
Die Lage am Dienstag Liebe Leserin, lieber Leser,
nach Massakern wie dem in Orlando wird über Waffenbesitz diskutiert. Vernünftige Leute verlangen ein Verbot, und dann passiert nichts. Ich selbst bin in der Gesellschaft von Waffen aufgewachsen, von Dutzenden Waffen, weil mein Vater Sportschütze und Jäger war. Niemand von uns hat ein Massaker begannen, niemand von uns hat je auf einen Menschen gezielt. Aber ich weiß, dass die Zugänglichkeit von Waffen das Denken verändert, dass in Momenten des Zorns der Möglichkeitsraum entscheidend vergrößert ist. Man könnte schießen. Ich war diesem Gedanken nie nahe, aber er kam vor (zum Beispiel nach einer total ungerechten Fünf in Bio). Es ist mir völlig klar, was passieren muss, wenn ein ganzes Volk diesen Möglichkeitsraum hat.
Die Macht der Zwerge
Heute diskutieren der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, und der ehemalige Ministerpräsident von Bayern, Edmund Stoiber, in Goslar über die Frage: "Brauchen wir 16 Bundesländer?" Die vernünftige Antwort hat vier Buchstaben: nein. Weder Hamburg noch Berlin noch Bremen noch das Saarland haben den Status eines Bundeslands verdient. Auch bei Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist das zweifelhaft. Sie alle sind zu klein für so viel Macht. Und das ist kein Argument gegen den Föderalismus, sondern für den Föderalismus. Er würde besser funktionieren, gäbe es zehn bis zwölf Bundesländer. An diese Reform traut sich aber niemand heran.
Der ewige Donald
Donald Trump wird heute 70. Mein Geburtstagsgeschenk wäre ewiges Leben. Darauf hat mich der Roman "Zero K" von Don DeLillo gebracht. Darin haben ultrareiche Leute die Möglichkeit, sich konservieren zu lassen, bis ewiges Leben möglich ist. Gäbe es das, könnte sich Trump jetzt einfrieren lassen, und nach 30 oder 50 Jahren würde er geweckt und könnte endlos leben. Schön für ihn. Schön für uns Zeitgenossen. Wir wären ihn erst einmal los. Die Welt könnte er dann später auf den Kopf stellen. Allerdings ist das dann vielleicht noch die Welt meiner Kinder. Ich ziehe das Geschenk zurück. Wir müssen ihn wohl aushalten.
Verlierer des Tages...
... ist Frankreich. Für heute haben dort einige Gewerkschaften zu Streiks aufgerufen, während der Europameisterschaft. Das Streikrecht in allen Ehren, aber ein großes Fußballturnier ist auch eine Gelegenheit, dass eine Nation zusammenfindet und sich nach außen von ihrer besten Seite zeigt. Gerade das zerrissene Frankreich könnte diesen Kitt gut gebrauchen. Aber offenbar ist der letzte Rest von Versöhnlichkeit verloren gegangen. Das ist auch für Europa eine schwere Last.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
- Drei Tote nach Geiselnahme in Frankreich: Spezialeinheit erschießt Polizistenmörder
- Militärmanöver "Saber Strike": Nato-Staaten beginnen mit Operation Abschreckung
- "Alf"-Schauspieler Michu Meszaros ist tot
Ihnen einen angenehmen Tag, Ihr
Dirk Kurbjuweit, stellvertretender Chefredakteur DER SPIEGEL