

Der 11. November ist ein geradezu heiliges Datum in dem an Feiertagen reichen Polen. Am 11. November 1918, also vor 100 Jahren, ergatterte das Land nach Jahrhunderten der Teilungen und Besatzung durch die Nachbarmächte wieder eine eigene Staatlichkeit . Also - so sollte man meinen - ein idealer Termin für rot-weißes Gepränge und patriotische Gesänge, besonders weil ja mit der PiS derzeit die Nationalkonservativen in Warschau regieren. Doch so war es nicht. Oder nicht nur.
Zwar zogen am Sonntag 250.000 Menschen friedlich durch die Hauptstadt. Doch nur mit knapper Not hatte die Regierung verhindert, dass aus dem Nationalfeiertag ein nationalistisches Fanal geworden ist. Dafür musste sie einen hohen politischen Preis zahlen.
Schon die Vorbereitungen liefen schlecht: Im vergangenen Jahr waren Rechtsradikale mit rassistischen Transparenten durch Warschau marschiert und hatten so das ohnehin lädierte Image Polens weltweit weiter verschlechtert. Und auch 2018 hatten die Extremisten eine Demonstration durch die Innenstadt angemeldet. Um Bilder wie vor einem Jahr zu verhindern, hatte PiS zunächst versucht, sich an die Spitze des Zuges zu setzen. Der Premier wollte kommen und auch der Präsident. Doch die Opposition zog nicht mit. Daraufhin sagte die Regierung wieder ab.
Ende vergangener Woche verbot die Warschauer Bürgermeisterin den Marsch der Radikalen kurzerhand. Die Veranstalter legten Berufung ein, es wurde ein juristisches Hickhack. Dann einigte sich die Regierung doch mit den Extremisten: Wir marschieren alle zusammen, es werden keine rassistischen Parolen gegrölt oder gezeigt - so in etwa lautete die Absprache. Ein Eiertanz.
Und so kam es auch: Vorneweg liefen der Präsident Andrzej Duda und Premier Mateusz Morawiecki. Auch PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski durfte nicht fehlen. Die allermeisten Demonstranten waren ganz normale Polen, Familien mit Kindern darunter. Ordner und Polizei schritten rigoros ein, wo Radikale doch versuchten, ihre Flaggen zu entrollen.
Extremisten waren im Zug dabei
Ein Erfolg also für PiS, so liest es zumindest die Partei. PiS konnte sich und den von ihr vertretenen rot-weißen Patriotismus am Wochenende feiern, allerdings: Dazu hat die Regierung Verhandlungen unter anderem mit Extremisten aus der "Allpolnischen Jugend", oder dem "Radikal-nationalen Lager" geführt. Das sind Gruppen, die einem triumphalistischen Nationalismus huldigen, die sich ausländerfeindlich gebärden und EU-Flaggen verbrennen. Gestalten, die in Deutschland den Verfassungsschutz interessieren würden.
Mit diesen Leuten haben sich Regierungsvertreter also zusammengesetzt, statt sie zu isolieren und zu stigmatisieren. Wenn PiS sie wirklich hätte abschrecken wollen, hätte die Regierung die Demonstration frühzeitig verboten, oder in die Außenbezirke verbannt und den öffentlichen Raum in Warschau mit eigenen Veranstaltungen besetzt. So aber marschierten Regierung, normale Polen und Rechtsextremisten in einem Zug. Gerade mal eine 100 Meter lange "Sicherheitslücke" trennte Duda, Morawiecki und Kaczynski von dem Teil der Demonstration, in dem sich auch Radikale herumtrieben.
Das zögerliche Vorgehen von PiS wird die Rechtsradikalen nicht schwächen, sondern hat ihnen vermittelt: Wenn sie nicht zu laut krakeelen, sich mal einen Nachmittag zusammenreißen, gehören sie dazu. Dann dürfen sie selbst am heiligen 11. November mitmachen.
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Mitglieder einer rechtsradikalen Gruppe nehmen an einer Großdemonstration zum 100. Jahrestag der polnischen Unabhängigkeit teil.
Insgesamt waren in Warschau 250.000 Menschen dabei: Auch Jaroslaw Kaczynski, Chef der regierenden PiS-Partei, durfte nicht fehlen.
Staatspräsident Andrzej Duda: Regierung, normale Polen und Rechtsextremisten marschierten in einem Zug.
Premier Mateusz Morawiecki: Eigentlich hatten die Rechten, wie im Vorjahr, einen eigenen Marsch zum Jahrestag angesetzt.
Ende vergangener Woche verbot die Warschauer Bürgermeisterin den Marsch der Radikalen kurzerhand. Die Veranstalter legten Berufung ein, es wurde ein juristisches Hickhack.
Dann einigte sich die Regierung doch mit den Extremisten: Wir marschieren alle zusammen, es werden keine rassistischen Parolen gegrölt oder gezeigt - so in etwa lautete die Absprache
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