Niederlande Für den Erfolg könnte Wilders Kreide fressen

Bald sanftere Töne? Rechtspopulist Wilders muss um Beliebtheit kämpfen
Foto: BEN STANSALL/ AFPBrüssel - "Heute Almere und Den Haag - und morgen die ganzen Niederlande!" So jubelte Geert Wilders nach seinem Erfolg in den beiden Städten bei den Kommunalwahlen. "Wir werden die Niederlande zurückerobern von der linken Elite, die immer noch an den Islam, an Multikulti, an den Unsinn von Entwicklungshilfe und den europäischen Superstaat glaubt", kündigte er damals vollmundig an.
Doch jetzt klingen die Töne von dem Mann mit der wasserstoffblonden Föhnwelle auf einmal ungewohnt moderat. Nach anfänglichem Zögern habe er sich jetzt doch entschieden, Stadtrat in Den Haag zu werden, kündigte er an. Er werde es "auf jeden Fall eine Zeitlang versuchen".
Provokation war bislang das Geschäftsmodell von Geert Wilders - einer der erfolgreichsten Rechtspopulisten der Gegenwart. Hat sich der Lautsprecher nun etwa über Nacht zum Diplomaten gewandelt? Wohl kaum. Erst wenige Tage ist es her, dass er in London auftrat - wortgewaltig und politisch unkorrekt wie immer. Eine "faschistische Ideologie" nannte er da den . Und kündigte mal wieder an, den Koran verbieten und ein Referendum über ein Minarettverbot zu starten, sollte er an die Macht kommen.
Und dafür tut er einiges. Dafür geht Wilders sogar in die Niederungen des Stadtrats von Den Haag. Dort hatte er kandidiert und aus dem Stand 13.000 Stimmen geholt. Ein klarer Wählerauftrag, den Wilders nicht ignorieren kann. "Hätte er einen Ratssitz ausgeschlagen, hätten ihm seine politischen Gegner Wählertäuschung vorgeworfen", sagt der niederländische Politikwissenschaftler Joop van Holsteyn.
Viel Verve auf kommunalpolitischer Ebene ist von Wilders aber nicht zu erwarten. Schließlich behält er seinen Abgeordnetensitz im Parlament. Außerdem muss er für die Wahlen im Juni eifrig die Werbetrommel rühren, denn dort gilt er als einer der aussichtsreichsten Kandidaten.
"Nach der Wahl ist der Ausflug in die Kommunalpolitik sicher wieder Geschichte."
"Er wird wahrscheinlich versuchen, dass ihn das Ganze so wenig Zeit wie möglich kostet, wird vielleicht einmal im Monat bei Versammlungen auftreten" - so schätzt der Politologe und Wilders-Biograf Meindert Fennema dessen kommunalpolitische Ambitionen ein. Und auch der Amsterdamer Politikwissenschaftler André Krouwel glaubt nur an ein Zwischenspiel. "Nach der Wahl ist der Ausflug in die Kommunalpolitik sicher wieder Geschichte."
Doch der Islamkritiker könnte den Posten nutzen, um Schlagzeilen zu machen und seine Beliebtheit auszubauen. Kommunalpolitische Erfahrung hat Wilders: Ende der neunziger Jahre saß er für seine frühere Partei VVD im Gemeinderat von Utrecht.
Möglicherweise wird Wilders als Kommunalpolitiker aus strategischen Gründen etwas sanftere Töne anschlagen, um auch weniger extreme Wähler für sich einzunehmen, glaubt Krouwel. Bei einer Meinungsumfrage, wer nach den Wahlen im Juni neuer Ministerpräsident werden solle, landete Wilders kürzlich mit acht Prozent Zustimmung hinter Kandidaten aus dem rechten und linken Lager nur auf Platz fünf.
Grund genug für den Strategen, an seinem Image zu feilen. "Zahm wird er sicher nicht. Und er wird auch an seinem Grundthema festhalten: der Einwanderung als Quell allen Übels", prophezeit Politologe Krouwel. "Aber Forderungen wie islamische Kriminelle während ihrer Taten zu erschießen, wird er seinen Parteifreunden, seinen Rookies, überlassen. Denn solch schrille Töne kommen beim Gros der Wähler nicht an."
Linksbündnis könnte von Wilders' Aufstieg profitieren
Bei fast allen Wahlforschern liegt seine Partei für die Freiheit (PVV) mit Konservativen (CDA) und Sozialdemokraten (PvdA) zurzeit unter den ersten drei. Doch selbst ein Sieg bei den Parlamentswahlen heißt noch lange nicht, dass Wilders auch an die Macht kommt. Laut einer aktuellen Umfrage hätte ein Linksbündnis aus Sozialdemokraten (PvdA), Sozial-Liberalen (D66), Grünen/Linken und Sozialisten auf der Beliebtheitsskala derzeit die Nase vorn. Es ist durchaus denkbar, dass Wilders, der bislang fast nur bei rechten Wählern punkten konnte, seinen potentiellen Koalitionspartnern das Wasser abgräbt. "Es ist absurd", meint Krouwel. "Aber das Resultat von Wilders' Aufstieg ist möglicherweise ein linkes Regierungsbündnis."