Krise zwischen Russland und Nato Das rote Telefon steht still

Seit einem halben Jahr herrscht Schweigen zwischen Moskau und der Nato. Das transatlantische Militärbündnis erhebt schwere Vorwürfe: Kontaktversuche habe Russland abgeschmettert.
Russischer Jet, gefolgt von norwegischem Flugzeug (Archivbild): Immer mehr Zwischenfälle

Russischer Jet, gefolgt von norwegischem Flugzeug (Archivbild): Immer mehr Zwischenfälle

Foto: HANDOUT / REUTERS

Moskau/Brüssel - Fast täglich steigen inzwischen Nato-Kampfjets über dem Baltikum auf, um russische Militärflugzeuge "abzufangen". Die Ukraine-Krise hat die Spannungen zwischen Russland und dem Bündnis deutlich verschärft. Während die militärischen Aktivitäten zunehmen, regiert zwischen den Militärführungen beider Seiten Funkstille. Das "rote Telefon", der direkte Draht zwischen Moskau und der Nato, steht seit mehr als einem halben Jahr still. Eine solche, abhörsichere Verbindung wurde erst im Februar 2013 feierlich eingeweiht.

Die Schuld sieht zumindest die Nato eindeutig auf der anderen Seite. Russland sei bisher nicht auf Versuche der Nato-Militärführung eingegangen, wegen der Spannungen im Umfeld der Ukraine-Krise Gespräche aufzunehmen. Die russische Seite habe "keinerlei Interesse an einem echten Dialog gezeigt", sagte eine Nato-Sprecherin am Freitag in Brüssel. Moskau dürfte das vermutlich etwas anders sehen, von dort gibt es aber noch keine Stellungnahme.

Wegen der Gefahr militärischer Zwischenfälle hatten die Nato-Außenminister das Militär der Allianz vergangene Woche aufgefordert, eine "fortgesetzte Kommunikation" mit der russischen Seite sicherzustellen. Die Nato-Militärführung sollte demnach "die Kanäle der militärischen Kommunikation offen halten und sie, wenn nötig, nutzen, um jegliche Missverständnisse mit Blick auf militärische Aktivitäten zu vermeiden".

Einen solchen Krisen-Kommunikationsmechanismus hatte vor allem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gefordert.

Besonders die umfangreichen Militäraktivitäten Russlands verunsichern viele Staaten. Einige Beispiele:

  • Am Sonntag stiegen portugiesische und kanadische Kampfjets zu "Abfangmanövern" auf. Der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak sprach von "beispiellosen Aktivitäten" der russischen Luftwaffe und Marine.
  • Litauen erhöhte das Alarmniveau seiner Armee, nachdem eine Gruppe von 22 russischen Kriegsschiffen in der Ostsee gesichtet wurde, von denen sich eines bis auf fünf Kilometer den litauischen Hoheitsgewässern näherte.
  • Der estnische Verteidigungsminister Sven Mikser kritisierte am Freitag "unnötige Provokationen". Am Wochenende habe eine Maschine auch den Luftraum seines Landes verletzt.

Während die Nato also der russischen Führung deutliche Vorwürfe macht, kommen aus Moskau scharfe Töne - in Richtung der USA. Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow macht diese verantwortlich für einen "neuen Kalten Krieg" zwischen Russland und dem Westen.

"Ich habe gelernt, dass du den Amerikanern zuhören kannst, aber du kannst ihnen nicht trauen", sagte Gorbatschow dem US-Magazin "Time" . "Wenn sie etwas wollen, stellen sie die Welt auf den Kopf, um es zu erreichen", meinte der 83-Jährige. Mit Blick auf den blutigen Ukraine-Konflikt hatte er die USA zuletzt auch als "Seuche der Welt" bezeichnet.

jok/dpa/Reuters/AFP
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