Empfang in der nordkoreanischen Botschaft "Die haben Kanonen, wir nur Pistolen"

Die ganze Welt hatte Nordkorea am Freitag kritisiert - den Botschafter in Berlin hinderte das nicht, einen freundlichen Empfang zum Nationalfeiertag zu geben. Der Atomwaffentest blieb unerwähnt.
Empfang in der Botschaft

Empfang in der Botschaft

Foto: SPIEGEL ONLINE

Vertraute Gesichter aus DDR-Zeiten standen an diesem Abend im kleinen, holzgetäfelten Festraum der nordkoreanischen Botschaft in der Berliner Glinkastraße um den üppig gedeckten Tisch mit scharfem Tintenfisch, Kimschi und Schweinebraten auf Kohlgemüse.

Aber nicht ein einziger internationaler Diplomat war gekommen, um mit Botschafter Si Hong Ri auf den 68. Nationalfeiertag der "Demokratischen Volksrepublik Korea" anzustoßen. Selbst die Verbündeten aus der chinesischen Repräsentanz blieben der Einladung fern, aus Protest gegen den fünften Atomwaffentest Nordkoreas am Freitagmorgen.

"Unser Land ist stark und widerstandsfähig, dank unseres großen Führers", sagte Nordkoreas Spitzendiplomat in Berlin in seiner kurzen Ansprache. Er stand eingerahmt von festlichen Blumengestecken aus Gladiolen und Gerbera unter den Wand-Portraits des verblassten Staatsgründers Kim Il Sung und dessen Sohn, Diktator Kim Jong Il, und schien bester Stimmung.

Den Test eines Atomsprengkopfs in Punggye Ri, der stärksten Explosion bisher überhaupt in der Gebirgsregion in der Nord-Provinz Hamgyong, erwähnte er mit keinem Wort. Der im nordkoreanischen Fernsehen als "großen Erfolg" gefeierte Test versetzt das Land nun angeblich in die Lage, atomare Sprengköpfe auf Langstreckenraketen zu montieren.

Auch seine Einbestellung an diesem Morgen ins Auswärtige Amt war Si Hong Ri keine Silbe wert. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte den Atomwaffentest als provokativen Versuch verurteilt, die "Destabilisierung Nordostasien" voranzutreiben, und forderte Pjöngjang in selten strengem Ton auf, den verschiedenen Uno-Resolutionen zu folgen.

"So ein Termin im Außenministerium ist für uns Normalität," sagte Si Hong Ri auf Anfrage weithin ungerührt, "man trifft sich, tauscht seine Positionen aus, macht die Unzufriedenheit mit dem anderen deutlich." Routine. Kein Grund, verstimmt zu sein, sagt er.

Im Gegenteil: "Für uns ist das ein besonders guter Tag," sagte Kulturattaché Chol Ung Kim: "Wir kommen unserem Ziel näher, unantastbar zu sein. Wir müssen uns gegen die Lügen und die Unterdrückung der Amerikaner wehren, die haben Kanonen, wir nur Pistolen!"

Ein kleiner Pin zeigt Regimetreue

Der nette Herr Kim spricht so gut Deutsch, dass er wie ein Musterbeispiel deutscher Integration wirkt. Keine Spur von der sonst angstvoll-verkrampften Zurückhaltung nordkoreanischer Funktionsträger. Am kleinen roten Emaille-Button mit dem Konterfei des "großen Führers", Kim Yong Un, an Kims sandfarbenem Jackett lässt sich erkennen, dass auch er ein treuer Gefolgsmann des Regimes ist.

Es heißt, Gastgeber Si Hong Ri habe überhaupt ein ziemlich dickes Fell. Als er vor Jahren, kurz nach seinem Amtsantritt, in Berlin an der Havel von der Polizei beim Schwarzfischen erwischt wurde, setzte er die "Straftat lächelnd" fort, hieß es im Polizeibericht. Kims Spitzendiplomat verwies lediglich auf seine Immunität.

Fünf Jahre ist Si Hong Ri inzwischen hier. Er pflegt die alten Kontakte.

Die nordkoreanisch-ostdeutsche Freundschaft war für beide Länder jahrzehntelang bedeutsam. Heute sind die Zeiten schlechter. Jetzt vermietet die Botschaft das ehemalige Hauptgebäude der diplomatischen Vertretung als internationales Hostel. Dank der zentralen Lage im Botschaftsviertel ist das ein einträgliches Geschäft.

Botschafter Si Hong Ri hält in Berlin aber auch treu an den westlichen Funktionären des Korea-Dialogs fest, wie dem heutigen Vizepräsidenten der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft Uwe Schmelter. Dem war einst die kleine Sensation gelungen, im streng abgeschotteten Pjöngjang einen Lesesaal des Goethe-Instituts einzurichten. Als aber überhaupt nur wenige Top-Kader Zugang zu den Büchern erhielten, wurde die Bibliothek 2009 nach zwei Jahren wieder geschlossen.

Am erstaunlichsten an diesem 68. Nationalfeiertag in der Glinkastraße war vielleicht die unkomplizierte Freundlichkeit an diesem politisch extrem belasteten Tag. Die ganze Welt hatte sich mit Protestnoten gegen das kleine Land gestellt. "Das sind wir gewohnt," sagt Herr Kim und lächelt.

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