Nahost-Reise Syrische Souvenirs für Steinmeier
Der riesige Klotz außerhalb von Damaskus mag "Volkspalast" heißen, es bleibt eine auf Einschüchterung ausgelegte Herrscherresidenz einer Autokratie. Über 100 Meter lang ist der rote Teppich, den Besucher abschreiten müssen, bevor sie das Allerheiligste, den Empfangssaal des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad, betreten dürfen. Dazu die Höhe der Halle, die Kühle der grauen Marmorwände: Der Gast soll sich klein vorkommen - und tut es auch.

Bundesaußenminister Steinmeier und Syriens Präsident Assad: "Das Klima hat sich verändert"
Foto: AFPDer deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wirkte dennoch beschwingt, als er den Bodenbelag ablief. Es ist sein erster Besuch bei Baschar al-Assad seit über zwei Jahren. Seitdem schon versucht er voranzutreiben, was er als den "regionalen Ansatz" zur Lösung des Nahostkonflikts beschreibt: Den Versuch, die arabischen Nachbarn Israels parallel zu Verhandlungen mit den Palästinensern in die Suche nach einem friedlichen Ausgleich zwischen allen Parteien einzubeziehen.
Steinmeier hatte so schon früh, deutlich vor US-Präsident Barack Obama, in Syrien einen potenziell konstruktiven Akteur gesehen. Am Dienstag, dem zweiten Tag seiner Nahost-Reise, taten die Syrer viel, diesen Vertrauensvorschuss nicht zu verspielen und sich als willige Friedenshelfer zu zeigen - für den deutschen Außenminister nach dem verhältnismäßig kühlen Auftakt in Israel am Montag eine willkommene Bestätigung.
Schon die ersten zwei Minuten seiner Unterredung mit Assad zeigten das. Kaum, dass die beiden in den schweren, mit Intarsien geschmückten Sesseln Platz genommen hatten, kam das Gespräch, das sie auf Englisch und ohne Dolmetscher absolvierten, auf die rege diplomatische Reisetätigkeit in der Region zu sprechen. "Das Klima hat sich verändert", kommentierte Assad gut gelaunt.
Steinmeier drückt aufs Tempo
Gut anderthalb Stunden lang konferierten der deutsche Außenminister und der syrische Staatspräsident, davon eine dreiviertel Stunde lang unter vier Augen - das war deutlich länger als geplant. Konkrete Ergebnisse gab es zwar nicht, aber das war vorher klar. Vorerst geht es noch darum, sich überhaupt gegenseitig zu versichern, dass beide Seiten gerade dasselbe wahrnehmen: einen Nahen Osten, der nach Jahren des Stillstandes plötzlich wieder politische Dynamik zu bieten hat.
Steinmeier betonte in Syrien, wie schon am gestrigen Montag in Israel, dass seiner Meinung nach die sich derzeit bietende Gelegenheit nicht nur günstig, sondern möglicherweise auch kurz sei. Obama, so seine Lesart, hat dadurch, dass er Israel stärker in die Pflicht zu nehmen bereit ist, einen Impuls gegeben. Jetzt müssen sich die Akteure der Region ihrerseits positionieren. Sehr rasch, erklärte Steinmeier in Damaskus, müssten jetzt handfeste Verhandlungsprozesse eingeleitet werden: "Die Chancen, die bestehen, müssen noch dieses Jahr genutzt werden, sonst wird sich das Fenster schließen."
Hinter diesen Worten steht der Gedanke, dass Palästinenser und Israelis noch im Herbst 2009 mit Endstatusverhandlungen beginnen sollen. Sie sollen den "Friedensprozess", der allzu oft torpediert und verwässert wurde, ersetzen. So stellen es sich die USA und auch Steinmeier vor. Es wäre, nach dem bisherigen Scheitern anderer Ansätze, einen Versuch wert, meinen sie.
Die Syrer, die bisher den Eindruck vermittelt hatten, Zeit sei ihre geringste Sorge, schlossen sich am Dienstag der Lesart, dass die Zeit nun drängt, überraschend deutlich an. Selbst die Frage der Anlehnung von Damaskus an Iran, die der internationalen Gemeinschaft Kopfzerbrechen bereitet, könnte, so deutete es Außenminister Walid al-Muallim geschickt an, als Tabu fallen. Auf die Journalistenfrage, wie er über die Forderung der USA denke, sich im Austausch für eine Rückgabe der israelisch besetzen Golanhöhen von Teheran zu lösen, antwortete Muallim sinngemäß, dass niemand vorhersehen könne, wie es um diese Beziehung stehen werde, wenn der Golan erst wieder syrisch geworden wäre.
Außerdem bekräftigte Syriens Außenminister auf der gemeinsam mit Steinmeier abgehaltenen Pressekonferenz, dass sein Land nach wie vor zu Verhandlungen mit Israel bereit sei. Allerdings würde er es vorziehen, wenn zunächst weiterhin unter türkischer Vermittlung indirekt miteinander gesprochen würde. Israel signalisiert zurzeit, dass es lieber direkt mit Damaskus verhandeln will. Es geht also eher um das wie, nicht um das ob: Auch hier also Tauwetter.
Damaskus bewegt sich
Am ehesten knirscht es bei der Einbeziehung Syriens wohl noch auf jenem Gebiet, das Steinmeier als "Reduzierung des Störpotenzials" bezeichnet: die Unterstützung, die Damaskus der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah angedeihen lässt. Hier sind die Syrer nach wie vor wortkarg.
Aber Damaskus bewegt sich zugleich merklich. Bei den jüngst abgehaltenen Parlamentswahlen im Libanon mischte sich die ehemalige de-facto-Besatzungsmacht nicht ein, Außenminister Muallim beteuerte, auch bei der Regierungsbildung werde man das nicht tun. Die Syrien-freundlichen Kräfte hatten bei der Wahl verloren. Auch Botschafter hat Damaskus mittlerweile mit dem Libanon ausgetauscht.
Die freundlichen Gespräche in Damaskus sind für Steinmeier, der möglicherweise das letzte Mal als Außenminister in die Region reiste, ein Erfolg. Die Rolle deutscher Außenminister im Nahen Osten ist traditionell nicht groß. Ein gewisser Beitrag dazu, dass Syrien wieder gesellschaftsfähig geworden ist, hat da durchaus Bedeutung - auch wenn es zunächst nur einer kleinen Umdrehung an einer von vielen Stellschrauben des Konflikts gleichkommt.