Erdogan und Israel Der Provokateur schlägt wieder zu

Der türkische Premier hat Israel vorgeworfen, die Schuld am Machtkampf in Ägypten zu tragen. Er habe Beweise dafür, sagte Erdogan, nannte aber keine Details. Mit seinen Äußerung provoziert er Empörung in Jerusalem und Washington.
Erdogan und Parteifreunde: Provokation als Mittel der Politik

Erdogan und Parteifreunde: Provokation als Mittel der Politik

Foto: ADEM ALTAN/ AFP

Berlin - Hört her, ich kenne die Wahrheit. Ich kann euch die Beweise nicht zeigen, aber es gibt eine große Verschwörung, das ist doch klar. So in etwa klingen viele Reden des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan, ganz gleich, ob es um Innen- oder Außenpolitik geht.

Als in den Städten der Türkei Tausende gegen seinen autoritären Führungsstil demonstrierten, witterte er ein Komplott. Er denunzierte die friedlichen Proteste gegen seine muslimisch-konservative Regierung als internationalen Plot. Ausländische Medien würden im Auftrag der "Zinslobby" und anderer finsterer Kräfte eine Propaganda gegen die Türkei betreiben: "CNN und Reuters, bleibt mit euren Lügen allein", wetterte er.

Jetzt hat sich Erdogan ähnlich undifferenziert zum Machtkampf in Ägypten geäußert - und internationale Empörung ausgelöst. Der Regierungschef warf Israel vor, die Schuld an der Absetzung Mursis durch das Militär zu tragen. "Wer steht dahinter? Es ist Israel", sagte Erdogan bei einem Treffen seiner Partei AKP in Ankara. Er gab zugleich an, Beweise für seine Vorwürfe zu haben, nannte aber keine Einzelheiten.

"Beleidigend und unbegründet"

Absurd, hieß es prompt aus dem Büro des israelischen Regierungschefs, Benjamin Netanjahu reagierte empört. Als "beleidigend und unbegründet" wies das Weiße Haus in Washington die Aussagen zurück. "Die Andeutung, dass Israel in irgendeiner Weise für die jüngsten Ereignisse in Ägypten verantwortlich ist, ist anstößig, unbegründet und falsch", sagte Sprecher Josh Earnest.

Erdogan belastet damit eine ohnehin schwierige Beziehung, die sich in den Jahren seiner Macht dramatisch verschlechtert hat. Israel und die Türkei gerieten immer wieder aneinander. Die Regierungen stritten sich über den Krieg gegen die Hamas und den Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte. Der israelische Botschafter in Ankara, Gabby Levy, glaubte im Oktober 2009, dass Erdogan die Verstimmung provoziere. "Er ist ein Fundamentalist. Er hasst uns aus religiösen Gründen", wird Levy in einem vertraulichen Schreiben zitiert, über das der SPIEGEL berichtete .

Auf die diplomatische Eiszeit schien Tauwetter zu folgen, als Netanjahu Anfang des Jahres sein Bedauern für die Toten des Angriffs auf die Gaza-Hilfsflotte bekundete. Doch Erdogan lässt kaum eine Gelegenheit aus, den Konflikt wieder anzuheizen.

Im Frühjahr hatte er den Zionismus, eine der Triebfedern zur Gründung des Staates Israel, als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet. Er verglich ihn mit Antisemitismus und Faschismus. Auch diese Worte lösten international Empörung aus, Netanjahu etwa verurteilte sie scharf: "Das ist eine dunkle und falsche Aussage von der Art, von der wir eigentlich dachten, dass sie längst zur Vergangenheit gehört."

Tatsächlich gehören Verschwörungstheorien um "internationale Kräfte", die "Zinslobby" und Israel zu den klassichen Bausteinen antisemitischer Propaganda. Erdogan bedient mit seinen Angriffen und Schuldzuweisungen eine Stimmung, die in der Türkei eine lange Tradition hat. Die Furcht vor einer internationalen Verschwörung reicht mindestens bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zurück, als das Land unter den Siegermächten aufgeteilt werden sollte.

Wenn er gegen "Zinslobby" oder ausländische Verschwörer wettert, steigert er sich in eine Empörung hinein, die ihm seine Zuhörer sofort glauben. "Die Wut ist eine Kunst der Rhetorik", sagte er einmal während eines Fernsehinterviews, als er auf seinen Charakter angesprochen wurde. "Diese Idee, auch die andere Wange hinzuhalten, die gibt es bei uns nicht. Ich bin nun mal kein geduldiges Schaf."

Mit seinen Angriffen auf Israel jedoch verstört er einen einst engen strategischen Partner - und isoliert sich zunehmend.

Mit Material von Reuters
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren