

Was für ein Satz. "Er ist nicht länger mit uns, er gehört der Ewigkeit." Das sagt Barack Obama zum Tod von Nelson Mandela. Noch nicht einmal eine Stunde war da vergangen, seit das Ableben des großen südafrikanischen Freiheitskämpfers am Donnerstagabend bekannt worden war.
Der US-Präsident war einer der ersten, die sich zu Wort meldeten. Und seine Sätze waren ohne Frage die eindringlichsten: "Wir haben einen der einflussreichsten, mutigsten und zutiefst guten Menschen verloren, die jemals einer von uns auf Erden treffen wird", so der sichtlich gerührte Obama.
Und dann stellt der mächtigste Mann der Welt fest: "Ich kann mir mein eigenes Leben ohne Mandelas Beispiel nicht vorstellen." Das ist keineswegs nur so dahin gesagt. Denn es war Mandela, der Obama in die Politik brachte.
Es ist Mittwoch, der 18. Februar 1981, der Campus des Occidental College in Los Angeles. Barack Obama, den sie damals noch Barry nennen, hält seine erste politische Rede. Vor Publikum. Er hatte über Jahre mit seiner Identität gerungen, wollte sich zum schwarzen Amerika bekennen, wollte radikal sein, nächtelang diskutierte er mit Kommilitonen. Aber wohin mit seinem Leben? Das wusste Obama nicht so recht. Nach diesem Februarnachmittag im Jahr 1981 hat er zumindest eine Ahnung von seinen Fähigkeiten.
Obamas erste Rede: gegen die Apartheid
Es soll ein Protest gegen das Apartheidsregime in Südafrika sein. Obama, so der Plan, muss ein, zwei Minuten reden, dann würden ihn paramilitärisch verkleidete Kollegen von der Bühne ziehen. Botschaft: So geht Südafrika mit Kritikern um. Obama also geht zum Mikrofon. Und legt los. "Da gibt es einen Kampf. Er findet einen Ozean entfernt statt. Aber es ist ein Kampf, der jeden einzelnen von uns betrifft." Jetzt hören die Kommilitonen zu. "Ein Kampf, der von uns eine Entscheidung verlangt: Nicht zwischen Schwarz und Weiß, nicht zwischen Arm und Reich, nein, wir haben die Wahl zwischen Würde und Knechtschaft, zwischen Fairness und Ungerechtigkeit, zwischen Richtig und Falsch."
Als Obama bemerkt, wie gebannt ihm die Leute lauschen, kommen von hinten - wie verabredet - die schauspielernden Paramilitärs und räumen ihn ab. Zu dumm. "Ich wollte wirklich da oben stehen bleiben", erinnert sich Obama in seiner Autobiographie "Dreams from my Father". Die Zuhörer waren gebannt, sie hörten zu, sie reagierten. Es war ein magischer Moment für den Redner Obama. Jedenfalls im Rückblick. Zum damaligen Zeitpunkt hakte er seinen Auftritt als Farce ab. Was hatte er schon verändert?
Drei Jahrzehnte später klingt das anders. Er sei einer der "ungezählten Millionen, die sich von Nelson Mandelas Leben haben inspirieren lassen", erklärt Obama in seiner TV-Ansprache am Donnerstagabend. "Meine allererste politische Aktion war ein Protest gegen die Apartheid." Seitdem ist Mandela einer von Obamas Helden, neben Abraham Lincoln und Martin Luther King jr. "Ich habe seine Worte und Schriften gelesen. Der Tag, an dem er aus dem Gefängnis entlassen wurde, hat mir ein Gefühl dafür gegeben, was Menschen erreichen können, wenn sie sich von ihren Hoffnungen und nicht von ihren Ängsten leiten lassen."
"Obama ist der wahre Nachfolger Mandelas"
Obama bewunderte Mandela; und Mandela bewunderte den bald ein halbes Jahrhundert jüngeren Obama. Als der zum US-Präsidenten gewählt wurde, schrieb ihm Mandela: "Ihr Sieg hat gezeigt, dass jeder auf der Welt den Traum träumen soll, die Welt zum Besseren zu verändern." Der eine hat für die Rechte der Schwarzen in Südafrika gekämpft, der andere hat es zum ersten schwarzen Präsidenten der größten Macht der Welt gebracht. Da schließt sich ein Kreis. "Obama ist aus vieler Sicht der wahre Nachfolger Mandelas auf der Weltbühne", zitiert das Magazin "Politico" Rick Stengel, Mandelas früheren Ghostwriter und gegenwärtig Mitarbeiter im US-Außenministerium.
