Nato-Jahresbericht Europäer geben mehr für Rüstung aus - ganz langsam

Nato-Soldaten bei Übung in Polen (Archivfoto von 2016)
Foto: Kay Nietfeld/ dpaFür Donald Trump war es wieder einmal ein glänzender Sieg - zumindest in den Augen von Donald Trump. Die "sehr starken und offenen Diskussionen" mit den anderen Nato-Mitgliedsländern hätten den gewünschten Erfolg gebracht, sagte der US-Präsident Ende Februar in seiner Rede vor dem US-Kongress: Endlich würden Europäer und Kanadier ihre Rüstungsausgaben erhöhen.
"Das Geld strömt nur so herein", prahlte Trump.
Die Zahlen aber sprachen schon damals eine andere Sprache - und das tun sie nun erneut. Am Montag stellte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel den Jahresbericht des Verteidigungsbündnisses vor. Aus ihm geht hervor, dass der Anteil der Rüstungsetats am Bruttoinlandsprodukt der europäischen Nato-Staaten im Jahr 2016 bei 1,47 Prozent lag. Im Vorjahr betrug der Anteil 1,43 Prozent.
2014 hat sich die Nato auf dem Gipfel von Wales das Ziel gesetzt, dass jedes Mitgliedsland bis zum Jahr 2025 mindestens zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert. Doch mit dem jetzigen Tempo würde es mehr als 13 Jahre dauern, bis Europäer und Kanadier die Zweiprozentmarke zumindest im Durchschnitt erreicht haben.
Und das wäre nur der Durchschnitt. Die Unterschiede innerhalb Europas sind nach wie vor groß. Außer den USA liegen nur Großbritannien, Griechenland, Estland und Polen über der Zweiprozentmarke. In Deutschland dagegen entspricht der Rüstungsetat lediglich 1,2 Prozent des BIP. Zwar sind die deutschen Verteidigungsausgaben zwischen 2015 und 2016 von 35,9 auf 37,6 Milliarden Euro gestiegen. Da zugleich aber auch die Wirtschaftsleistung stieg, wuchs der Rüstungsetat im Verhältnis zum BIP nur von 1,18 auf 1,2 Prozent. "Wir haben immer noch keine faire Lastenverteilung im Bündnis", bilanzierte Nato-Chef Stoltenberg.
Mehr Geld für Verteidigung? Finden Experten nicht sinnvoll
Allerdings herrschen in Berlin erhebliche Zweifel daran, ob eine drastische Steigerung der Ausgaben auf zwei Prozent des BIP machbar und überhaupt sinnvoll wäre. Im Bundestag gibt es selbst in Merkels Unionsfraktion erhebliche Zweifel daran - ganz zu schweigen von der Opposition. "Eine Verdopplung des Verteidigungshaushalts ist schlichtweg illusionär", sagte etwa Wolfgang Hellmich (SPD), Vorsitzender des Bundestagsverteidigungsausschusses, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Verteidigungsexperten hielten eine reine Steigerung der europäischen Verteidigungsetats zudem für sinnlos, wenn sie nicht mit einer stärkeren Verzahnung der europäischen Staaten etwa bei der Beschaffung von Material oder der Einsatzplanung einherginge. Ansonsten, heißt es aus Nato-Kreisen, würde man nicht leistungsfähiger werden, sondern lediglich mehr Geld verbrennen.
Hinzu kommen in Deutschland politische Bedenken. Eine Steigerung des Wehretats auf zwei Prozent des BIP hätte eine Anhebung der Ausgaben von derzeit 37 Milliarden auf rund 70 Milliarden Euro zur Folge. Berlin gäbe dann mehr Geld fürs Militär aus als Russland - was mancher europäische Partner wohl mit einem gewissen Unbehagen sehen würde.
Für mindestens ebenso großes Unbehagen sorgt in der Allianz derzeit die dramatische Eskalation des Streits zwischen der Türkei und diversen Nato-Partnern. Es gelte, "Spannungen zu entschärfen und die Lage zu deeskalieren", sagte Stoltenberg.
Zusammengefasst: Die Europäer und Kanadier steigern ihre Verteidigungsausgaben - allerdings weit weniger schnell, als es notwendig wäre, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Das sieht vor, dass jedes Nato-Mitgliedsland bis zum Jahr 2025 mindestens zwei Prozent seines BIP in die Verteidigung investiert. US-Präsident Trump hat Europäer und Kanadier massiv unter Druck gesetzt, mehr zu tun. Er dürfte enttäuscht werden - zumindest wenn es im jetzigen Tempo weitergeht.