Niederlande Koranfeindliches Video veröffentlicht - Protest gegen Rechtspopulist Wilders

Es ist ein Pamphlet, eine wüste Collage von Horror- und Zerrbildern des Islam: Der niederländische Rechtspopulist Wilders hat sein gefürchtetes korankritisches Video im Internet veröffentlicht. Die Regierung protestiert - genau wie ein dänischer Zeichner, dessen berühmte Mohammed-Karikatur verwendet wurde.

Den Zeitpunkt für die Veröffentlichung seines Anti-Koran-Filmes hat Geert Wilders wohlgewählt. Er suchte sich den Donnerstagabend aus - kurz vor den niederländischen Hauptnachrichten und auch noch bevor die Muslime in den ostasiatischen Ländern wie Indonesien zum Freitagsgebet in ihre Moscheen strömen.

Bis zuletzt wurde heftig spekuliert, ob und wann das filmische Pamphlet ausgestrahlt würde. Zuletzt hatte Geert Wilders nur noch vage Andeutungen gemacht, nachdem keine Fernsehanstalt den Streifen zeigen wollte und selbst ein US-Internetprovider die Webseite des holländischen Rechtspopulisten kurzfristig offline gesetzt hatte.

Auf Liveleak, einer Videoplattform ähnlich wie YouTube, steht der Film "Fitna" ("Zwietracht") nun online - und wurde binnen einer Stunde weit mehr als eine Million Mal abgerufen.

Er beginnt mit einem Bild, das jeder Muslim auf der Welt und viele andere Menschen ganz leicht erkennen dürften: der umstrittenen Karikatur Mohammeds, der eine Bombe als Turban trägt. Die Veröffentlichung dieser und ähnlicher Zeichnungen in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" hatte Unruhen in der arabischen Welt ausgelöst.

Der Zeichner der Karikatur, Kurt Westergaard, der selbst kürzlich Ziel von Anschlagsplänen war, protestierte noch am Abend gegen die Verwendung in Wilders Video: "Die Zeichnung entstand in einem bestimmten Zusammenhang", Wilders könne sie "nicht einfach benutzen. Da geht es nicht um freie Rede, sondern um Urheberrechte." Der dänische Journalistenverband solle gegen die Copyrightverletzung vorgehen, sagte Westergaard der Zeitung.

Wilders hat die Bombenlunte an Mohammeds Kopf animiert, er lässt sie herunterbrennen . Dann wird dieses Bild ausgeblendet, es folgt eine Koransure, die zum Kampf gegen die Ungläubigen aufruft. Durch die Schrift hindurch erscheinen die Flugzeuge, die ins World Trade Center rasen, danach die verzweifelten Schreie der Menschen, die sich aus den brennenden Türmen stürzen.

So suggestiv geht es weiter: mit den Anschlägen aus Madrid, mit Imamen, die nach der Weltherrschaft rufen, mit einem Enthauptungsvideo einer westlichen Geisel und Statistiken über die rasant steigende Zahl der Muslime in den Niederlanden.

Wilders zeigt eine Postkarte, auf der zu den Worten: "Gruß aus den Niederlanden" keine Windmühlenbilder, sondern Moscheen zu sehen sind. "Niederlande in der Zukunft?", fragt der Film und zeigt das Bild von der Beschneidung eines Mädchens. "Ich musste die Menschen warnen", sagte Wilders. "Es ist keine Provokation, aber es ist fünf vor zwölf."

Der Premier reagiert auf Niederländisch - und Englisch

Gesteinigte Frauen, Enthauptete – die wüste Collage von Horrorbildern aus arabischen Ländern soll Alarmstimmung unter seinen Landsleute erzeugen. Wilders fordert Muslime auf, die in seinen Augen Hass säenden Seiten aus dem Koran zu reißen. Unterlegt ist diese Aufforderung mit dem Geräusch von Seiten, die aus einem Buch entfernt werden.

Wird der Film jener Aufregung gerecht, die seit Monaten in den Niederlanden und auch Europa vor der Ausstrahlung herrscht? Der Geheimdienst in Den Haag hatte schon vor Wochen eine Erhöhung der Terroralarmstufe durchgesetzt. Die Botschaften in der arabischen Welt hatten Evakuierungspläne - und Premier Jan Peter Balkenende fragte seine EU-Amtskollegen schon, ob sie ihn unterstützen würden, falls sein Land Zielscheibe von Protesten und Boykottaufrufen würde.

