Neue Krawalle in Athen Randalierer verwüsten Hotels und plündern Geschäfte
Athen/Berlin - Athen im Ausnahmezustand: Nach den massiven Ausschreitungen autonomer Gruppen am Wochenende brachen am Montagabend erneut schwere Krawalle in Athen und Thessaloniki aus.
Tausende Demonstranten verwüsteten den Eingang und die Lobby zweier Hotels und plünderten mehr als ein Dutzend Geschäfte in Athen. Die Lobby des Hotels Athens Plaza war voller Tränengasschwaden, viele Fenster waren zerschmettert. Ein Hotelmitarbeiter sagte, die Gäste würden evakuiert.
Wieder wurden auch Scheiben von Regierungsgebäuden, Banken, Unternehmensniederlassungen und anderen Gebäuden eingeworfen. Zudem zündeten Randalierer den etwa 20 Meter hohen Weihnachtsbaum der Stadt an, der lichterloh brannte. Dazu sangen sie die die griechische Fassung von "O Tannenbaum". Auch in einem Großkaufhaus wurde Feuer gelegt.
Die Polizei ging mit einem massiven Tränengaseinsatz gegen die Randalierer vor. Zwei U-Bahn-Stationen wurden vorsorglich geschlossen. Damit sollte verhindert werden, dass die Autonomen den Betrieb stören. In den Stationen waberten Tränengaswolken. Ein kleines Feuer wurde auch im Eingangsbreich des Außenministeriums gelegt.
Auch in Thessaloniki wurden Dutzende von Gebäuden mit Steinen und Molotowcocktails beworfen. Das Auswärtige Amt in Berlin riet Urlaubern, die von den Unruhen betroffenen griechischen Stadtzentren zu meiden.
Eine Demonstration von rund 10.000 Menschen am Nachmittag war zunächst friedlich verlaufen. Die meist jugendlichen Demonstranten bemalten große Teile der Panepistimiou-Straße im Zentrum Athens mit roter Farbe. Die Farbe sollte das vergossene Blut eines 15-jährigen Schülers symbolisieren, der am Samstagabend durch eine Polizeikugel ums Leben gekommen war. Zu der Demonstration hatte die kleine griechische Partei Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) aufgerufen.
Der griechische Ministerpräsident Kostas Karamanlis, dessen Regierung durch die Krawalle unter Druck geraten ist, versprach, die Verantwortlichen für den Tod des Jungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Schulen beinahe landesweit geschlossen
In fast allen Landesteilen Griechenlands blieben am Montag die Schulen geschlossen. Das Kultusministerium erklärte den Dienstag zum Tag der Trauer. Für die kommenden Tage wurden neue Demonstrationen autonomer Gruppen und linker Parteien angekündigt. Bei den Straßenkämpfen waren seit Samstagabend rund 40 Menschen verletzt worden. Der Sachschaden wurde auf 100 Millionen Euro geschätzt.
Straßenzüge in Athen und im nordgriechischen Thessaloniki boten auch vor den erneut ausbrechenden Unruhen am Abend Bilder wie aus einem Bürgerkrieg. Mehr als 500 Angestellte der Stadt versuchten in der Hauptstadt, die Wracks der Autos aus den Straßen zu entfernen. Die Randalierer hinterließen zerstörte Geschäfte, Bankfilialen und Polizeiwachen. Auch Privatwohnungen waren demoliert worden.
Vor der Polizeidirektion Athens zogen sich zwei Jugendliche bis auf die Unterwäsche aus und legten sich vor den Eingang. "Tötet uns auch", skandierten sie. Schüler blockierten die Straßenbahn von Athen. Andere Jugendliche besetzten eine Station der U-Bahn nahe der Vorstadt Kifissia.
In Piräus warfen Schüler Steine auf eine Polizeistation. Randalierer zerstörten sechs Autos. In der Hafenstadt Thessaloniki warfen Unbekannte mehrere Brandsätze gegen ein Bankgebäude. In Nikosia, der Hauptstadt Zyperns, blockierten hunderte Jugendliche den Eingang der griechischen Botschaft.
Papandreou ruft zum Entzünden von Kerzen auf
"Wir werden alles tun, damit diese Tragödie sich nicht wiederholt", sagte Regierungschef Karamanlis in einer Fernsehansprache. Für die Ausschreitungen am Wochenende machte er "extreme Elemente" verantwortlich. "Deren einziges Motiv ist die Gewalt und die Zerstörung", sagte der konservative Regierungschef. "Wir werden das nicht dulden." Er rief die Griechen auf, Ruhe zu bewahren und versprach Entschädigungen für die Inhaber der Geschäfte, die beschädigt oder zerstört wurden.
Der Chef der oppositionellen Partei der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok), Giorgos Papandreou, rief die Bürger des Landes für Dienstagabend dazu auf, Kerzen im Zentrum der Stadt zu entzünden, um an das Opfer der Polizeigewalt zu erinnern, wie es heißt. Zudem forderte er indirekt den Rücktritt der Regierung. "Alle jungen Menschen sagen heute: Es reicht mit dieser Regierung, die ihre Verantwortung nicht übernimmt", sagte Papandreou im Fernsehen.
Der 37 Jahre alte Polizist, der am Samstagabend den tödlichen Schuss auf den Schüler abgegeben haben soll, sagte aus, er habe lediglich drei Warnschüsse abgefeuert. Der Jugendliche sei von einem Querschläger getroffen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Polizisten Totschlag vor. Einer der Anwälte des Beamten trat zurück. Er lies verlauten, dass er einen "solchen Mandanten" aus Gewissensgründen nicht verteidigen könne. Über den mutmaßlichen Schützen wurde bekannt, dass er wegen seines harten Durchgreifens unter dem Spitznamen "Rambo" bekannt gewesen sei, berichtete der griechische Rundfunk.
In Berlin hielten Demonstranten acht Stunden lang das griechische Generalkonsulat besetzt. Mehr als 20 Demonstranten verließen am Abend das Gebäude am Wittenbergplatz, wie die Polizei mitteilte. Die Botschaft hatte auf eine Räumung des Konsulats verzichtet und mit den Besetzern gesprochen. Es gab keine Festnahmen.