Pressestimmen zum Attentat in Christchurch "Halb beschämt, halb wütend vor Trauer"

"Die Gefahr des Rechtsterrorismus grob unterschätzt": Internationale Medien kommentieren die Anschläge auf zwei neuseeländische Moscheen. Der Überblick.
Trauernde im australischen Melbourne

Trauernde im australischen Melbourne

Foto: Jaimi Chisholm/Getty Images

Die Anschläge auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch sind das wichtigste Thema in der internationalen Presse. Bislang gehen die Behörden von mindestens einem Haupttäter aus - einem mutmaßlich rechtsextremen Australier. Er hatte am Freitag bei Angriffen auf zwei Moscheen in Christchurch mindestens 49 Menschen getötet und mehr als 40 weitere Menschen verletzt, von denen elf laut der neuseeländischen Regierungschefin Jacinda Ardern am Samstag weiter in lebensbedrohlichem Zustand waren.

"The New Zealand Herald" schreibt über den Zustand der nationalen Trauer in dem zutiefst erschütterten Land: "Neuseeland hat die Flaggen auf Halbmast: Halb beschämt, halb wütend vor Trauer. Es werde weiterhin "ein tiefes, anhaltendes Gefühl der Verwirrung darüber geben, was hier in Neuseeland vor sich geht, dass so etwas passieren kann - und uns die ganze Welt betroffen und entsetzt anblickt. Ja, bei dem Anschlag geht es nicht nur um uns Hinterbliebene, sondern um die Männer, Frauen und Kinder, die mitten drin waren - aber es ist unsere Aufgabe, damit umzugehen."

Der Londoner "Independent" meint: "Einmal mehr wurde die zivilisierte Welt angegriffen und muss ihr Bekenntnis zu Toleranz und Freiheit unter den denkbar tragischsten Umständen erneuern." Das Massaker in Christchurch sei eine Mahnung, dass sich rechtsextremistischer - ähnlich wie islamistischer - Terrorismus global ausbreite. "In diesem Sinne ist keine Ecke der Welt immun für diese Gefahr, keine Gesellschaft sollte glauben, davor sicher zu sein."

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Terroranschläge auf Muslime: Neuseeland in Trauer vereint

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In der Londoner "Times" heißt es, der Mord sei ein Akt purer Boshaftigkeit. "Politiker und die Öffentlichkeit werden gründlich der Frage nachgehen, ob dieses Verbrechen hätte verhindert werden können. Die vordringlichste Reaktion freier Gesellschaften auf diesen Terroranschlag muss darin bestehen, das Ausmaß der Bedrohung durch den Rechtsextremismus zu erkennen. Eine vergiftete Subkultur der Feindseligkeit gegenüber Muslimen und dem Geist einer pluralistischen Gesellschaft hat im Informationszeitalter Auftrieb bekommen. Sie wurde zudem auch von vielen im öffentlichen Leben genährt, indem sie gedankenlos die muslimische Bevölkerung mit dem radikalen islamistischen Fanatismus in Verbindung bringen."

Auch die "Neue Zürcher Zeitung" betont die Relevanz, dass der Terroranschlag von "einem ganz rechts" verübt worden sei, da "der Begriff des Terrorismus in den vergangenen Jahren fast ausschließlich für islamistisch motivierte Taten reserviert zu sein schien." Hinweise, dass in vielen Ländern die Gefahr des Rechtsterrorismus grob unterschätzt werde, gebe es nicht erst seit heute. "So wirkt auch der grausame Anschlag von Christchurch wie ein Fanal. Der Hass auf Andersdenkende, Andersgläubige oder Andersaussehende, so viel ist klar, ist tief verwurzelt in all unseren Gesellschaften."

Die Amsterdamer Zeitung "de Volkskrant" schreibt: "Christchurch ist nicht nur ein Drama für Muslime. Die grausamen Angriffe sollten zu einer allgemeinen Nachdenklichkeit führen. Die multiethnische Gesellschaft verursacht Spannungen. Diese Spannungen aufzulösen oder abzubauen, ist ein Auftrag an alle." Darüber müsse eine offene Debatte geführt werden.

Im Video berichtet eine deutsche Touristin über die Stimmung in der Stadt:

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"Der Standard" aus Österreich schreibt, die "Verschwörungstheorien und Feindbildkonstruktionen" seien in rechten Kreisen weit verbreitet. Der mutmaßliche Täter "bringt seine Unterstützung für Donald Trump zum Ausdruck und nennt die rechtsextremen und rassistischen Massenmörder Anders Breivik und Dylan Roof als Inspiration. Sein Manifest trägt den Titel 'Der große Austausch' - ein Konzept, das in den vergangenen Jahren vor allem von der Neuen Rechten und der Identitären Bewegung propagiert wurde. 'Feindliche Übernahme' heißt auch das jüngste Werk des umstrittenen deutschen Bestsellerautors Thilo Sarrazin. Ähnliche Positionen vertreten auch etablierte rechte Parteien, die teils sogar Regierungsverantwortung tragen."

Die italienische Tageszeitung "La Stampa" schreibt zu den Anschlägen: "Das Attentat von Christchurch ist wie ein Schlag in die Magengrube." Die Nationalität des australischen Täters vergrößere den Horror. "Der Angriff hat einen Teil der Welt getroffen, in dem man dachte und hoffte, den Fanatismus in Zaum zu halten. Jetzt muss man sich auch hier mit dem Feind im Innern auseinandersetzen. Die Menschen auf der anderen Seite der Welt fühlten sich beschützt von der Distanz, dem Wohlstand, der sozialen Inklusion. Heute erkennen sie, dass sie (Gefahren) ausgesetzt und verletzbar sind."

cop/dpa
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