Am Abend kam das Kabinett zusammen und schaute gemeinsam den Film, der nun auf der ganzen Welt in Niederländisch und Englisch zu sehen ist. Dann, nur drei Stunden nach dem Erscheinen von "Fitna", trat ein ernster Premierminister Jan Peter Balkenende vor die Medien und hielt eine Ansprache auf Niederländisch und für das Ausland gleich noch mal auf Englisch. Der Regierungschef geißelte darin die Gleichsetzung des Korans mit Terroranschlägen. Er kündigte an, dass das Justizministerium rechtliche Fragen prüfen wird. Und er erinnerte daran, dass bei den Selbstmordanschlägen schließlich auch Muslime getötet wurden.

"Lasst uns Brücken bauen und Vorurteile überwinden"

Balkenende kritisiert, dass Wilders allein niedere Gefühle gegen Muslime aufstacheln will: "Lasst uns Brücken bauen und Vorurteile überwinden", hält er Wilders und seinem Film entgegen.

Die größten Sorgen dürfte der Regierung die Schlusssequenz des Filmes bereiten. Da taucht wieder die Mohammed-Karikatur auf, doch die Lunte an seinem Bombenturban brennt. Dann ist ein Knall zu hören. Explodiert der Prophet wie ein Selbstmordattentäter? Wilders sagt, das sei "das Krachen von Blitz und Donner".

Wilders hat ganz offensichtlich versucht, jeglicher rechtlicher Nachstellung zu entgehen, indem er die Explosion durch Gewitterblitzen ersetzt hat. Auch das Herausreißen der Seiten entschärft er mit dem Zusatz, das Geräusch stamme von einem Telefonbuch.

"Er sucht die Grenzen offensichtlich, aber er vermeidet, sie zu überschreiten", sagte Yusuf Altuntas, Sprecher einer Muslim-Organisation, im niederländischen Fernsehen. Der Arabist Leo Kwarten ergänzte: "Diese Nuancen dürften in der arabischen Welt allerdings sicher untergehen."

"Ich sehe nicht, was daran ein politischer Anschlag war"

Der Gelehrte kritisiert, dass Wilders zum Beispiel die Beschneidung junger Mädchen zeige, obwohl im Koran dazu gar nichts steht. "Er schmeißt Sunniten und Schiiten in einen Topf und schlägt ganz ungeniert einen Link von Terrorbildern aus der ganzen Welt zu den Muslimen in den Niederlanden."

Sprecher Altuntas, gefragt nach seinem Urteil, rang sichtlich mit den Worten. Dann sagte er: "Ich finde viele Bilder nicht wirklich originell. Die sind doch einfach aus dem Internet zusammengeklickt." Niederländische Muslime seien da schon einiges gewohnt. Er glaube nicht, dass sie das noch provozieren könne. "Für das Ausland kann ich das nicht sagen."

Ähnlich reagiert der Sprecher einer Vereinigung von Marokkanern in den Niederlanden, dem "Landelijk Beraad Marokkanen". Er sei erleichtert, dass der Film endlich raus ist: "Die Sorgen vor Unruhen und dergleichen, die ich gehabt hatte, sind nun ansehnlich vermindert." Auch Gijs van de Westelaken, Produzent des Films "Submission" des ermordeten niederländischen Regisseurs Theo van Gogh, zeigte sich enttäuscht. "Ich sehe nicht, was daran ein politischer Anschlag war. Ganz anders als 'Submission'. Das war ein echtes Statement."

In den Moscheen der Vororte Amsterdams kommen die Geistlichen und Funktionäre zusammen und beraten, wie sie den Film kommentieren sollen. An diesem Freitag wollen sie auf einer Pressekonferenz Stellung nehmen.

Dass Wilders mit dem Film auf jeden Fall noch rechtlichen Ärger bekommen wird, steht allerdings schon fest. Er zeigt in seinem Film ein angebliches Foto von van Goghs radikal-islamischem Attentäter Mohammed B. In Wahrheit handelt es sich aber um den niederländisch-marokkanischen Rapper Salah Edin.

Der will Wilders nun verklagen.

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