Die beiden Friedensnobelpreisträger haben sich allerdings nur ein einziges Mal getroffen, 2005 in Washington war das. Als Obama in diesem Sommer Südafrika besuchte, kam es aufgrund des Gesundheitszustands Mandelas nicht zu einem Besuch. Das mutmaßlich historische Handshake-Foto entfiel. Dafür aber besuchte Obama die karge Gefängniszelle auf Robben Island, in der Mandela fast zwei Jahrzehnte seines Lebens verbringen musste. Der Präsident Obama vor den Gitterstäben - diese Fotos werden bleiben.
Und auch der Kampf wird weitergehen müssen. In Südafrika, wo die Schwarzen nach wie vor massiv benachteiligt sind. Und auch in Amerika, wo die Gleichberechtigung noch längst nicht erreicht ist. Ironischerweise illustriert das ausgerechnet die Präsidentschaft Obamas. Denn seit Beginn seiner Amtszeit macht die rechtspopulistische Tea-Party-Bewegung Stimmung, sammelt die Frustrierten des alten, weißen Amerika ein. Unter diesen Leuten ist es geradezu chic, die US-Geburtsurkunde des Präsidenten anzuzweifeln.
So gilt, was Obama an jenem 18. Februar 1981 in Kalifornien gesagt hat: "Wir haben die Wahl zwischen Richtig und Falsch."
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Die Obamas auf Robben Island: Im Juni 2013 besuchte die Familie die Gefängniszelle, in der Nelson Mandela einen Großteil seiner 27-jährigen Haft verbracht hatte.
Obama auf Robben Island: Damals war Mandela bereits so schwer erkrankt, dass die Obamas ihren Helden nicht besuchen konnten.
Barack Obama selbst traf Mandela nur einmal im Jahr 2005 in Washington. Ehefrau und Töchter konnten den Südafrikaner im Juni 2011 noch einmal in dessen Haus in Johannesburg besuchen.
Am Donnerstagabend, als die Nachricht von Mandelas Tod nicht einmal eine Stunde alt war, trat der US-Präsident vor die Kameras. Er sagte: "Ich kann mir mein eigenes Leben ohne Mandelas Beispiel nicht vorstellen."
Straßengemälde in Harlem, daneben Künstler Franco the Great: "Obama ist aus vieler Sicht der wahre Nachfolger Mandelas auf der Weltbühne", zitiert das Magazin "Politico" Rick Stengel, Mandelas früheren Ghostwriter, derzeit Mitarbeiter im US-Außenministerium.
Mandela starb am Donnerstag im Alter von 95 Jahren - er war der erste schwarze Präsident Südafrikas, Friedensnobelpreisträger und weltweite Ikone.
Mandela als Boxer (undatierte Aufnahme um 1950): "Madiba" hatte wegen seines Kampfes gegen die Rassentrennung in Südafrika 27 Jahre lang im Gefängnis gesessen.
Free at last: Am 11. Februar 1990 kommt Mandela frei, ihn begleitet seine damalige Ehefrau Winnie.
Vier Jahre später besuchte Mandela noch einmal die Zelle im Gefängnis Robben Island, in die er 18 Jahre lang eingesperrt war.
Die Zelle ist gerade einmal vier Quadratmeter groß. Mandela trug die Häftlingsnummer 46664 - bis heute ist diese Zahl ein Symbol für ihn. Auch eine weltweite Kampagne der Nelson-Mandela-Stiftung gegen Aids trägt sie als Namen.
So sieht die Zelle auf Robben Island heute aus. Das ehemalige Gefängnis ist heute eine Gedenkstätte und Weltkulturerbe der Unesco.
Robben Island liegt rund zwölf Kilometer vor Kapstadt. Neben Mandela saßen dort weitere ANC-Kämpfer ein - heute regiert die Partei das Land.
Nelson Mandela ist tot. Südafrikas Präsident Jacob Zuma sagte in einer Rede an die Nation: Das Land habe "seinen größten Sohn verloren". Das wohl bekannteste Bild von Mandela ist von 1994: Er blickt noch einmal aus dem Fenster seiner ehemaligen Zelle auf Robben Island.
Frühe Jahre des wichtigsten afrikanischen Politikers: Nelson Mandela (Mitte) gründete zusammen mit Walter Sisulu (links) 1944 die Jugendliga des African National Congress, weil ihm die Politik des ANC zu gemäßigt erschien. Rechts Harrison Motlana, der später als Sekretär der neuen Organisation fungierte.
Kampf gegen die Apartheid: In dieser Aufnahme aus dem Jahre 1959 spricht Mandela mit einer Gruppe von Frauen, die gegen die bestehenden Ausweis-Gesetzgebung in Südafrika demonstrieren.
Mandela (rechts) mit seinen Mitstreitern Robert Resha (links) und Patrick Molaoa (eine Aufnahme aus dem Jahre 1958)
1958 heiratete Mandela die 18 Jahre jüngere Nomzamo Winnie Madikizela. Aus dieser Ehe - seiner zweiten - gingen zwei Töchter hervor. Winnie war auch dabei, als es 1962 zum Prozess gegen ihren Mann kam. Wegen mehrerer Protestaktionen wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Verfahren 1964 endete dann mit lebenslangen Zuchthausstrafen für Mandela und sieben Mitangeklagte.
Schon 1962 machten sich die Menschen für eine Freilassung des inhaftierten Mandela stark. Doch erst 1990 wurde er aus der Haft entlassen.
Auch Winnie Mandela (hier eine Aufnahme aus dem Jahre 1986) wurde zu einer radikalen Gegnerin des Apartheid-Regimes. Mit vielen Äußerungen zog sie sich aber auch oft den Unmut des ANC zu.
Im Londoner Wembley-Stadion gab es am 11. Juni 1988 ein in mehr als 60 Länder auf der ganzen Welt ausgestrahltes Rockkonzert, mit dem ebenfalls die Freilassung Mandelas gefordert wurde.
Die Wende: Südafrikas Präsident Frederik Willem de Klerk öffnete den Dialog mit der schwarzen Opposition, als er im Februar 1990 in einer historischen Rede nicht nur die Freilassung Mandelas, sondern auch die Legalisierung des ANC und anderer bislang verbotener Organisationen ankündigte. Es war das Ende der Apartheid.
Am 11. Februar 1990 wurde Nelson Mandela endgültig aus der Haft entlassen.
Mandelas Landsleute feierten die Freilassung ihres Helden überschwänglich.
In dem legendären Gefängnis auf der Felseninsel vor Kapstadt, Robben Island, war Mandela bis 1981 inhaftiert.
De Klerk und Mandela (eine Aufnahme aus dem Mai 1990): Nach mehreren Treffen zwischen den beiden verpflichtete sich der ANC, den bewaffneten Kampf sofort auszusetzen. Die Regierung ließ im Gegenzug rund 3000 politische Gefangene frei.
Für ihren Kampf um den Frieden und das Ende der Apartheid in Südafrika wurden Mandela und de Klerk schließlich 1993 in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Doch die Verhandlungen zwischen dem ANC und der weißen Regierung wurden belastet durch die Gewalt zwischen ANC und der ebenfalls schwarzen Inkatha-Bewegung, einer Zulu-Organisation.
Erst nach zähen Verhandlungen erklärte sich die Inkatha-Freiheitspartei mit ihrem Anführer Mangosuthu Buthelezi (r.) bereit, an den erstmals stattfindenden freien Wahlen teilzunehmen. Von links: Mandela, de Klerk und der Zulu-König Goodwill Zwelithini.
Nelson Rolihlahla Mandela: Am 10. Mai 1994 wurde er als erster schwarzer Präsident Südafrikas vereidigt.
Vor Freude tanzte Mandela bei einem Konzert in Pretoria, mit dem seine Amtseinführung gefeiert wurde.
Ende März 1999 verabschiedete sich Mandela unter dem Beifall der Abgeordneten vom ersten demokratisch gewählten Parlament Südafrikas.
Sein Nachfolger wurde Thabo Mbeki (rechts), der bei den Wahlen 1999 mit dem ANC die Zweidrittelmehrheit im Parlament nur um ein Mandat verfehlt hatte.
Mandela hatte natürlich auch großen Anteil daran, dass die Fifa die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 im Jahr 2004 nach Südafrika vergab.
Und deshalb ließ er es sich auch nicht nehmen, an der Abschlussfeier des Turniers teilzunehmen. Mit Pelzmütze und im Wintermantel wurde er in einem offenen Golfwagen vor dem Finale ins Stadion gefahren. Rechts seine Frau Graca Machel.
Rebell, Freiheitsheld, Politiker - jetzt trauert Südafrika um Nelson Mandela.
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