Amnesty-Bericht Nordkorea baut Internierungslager aus
Pjöngjang - Die Lager, von denen in diesem Artikel die Rede sein wird, gibt es offiziell gar nicht. Das Regime in Pjöngjang dementiert die Existenz von Internierungslagern für politische Gefangene in Nordkorea bis heute. Doch Flüchtlinge und Menschenrechtsgruppen haben bereits vor Jahren enthüllt, dass es landesweit mindestens sechs dieser Camps gibt. Mehrere hunderttausend Menschen sollen dort unter verheerenden Bedingungen vegetieren.

Und das Regime von Kim Jong Un baut die Lager kontinuierlich aus. Das belegen Satellitenaufnahmen, die Amnesty International ausgewertet hat. Weil Nordkorea keine unabhängigen Beobachter ins Land lässt und die Existenz der Lager leugnet, sind diese Aufnahmen aus dem All sowie die Aussagen der wenigen Flüchtlinge die einzigen Quellen, die für die Dokumentation zur Verfügung stehen.
Im sogenannten Lager 16 sind laut Amnesty International in den vergangenen vier Jahren zahlreiche neue Gebäude errichtet worden. Das deutet darauf hin, dass die Zahl der Insassen in diesem Zeitraum deutlich gewachsen ist. Auch das Industriegebiet in Lager 16 ist ausgebaut worden, dort werden die Häftlinge zu Sklavenarbeit gezwungen. Die Bilder zeigen außerdem, dass die Gefangenen Waldgebiete abholzen, um Brennmaterial zu gewinnen.
Die falsche Abstammung kann Nordkoreaner ins Lager bringen
Lager 16 ist mit einer Fläche von etwa 560 Quadratkilometern der größte Gulag in Nordkorea: fast doppelt so groß wie das Stadtgebiet von München. Das Camp liegt im Nordosten des Landes, etwa 400 Kilometer von Pjöngjang entfernt.
Amnesty zitiert in seinem Bericht einen ehemaligen Aufseher aus Lager 16, der sich inzwischen aus Nordkorea abgesetzt hat. Er berichtet, dass Hinrichtungen an der Tagesordnung seien. Unter anderem seien Gefangene gezwungen worden, ihr eigenes Grab zu schaufeln. Anschließend seien sie von Sicherheitsleuten durch Hammerschläge auf den Hinterkopf getötet worden.
Auch in Lager 15 - 370 Quadratkilometer groß und 120 Kilometer östlich von Pjöngjang gelegen - wurden in den vergangenen zwei Jahren die Sicherungsanlagen ausgebaut. Das Lager wird von zwei hohen Zäunen und zahlreichen Wachtürmen umgeben. Selbst innerhalb des Camps existieren zahlreiche Checkpoints, mit denen die Bewegungsfreiheit der Häftlinge eingeschränkt wird.
In den Lagern müssen die Häftlinge in Bergbauminen, Industrieanlagen und in der Landwirtschaft schuften. Die Zwangsarbeiter sind zu einer Stütze der nordkoreanischen Mangelwirtschaft geworden. Laut Schätzungen sterben knapp 40 Prozent von ihnen an Unterernährung oder anderen Folgen ihrer Gefangenschaft.
Amnesty International zitiert zwei ehemalige Insassen von Lager 15: "Wir mussten von 7 bis 20 Uhr auf den Feldern arbeiten. Wenn wir unser Tagessoll nicht erfüllten, wurden wir kollektiv bestraft. Während unser dreijährigen Haftzeit haben wir unsere Tagesziele oft nicht erreicht, weil wir hungrig und schwach waren. Wir wurden mit Schlägen und der Kürzung unserer Nahrungsmittelrationen bestraft."
Im Reich der Kims werden Menschen schon für kleinste Vergehen ins Arbeitslager gesteckt. So landen Nordkoreaner im Gulag, weil Verwandte ins Ausland geflohen sind. Und einige wachsen sogar in den Internierungslagern auf: Der bekannteste von ihnen ist Shin Dong Hyuk. Er wurde 1982 in Lager 14 als Sohn zweier Häftlinge geboren, Anfang 2005 gelang ihm die Flucht. Heute lebt er in den USA. Er sagt über seine Zeit im Lager: "Ich habe erst in Freiheit gelernt, Mensch zu sein."