

Die Lage am Morgen Amerika, du hast es besser

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
es geht diesmal um das Billionen-Hilfsprogramm, das der US-Kongress heute beschließt – und um Amerikas Aussicht auf ein baldiges Ende der Pandemie. Außerdem befassen wir uns mit dem Comeback von Brasiliens Ex-Präsident Lula und damit, ob die Union die Maskenaffäre überstanden hat.
Amerika kommt zurück
Wenn das US-Repräsentantenhaus heute ein Hilfs- und Konjunkturprogramm in der Höhe von rund 1900 Milliarden Dollar beschließt, eines der größten in der US-Geschichte, dann gehen davon gleich zwei Botschaften aus. Die erste lautet: Amerika macht sich mit aller Macht an sein Comeback. Im letzten Sommer sah es noch so aus, als könnten die USA sich aus der Pandemie nicht mehr befreien – während die Europäer Corona in den Griff bekommen. Heute ist es umgekehrt: Europa hat zu wenig Impfstoff – und in den USA hat schon bald ein Fünftel der Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten, bis im Mai soll genug Impfstoff für alle da sein. Das Billionen-Stimulus-Paket und das absehbare Ende der Pandemie durch die Impfungen sind die Vorzeichen eines Aufbruchs, der in Europa noch länger auf sich warten lässt.
Die zweite Botschaft lautet: Die Biden-Präsidentschaft läuft bis jetzt geräuschlos und effizient. Der Präsident ist kaum sichtbar, ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger. Dafür ist ein kompetentes Team am Werk, das nicht nur im ganzen Land die Impfungen erfolgreich vorantreibt, sondern es auch geschafft hat, das große Stimulus-Paket schnell durch den Kongress zu bringen. Es bringt den Behörden auf Bundesebene und in den Bundesstaaten Milliarden an Fördermitteln, um die Pandemie zu bekämpfen. Die Menschen werden das Paket auch sehr schnell direkt spüren: Viele erhalten nun Schecks über Tausende von Dollar für sich selbst und ihre Familien, außerdem gibt es Arbeitslosengeld.
Donald Trump wollte beim letzten Hilfsprogramm unbedingt, dass sein Name auf den Schecks steht. Es sollten wirklich alle sehen können, wer der generöse Spender ist. Diese Art von Prahlerei hat Joe Biden anscheinend nicht nötig. Die Bürgerinnen und Bürger sehen auch so: Der neue Präsident und sein Team führen sie aus der Pandemie.
Das zeigt sich auch in einer neuen Richtlinie der Seuchenschutzbehörde CDC: Wer in den USA vollständig geimpft ist, soll sich künftig drinnen ohne Maske mit anderen Geimpften treffen können – und mit Angehörigen eines weiteren Haushalts. Es sind kleine Schritte, aber sie stimmen hoffnungsvoll.
Die Union, die Maskenaffäre und die Landtagswahlen
Hat die Union die Maskenaffäre überstanden? Die Abgeordneten Nikolas Löbel und Georg Nüßlein sind jedenfalls erfolgreich zum Parteiaustritt gedrängt worden. Die beiden hatten schamlos Hunderttausende Euro an Provisionen für Maskendeals eingestrichen. Löbel hat sein Bundestagsmandat mit sofortiger Wirkung abgegeben. Der Schaden für die Union ist groß. Künftig soll ein Verhaltenskodex regeln, was für Nebentätigkeiten Abgeordnete ausüben dürfen. Aber war's das schon?
In den Tagesthemen sagte CDU-Chef Armin Laschet gestern Abend, er habe keine Lust, sich sein Projekt der Modernisierung kaputt machen zu lassen von »Alleingängen irgendwelcher Abgeordneter, die nichts im Sinn haben außer Geld verdienen«. Und dann fügte er an: »Wenn es noch weitere Fälle gibt, dann ist jetzt die Zeit, reinen Tisch zu machen. Wenn nicht, machen wir das.« Laschet muss aber inständig hoffen, dass es diese weiteren Fälle nicht gibt. Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind bereits am Wochenende.
Bolsonaro vs. Lula
Der Präsidentschaftswahlkampf 2022 in Brasilien dürfte ein ziemliches Spektakel werden: Es zeichnet sich ein Zweikampf ab zwischen dem amtierenden rechtsautoritären Jair Bolsonaro und seinem linken Vorvorvorgänger Luiz Inácio Lula da Silva, kurz: Lula. Das Oberste Gericht des Landes erklärte gestern überraschend vier Korruptionsurteile gegen Lula für nichtig. Er erhält damit seine politischen Rechte zurück und darf nächstes Jahr bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren – falls nicht noch ein Bundesgericht die Urteile wieder in Kraft setzt.
Lula und sein Umfeld hatten die Urteile gegen ihn stets als politisch motiviert bezeichnet. In einem Präsidentschaftswahlkampf Lula gegen Bolsonaro stünde die dominierende politische Figur der vergangenen beiden Jahrzehnte dem irrlichternden Amtsinhaber mit seinen Social-Media-Truppen gegenüber. Bolsonaro hat Brasilien mit seinem Missmanagement zu einem der weltweit gefährlichsten Corona-Hotspots gemacht. Einen »Todesboten« nennen ihn Kritiker. Unser Lateinamerika-Korrespondent Jens Glüsing beschreibt: Politisch schadet ihm das Massensterben kaum.
Verlierer des Tages…
…ist das britische Königshaus. Der Rassismus-Vorwurf, den Herzogin Meghan in ihrem zweistündigen Interview mit Oprah Winfrey erhebt, ist für die Königsfamilie ein Desaster – und er schädigt das Bild der Windsors auch international. Prinz Harry ließ später klarstellen: Weder die Queen selbst noch ihr Mann Prinz Philip seien jene Familienmitglieder gewesen, die vor Geburt von Baby Archie besorgt gefragt hätten, wie schwarz das Kind denn wohl werden könnte – sondern jemand anderer aus der Familie.
Die Vorwürfe treffen eine ohnehin angeschlagene Königsfamilie – noch ist nicht vergessen, dass Prinz Andrew, der zweitälteste Sohn der Queen, sich im Umfeld des pädophilen Sexualstraftäters Jeffrey Epstein herumtrieb. Deshalb ist die Angelegenheit auch mehr als nur Klatsch. Eine konstitutionelle Monarchie muss ihre Legitimität immer wieder aufs Neue herstellen.
Das Drama ums Königshaus ist da schädlich, die Rassismus-Vorwürfe gefährlich – wenn auch nicht unbedingt im eigenen Land. Laut einer YouGov-Umfrage finden die meisten Briten das Interview des exilierten Millionärspaars unangemessen, die meisten US-Amerikaner finden es angemessen – aber da Harry und Meghan ihre Zukunft ohnehin in der Neuen Welt sehen, haben sie wohl alles richtig gemacht.
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