Rechtspopulist Farage bei der AfD Euro-Gegner aller Länder, vereinigt euch

Rechtspopulist Farage bei der AfD: Euro-Gegner aller Länder, vereinigt euch
Foto: SPIEGEL ONLINENigel Farage ist vom Kopf bis zu den Socken auf Widerstand eingestellt. Als Großbritanniens oberster Anti-Europa-Politiker auf dem Podium des Kölner Maritim Platz nimmt, rutschen seine Hosenbeine herauf und legen schwarze Socken frei, bedruckt mit rosa Pfund-Zeichen. Den Euro würde der Brite sicher nicht auf seine Textilien lassen.
Europa-Feind Farage ist an diesem Abend zu Gast bei Freunden: Die Jugendgruppe der eurokritischen Alternative für Deutschland hat ihn eingeladen. Der Saal "Heumarkt" ist brechend voll, 350 Gäste folgten der Einladung der "Jungen Alternative" (JA) - wobei die allermeisten ihre Jugend lange hinter sich haben. Das Publikum ist klassische AfD-Klientel (männlich, grauhaarig, zornig), nur mit ein bisschen mehr jungen Gesichtern dazwischen als gewöhnlich.
Farage enttäuscht sie nicht. Während draußen die Antifa pfeift, bejubeln die Zuschauer den eloquenten, charmanten Briten, der sie mit strahlendem Lächeln in ihren schlimmsten Ängsten bestärkt. "Endlich weht ein Euro-skeptischer Wind durch ganz Nordeuropa." Es sei höchste Zeit, denn die Euro-Krise fange erst richtig an: "You ain't seen nothing yet!" Jede Woche strömten 4000 neue verarmte Immigranten über die Grenzen der EU, um die Sozialsysteme auszunehmen: "Man musste nicht Einstein sein, um diese Einwanderungswelle vorherzusehen." Oh, diese armselige EU, lästert Farage, "mit ihrer Flagge und ihrer Hymne und ihrem lächerlichen Präsidenten Van Rompuy". Am liebsten würde er eigenhändig EU-Kommission, EuGH und wie sie alle heißen vom Angesicht der Erde tilgen.
"Es gibt viele interessante Gemeinsamkeiten zwischen uns"
Da wird es manchem AfD-Funktionär im Saal mulmig. Gewiss, die Euro-Gegner streben ins EU-Parlament, sie brauchen dort Partner, und Farages Ukip steht in Großbritannien bei 25 Prozent. Die Parteibasis verehrt Farage, doch die AfD-Spitze ziert sich seit Monaten. Eigentlich will man doch nur den Euro abschaffen, nicht die komplette EU. Das wäre vielleicht für Deutschland doch nicht so gut, ahnen die Volkswirte im Bundesvorstand. Nie hätte AfD-Sprecher Bernd Lucke deshalb Farage eingeladen, also bedienten sich dessen Fans kurzerhand der Parteijugend. Das Event ist ein kalkulierter Affront gegen Lucke. Aber sein Name fällt an diesem Abend ohnehin kein einziges Mal.
Stattdessen sitzt Marcus Pretzell auf dem Podium, ein Lucke-Widersacher, der erst vor wenigen Tagen den Sprung in den Bundesvorstand schaffte. "Es gibt viele interessante Gemeinsamkeiten zwischen uns und Ukip", findet Pretzell. Er belehrt Farage, dass die EU "durchaus reformierbar" sei. Der winkt lächelnd ab. "Diese EU-Politiker verfolgen hegemonialen Machtansprüche, sie wollen ein Empire mit 500 Millionen Bürgern formen." Und wie seien die großen Empires der Weltgeschichte geendet? Na bitte. Da pflichtet auch AfD-Mann Pretzell ihm bei: "Eine Demokratie mit 500 Millionen Leuten, das ist mir unheimlich."
Unheimlich sind den AfDlern viele Facetten der Demokratie. Eine freie Presse etwa. Zwei Tage zuvor hatte die AfD-Jugend einen Knebelvertrag an TV- und Radio-Journalisten verschickt: Niemand darf mehr als zehn Minuten Filmmaterial veröffentlichen, und wer mehr als drei Minuten sendet, müsse gut sichtbar und hörbar auf die Internetseite der JA verweisen. Namensschilder sind offen zu tragen, alle Weisungen des AfD-Personals zu befolgen. Die Strafe für Zuwiderhandlung: 10.000 Euro. Diesen Vertrag sollte man mit "ladungsfähiger Anschrift" und "unterschrieben, gestempelt beziehungsweise gesiegelt und getackert" mitbringen.
"Die AfD hat Chancen, mehr als zwölf Prozent zu schaffen"
Offensichtlich haben sich die Verfasser inspirieren lassen von den EU-Richtlinien, die sie so gern in ihren Reden schmähen. So bürokratisch und autoritär, wie die AfD die "Eurokraten" zeichnet, so präsentieren sich auch ihre Funktionäre in Köln. Journalisten werden von Ordnern in den Saal eskortiert, jedem ein Platz mit Namensschild zugewiesen. Wer diesen Abend plante, der hatte offensichtlich viel Freizeit.
Sogar die eigenen Mitglieder lenkt die AfD lieber. Spontane Fragen an Farage sind unerwünscht. Wortmeldungen möge man "schriftlich einreichen oder zu Protokoll geben" bei der Dame am Stehtisch. Überhaupt scheinen Frauen in der jungen AfD nur als Sekretärinnen oder Hostessen vorgesehen zu sein: Das Personal auf der Bühne ist durchgehend männlich, agitiert aber umso heftiger gegen die Frauenquote. Erst als JA-Landeschef Sven Tritschler Farage zum Abschied ein Fässchen Früh Kölsch überreicht, bedauert er: "Eigentlich sollten wir dafür jetzt eine junge Frau haben."
Farage reicht das Fass seinen Leuten weiter, lächelt geduldig für viele Handy-Kameras und zieht dann zufrieden ab in die Raucher-Lounge. "Die AfD hat Chancen, mehr als zwölf Prozent zu schaffen", sagt Farage und zieht an einer geborgten Marlboro. "Die stehen schon bei sieben Prozent, und der Wahlkampf hat kaum begonnen." Er habe mehrere Landespolitiker der AfD getroffen, "sehr vernünftige Leute, viele Ökonomen und Intellektuelle". Mit Lucke werde man sich schon auch noch einig.