptiker einst gewarnt, vertrage sich nicht mit dem Konzept der Demokratie. "Inzwischen", so Bush mit einem Anflug von Ironie, "liegen die ersten Ergebnisse vor: Japan ist eine vorbildliche Demokratie." Genau so verhalte es sich mit dem Islam. Die Freiheitsstatue, auch wenn das nur wenige wüssten, habe ursprünglich am Suez-Kanal aufgestellt werden sollen ? und sei nur auf Umwegen in Amerika gelandet.
Ein veränderter Bush
Da ist sie wieder, die kühne Analogie, die im Guten wie im weniger Guten Bushs außenpolitisches Denken charakterisiert: Was in Ostasien funktioniert hat, warum soll das in der arabischen Welt nicht funktionieren? Dass Saddam kein Hitler war, sondern eher eine Art Al Capone, und seine Baath-Partei keine NSDAP, sondern ein brutales, aber mit den Jahren immer bedeutungsloseres Karrierevehikel ? auch darüber liegen inzwischen erste Ergebnisse vor: Gestern einigte sich das irakische Parlament darauf, ehemalige Baathisten grundsätzlich wieder für den öffentlichen Dienst zuzulassen. Bush begrüßte die Rücknahme des 2003 von ihm abgesegneten Berufsverbotes ausdrücklich.
Sieben Jahre Nahost-Politik, davon sechs nach dem 11. September 2001, haben Bush verändert; in Ansätzen lässt das auch seine Rede in Abu Dhabi erkennen. Emphatisch appelliert er am Ende an Israelis und Palästinenser, die "harten Entscheidungen" zu fällen, die einen Frieden im Nahen Osten erst möglich machten. Seine ganze Tour durch den Orient, haben arabische Beobachter angemerkt, sei eine Übung in jener traditionellen Reisediplomatie, die er in den frühen Jahren seiner Präsidentschaft für Zeitverschwendung hielt.
Hat er noch die Überzeugungskraft, die selbst ein amerikanischer Präsident braucht, um im Nahen Osten etwas zu bewegen? Die nächste Station auf Bushs Reise ist Saudi-Arabien, auch kein Musterkandidat für demokratische Reformen. "Bush hat im Nahen Osten zu viele Fehler gemacht", sagt Ibrahim Mukaitib, ein saudi-arabischer Menschenrechtler und Dissident. "Selbst wenn er die Wahrheit sagt ? die Leute hören ihm nur mehr aus Höflichkeit zu. Zwölf Monate noch, dann ist es vorüber."