Neuer Palästinenserpräsident Abbas "Wir reichen unserem Nachbarn die Hand"
Ramallah/Jerusalem - Einen Tag nach seiner Wahl sagte Abbas, die Palästinenser seien zum Frieden mit dem Nachbarn Israel bereit. Er hoffe auf eine positive Antwort der neuen Regierung von Ministerpräsident Ariel Scharon.
Nach einem Bericht der "Jerusalem Post" will Scharon in Kürze ein Treffen mit Abbas vereinbaren. Israel strebe eine sofortige Wiederaufnahme der Sicherheitszusammenarbeit an, hieß es. Israel verlangt von Abbas ein Vorgehen gegen militante Gruppen, die Anschläge auf israelische Ziele verüben. Abbas müsse aber eine faire Chance erhalten, sich zu beweisen, sagte der israelische Politiker Schimon Peres, der als Vize-Regierungschef in die neue Koalition eingetreten ist.
Bei einem Empfang für internationale Wahlbeobachter sagte Abbas gestern Abend in Ramallah: "Wir reichen unserem Nachbarn die Hand und sind bereit für einen gerechten Frieden. Wir hoffen auf eine positive Antwort." Er sagte ferner, er sei der Roadmap verpflichtet.
Abbas war nach Angaben der Wahlkommission am Sonntag mit 62,3 Prozent zum Nachfolger des im November gestorbenen Jassir Arafat gewählt worden. US-Präsident George W. Bush sprach, wie auch der zu Gesprächen über ein Hilfsprogramm angereiste EU-Chefdiplomat Javier Solana, von einem "historischen Tag".
Der palästinensische Regierungschef Ahmed Kurei bezeichnete das Wahlergebnis als Entscheidung für Demokratie und Frieden. Das Votum sei auch eine Botschaft der Palästinenser an die Welt, sagte Kurei in Ramallah nach einem Treffen mit Solana. "Wir hoffen, dass die ganze Welt uns beim Aufbau unseres demokratischen Systems und beim Erreichen unserer nationalen Ziele und der Beendigung des Leidens hilft", sagte er. Sicherheit habe höchste Priorität.
Die deutliche Mehrheit für Abbas gibt ihm nach den Worten von Mitarbeitern ein ausreichendes Mandat für sein politisches Programm. Wie die palästinensische Wahlkommission nach Auszählung aller Stimmen mitteilte, erhielt der Menschenrechtler Mustafa Barghuti, der als aussichtsreichster Rivale von Abbas galt, 19,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. Über die Wahlbeteiligung herrschte Verwirrung. Grund war Konfusion über die Zahl der zugelassenen Wähler. Aus Behördenkreisen verlautete, fast 70 Prozent der 1,1 Millionen registrierten Wähler hätten teilgenommen. Wahlberechtigt waren insgesamt 1,8 Millionen; die Zahl aller Stimmabgaben wurde nicht genannt.
Der Vorsitzende der Wahlkommission, Hanna Nasser, sagte, ein amtliches Endergebnis könne erst nach Prüfung aller Beschwerden vorgelegt werden. Proteste gibt es wegen Berichten über Wahlbetrug und die Verlängerung der Stimmabgabe am Sonntag um zwei Stunden. Die radikal-islamischen Gruppierungen im Gaza-Streifen boten Abbas eine Zusammenarbeit an.
Bush: Israel muss seine Zusagen erfüllen
US-Präsident Bush sagte Abbas in einem Telefongespräch gestern Abend, er sehe dem Tag entgegen, an dem er zusammen mit Abbas und dem israelischen Regierungschef sagen könne: "Wir haben Frieden." Einen Zeitpunkt für eine USA-Reise des PLO-Chefs gibt es noch nicht. Abbas solle nach Washington kommen, wenn er den Eindruck habe, dass die Zeit dafür reif sei, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan. Abbas war bereits als Ministerpräsident der Autonomieverwaltung im Juli 2003 zu einem Arbeitsbesuch in Washington gewesen. Zuvor war er im Juni 2003 in der jordanischen Stadt Akaba mit Bush und dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon zusammengekommen. Damals hatten sich die drei Politiker zur Roadmap bekannt
Bush sagte vor Journalisten im Weißen Haus, es sei wichtig, dass Israel die Vision von zwei in Frieden zusammenlebenden Staaten aufrechterhalte. Die israelische Regierung solle die Entwicklung staatlicher Institutionen der Palästinenser unterstützen und seine Zusagen erfüllen, sich aus den palästinensischen Gebieten zurückzuziehen. Von Abbas verlangt die US-Regierung ein entschlossenes Vorgehen gegen die militanten Kräfte in den eigenen Reihen und den Aufbau eines effizienten Sicherheitssystems.
An der von der britischen Regierung initiierten Nahostkonferenz, die im Februar in London geplant ist, will Bush nach Angaben aus dem Weißen Haus nicht selbst teilnehmen, aber einen Vertreter entsenden. Bush hoffe, dass die Konferenz dazu beitrage, den demokratischen Wandel in der palästinensischen Bewegung zu stärken, sagte ein Regierungsbeamter.
Für die EU will der luxemburgische Außenminister und amtierende Ratsvorsitzende Jean Asselborn in der nächsten Woche nach Jerusalem, Ramallah und Amman reisen und Gespräche mit der israelischen Regierung wie mit der palästinensischen Autonomieverwaltung führen. Die gegenwärtig günstige Situation für den Friedensprozess müsse genutzt werden, sagte ein luxemburgischer Regierungsbeamter. Auch EU-Kommissar Jose Manuel Barroso gratulierte Abbas zu seinem Wahlsieg.
Bundespräsident Horst Köhler und die Bundesregierung begrüßten die Wahl von Abbas als Hoffnungssignal. Die arabische Reaktion fiel verhaltener aus. Ägyptens Präsident Husni Mubarak gratulierte dem Wahlsieger und forderte ihn auf, dafür sorgen, "dass die Palästinenser künftig mit einer Stimme sprechen". Der syrische Präsident Baschar al-Assad beglückwünschte Abbas zum "Vertrauen, das ihm die palästinensischen Wähler entgegengebracht haben". Die jordanische Regierung gratulierte und sagte der neuen Palästinenserführung "jede mögliche Hilfe" zu.