Neuer EU-Vertrag Merkel und Sarkozy wollen Rettungsschirm vorziehen

Politiker Sarkozy, Merkel: Drängen auf einen neuen EU-Vertrag
Foto: CHARLES PLATIAU/ REUTERSParis - Es soll ein Zeichen der Einigkeit sein, pünktlich zum Auftakt der Schicksalswoche für den Euro. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy haben sich in Paris getroffen und über eine gemeinsame Strategie für die kommenden Verhandlungen gesprochen. Das Ergebnis: Beide drängen auf einen neuen EU-Vertrag, entweder mit allen 27 EU-Staaten oder auch nur mit den 17 Ländern der Euro-Zone.
Schon ab 2012 soll außerdem der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM greifen, bisher war das Hilfspaket für 2013 geplant. Frankreich und Deutschland streben automatische Strafen für Staaten an, deren Defizit die Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Damit soll mehr Haushaltsdisziplin durchgesetzt werden - nicht zuletzt, da einheitliche Schuldenbremsen zukünftig fester Teil der Verfassungen der Euro-Länder werden könnten. Diese, so der deutsch-französische Plan, werden vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüft.
Beide Politiker sprachen sich gegen die sogenannten Euro-Bonds aus. Bisher hatte sich zumindest Sarkozy offen für die gemeinsamen Staatsanleihen der Euro-Länder gezeigt. Diese Idee, gegen die sich Berlin vehement gewehrt hatte, ist nun offenbar vom Tisch.
Einzelne EU-Staaten sollen gemeinsame Entscheidungen im Rahmen des ESM schon bald nicht mehr mit ihrem Veto blockieren können. Laut Merkel und Sarkozy soll zukünftig eine Zustimmungsquote von 85 Prozent statt bisher 100 Prozent reichen. Dies sei nötig, "damit nicht einzelne Ländern den gesamten Zug aufhalten können", so Merkel in Paris.
Deutschland und Frankreich einigten sich laut Merkel und Sarkozy auch im Streit um die Beteiligung des Privatsektors bei eventuellen Staatspleiten. Die Einbeziehung des Privatsektors im Zuge des künftigen Rettungsschirms solle nach den Regeln des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfolgen. Damit werde auf die Verunsicherung der Anleger bei Euro-Staatsanleihen reagiert, hieß es. Es werde keine "Lex Europa" geben, die Anleger in Europa mehr verunsichere als Anleger anderswo auf der Welt, sagte Merkel.
Die Details ihres Konzepts wollen die beiden Staatschefs bereits am Mittwoch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vorlegen. Aus der akuten Schuldenkrise müssten schon jetzt Schlüsse gezogen werden: "Was sich bisher ereignet, darf sich nie wieder ereignen." Am Freitag kommen die 27 EU-Staaten zu einem weiteren Krisengipfel in Brüssel zusammen.
Schwere Aufgabe für Berlin und Paris
Deutschland und Frankreich spielen eine Schlüsselrolle in der Euro-Krise. Ihr Konzept für eine europäische Fiskal- und Stabilitätsunion sieht automatische Sanktionen gegen Haushaltssünder vor. Das zumindest war schon vor dem Spitzentreffen in Paris klar.
So soll Brüssel die Möglichkeit erhalten, auf Staatshaushalte einzuwirken, die mit einer zu hohen Verschuldung gegen die Spielregeln der Währungsunion verstoßen. Möglich sind sogar Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof.
Woche der Wahrheit: Die Tage bis zum Euro-Krisengipfel
Beim Gipfeltreffen in der kommenden Woche will die Europäische Union die Lösung der Schuldenkrise entscheidend voranbringen. Die wichtigsten Termine der entscheidenden Euro-Woche:
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy stimmen in Paris ihre gemeinsame Linie für den Gipfel ab. Deutschland wirbt verstärkt für eine Reform des EU-Vertrags, um eine bessere Haushaltskontrolle zu verankern.
In Rom stellt der neue italienische Ministerpräsident Mario Monti sein Sparprogramm vor. Die EU hat das hochverschuldete Land aufgefordert, den Gürtel noch enger zu schnallen.
US-Finanzminister Timothy Geithner kommt zu Gesprächen mit hochrangigen Vertretern der Euro-Zone nach Europa. Zunächst trifft er sich am Dienstag in Frankfurt mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, dem neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, sowie Bundesbank-Chef Jens Weidmann.
In Athen soll das griechische Parlament den Sparhaushalt 2012 verabschieden.
Im kriselnden Belgien steht die Vereidigung des neuen Kabinetts von Ministerpräsident Di Rupo an.
Deutschland begibt fünfjährige Bundesanleihen im Wert von rund fünf Milliarden Euro. Zuletzt hat die schleppende Nachfrage nach zehnjährigen Anleihen Ängste geschürt, dass nun auch die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone in den Sog der Krise geraten könnte.
US-Finanzminister Geithner berät in Paris mit Sarkozy und seinem französischen Amtskollegen François Baroin. Zudem will er US-Angaben zufolge am Mittwoch Spaniens designierten Ministerpräsidenten Mariano Rajoy treffen.
Die Spitzenpolitiker der in der EVP zusammengeschlossenen konservativen Parteien Europas treffen sich zur Vorbereitung des EU-Gipfels zu zweitägigen Beratungen in Marseille.
Der irische Premierminister Enda Kenny will seinen Haushalt 2012 ins Parlament bringen.
Der EZB-Rat kommt zu seiner letzten regulären Sitzung in diesem Jahr zusammen. Es wird erwartet, dass sich die Zentralbank für langfristige Refinanzierungsangebote an Banken entscheidet, um die Branche in der Krise über Wasser zu halten und einer Kreditklemme zuvorzukommen. Viele Volkswirte rechnen zudem mit einer weiteren Zinssenkung auf 1,0 Prozent, auch dass die EZB ihren bisherigen Widerstand aufgibt und mittelfristig verstärkt Anleihen angeschlagener Euro-Staaten aufkauft, wird unter Experten nicht ausgeschlossen.
US-Finanzminister Geithner trifft Italiens Ministerpräsident Monti.
Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen am Vorabend des Gipfeltreffens in Brüssel zum informellen Arbeitsessen zusammen.
Am zweiten Tag des EVP-Treffens in Marseille werden außer Merkel, Sarkozy und Rajoy auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erwartet. Spaniens designierter Regierungschef könnte seinen konservativen Partnern einen ersten Einblick in seine Sparpläne geben.
Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU kommen in Brüssel zum EU-Rat zusammen. Im Mittelpunkt stehen strengere Regeln für eine engere finanzpolitische Kooperation. Zur Debatte stehen Vertragsänderungen, die von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden müssen, oder ein Alleingang der 17 Euro-Partner. Zudem dürften die Staaten darüber beraten, den Internationalen Währungsfonds (IWF) noch stärker an ihren Rettungsversuchen zu beteiligen, möglicherweise mit Hilfe höherer Zahlungen der nationalen Notenbanken an den Fonds. Die Erwartungen an den Gipfel sind hoch. Aus Sicht der Finanzmärkte muss der Politik endlich ein Durchbruch in der Schuldenkrise gelingen, ansonsten sei mit einer Zuspitzung der Krise zur Jahreswende und weltweit mit weiteren dramatischen Kursverlusten zu rechnen.