Die Lage am Montag Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um den Brexit-Poker und die Rede der Queen in London, um Donald Trumps völlig verfehlte Syrienpolitik, um Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Rivalen in der Union. Und um eine besondere Zugreise.
Mitten im Brexit-Chaos - Großer Auftritt für die Queen

Im Brexit-Poker zwischen Großbritannien und der EU beginnt die Woche der Entscheidung, wieder einmal, muss man sagen. Die wievielte ist es eigentlich? Wem seine Zeit zu schade ist, das verrückte Hin und Her weiter zu verfolgen, sollte vielleicht für den Rest der Woche keine Nachrichten mehr checken und einfach am kommenden Samstag um 11 Uhr (Greenwich Time) wieder einschalten. Dann läuft die Frist aus, die das Parlament Premierminister Boris Johnson gesetzt hat, um mit der EU einen Brexit-Deal zu finden. Mit anderen Worten: Bis dahin muss eine wie auch immer geartete Entscheidung her.
Hinter den Kulissen wird hektisch verhandelt, es geht wieder um den berühmten irischen "Backstop". Johnson will mit Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron konferieren. Am Donnerstag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU zum Gipfel.
Inmitten dieses Durcheinanders wollen sie auf der Insel eine altehrwürdige Tradition hochhalten: Königin Elizabeth II. wird heute in einer feierlichen Zeremonie das Parlament wiedereröffnen und die Regierungserklärung des Premierministers verlesen. Das ist selbst für britische Verhältnisse ein riesiges Spektakel, mit goldener Kutsche, Zepter, Krone, stolzen Reitern und blitzenden Säbeln. In London werden sie sich sagen: Ein bisschen imperialer Pomp muss in diesen tristen Zeiten erlaubt sein, quasi zur Entspannung.
- Brexit-Szenarien für Boris Johnson: Die Kanzlerin und der Spieler
"Trump hat Blut an seinen Händen"

So geht Chaospolitik à la Donald Trump: In Nordsyrien marschiert die türkische Armee ein. IS-Anhänger nutzen das Durcheinander, um aus Gefangenenlagern zu entkommen. Die Kurden, die bislang mit den USA verbündet waren und von Trump im Stich gelassen wurden, müssen um ihr Leben fürchten. Es gibt bereits grausame Videos von ersten Hinrichtungen. 130.000 Menschen sind auf der Flucht. Aus lauter Verzweiflung schließen sich die Kurden nun mit dem syrischen Diktator Assad und den Russen zusammen.
"Trump hat Blut an seinen Händen, weil er die Kurden alleingelassen hat", kommentiert der frühere amerikanische General und IS-Experte John Allen die Lage im US-Fernsehen, es ist ein vernichtendes Urteil für den US-Präsidenten.
Frankreich, Deutschland und andere führende europäische Nato-Staaten versuchen derweil, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu einer Beendigung der Offensive zu bewegen. Dazu kündigten sie an, keine Lieferungen von Waffen mehr zu genehmigen, die in Syrien eingesetzt werden könnten. Heute tagen zudem die EU-Außenminister zu dem Thema. Schweden und Frankreich haben Sanktionen gegen Ankara ins Gespräch gebracht. Auch Trump spricht schon seit Tagen davon, über Sanktionen nachzudenken, um Erdogan zu stoppen. Unternommen hat er bislang aber noch nichts. Der US-Präsident verbrachte sein Wochenende auf dem Golfplatz.
Schaulaufen der K-Frage-Kandidaten

Die Riege der potenziellen Anwärter für die nächste Kanzlerkandidatur der Unionsparteien hat sich am Wochenende beim Deutschlandtag der Junge Union eine Art Schaulaufen geliefert. Vor allem die Lieblinge des eher konservativen Parteinachwuchses, Friedrich Merz und Jens Spahn, wurden gefeiert. Für Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gab es dagegen nur Höflichkeitsapplaus.
Auch nicht schön für AKK: Der Nachwuchs forderte mehrheitlich eine Urwahl über die nächste Kanzlerkandidatur, damit sprachen die Delegierten der Chefin gleichsam das traditionelle "erste Zugriffsrecht" auf die Kandidatur ab. Das alles muss nicht bedeuten, dass AKK aus dem Rennen um die Kandidatur schon ausgeschieden ist, aber so richtig im Rennen ist sie offenbar auch nicht mehr.
- Kramp-Karrenbauer bei der Jungen Union: Doch auf Kuschelkurs
Gewinner des Tages...

... sind Norwegens Kronprinzessin Mette-Marit und ihr Mann, Kronprinz Haakon. In einer Zeit, in der die Dummheit weltweit auf dem Vormarsch zu sein scheint, werben sie für Bildung durch Lesen. An Bord eines "Literaturzugs" fährt das Paar heute von Berlin nach Köln, am Dienstag geht es weiter nach Frankfurt am Main zur Buchmesse, wo Norwegen in diesem Jahr Ehrengast ist. Mette-Marit will sich während der Reise mit Schülern über das Lesen und Lieblingsbücher unterhalten. Mit dabei sind auch norwegische Autoren wie Jostein Gaarder ("Sofies Welt"). Da wünscht man wirklich gerne eine glückliche (und pünktliche) Reise.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche!
Herzlich
Ihr Roland Nelles