
Moratorium: Nordkoreas Atom-Arsenal
Nordkorea stoppt Atomprogramm Kim Jong Uns Geschenke fürs Volk
Es war bitter kalt und dunkel in den vergangenen Tagen in Nordkorea. Es wurde selten geheizt, der Strom fiel sogar in der Hauptstadt Pjöngjang oft aus, wie Anwohner berichteten. Nun steigen die Temperaturen wieder, die Untertanen müssen schon bald nicht mehr frieren.
Und einige von ihnen werden, mit ein wenig Glück, mehr zu essen bekommen. 240.000 Tonnen proteinhaltige Kekse und Vitamine werden die USA an das ausgepowerte Land liefern. Vor allem Kinder und stillende Mütter sollen die Empfänger sein. Diese "Ernährungshilfe" ist Teil eines Handels, den Amerikaner und Nordkoreaner am Mittwoch bekanntgaben.
Die nordkoreanische Führung unter ihrem neuen Regenten Kim Jong Un erklärte sich im Gegenzug dazu bereit,
- ihr Programm zur Urananreicherung "zeitweise" einzustellen,
- die 2009 hinausgeworfenen Inspekteure der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wieder ins Land zu lassen und
- vorerst keine Atombomben mehr zu testen und Langstreckenraketen abzufeuern.
Damit scheint sich die politische Lage auf der koreanischen Halbinsel nach monatelangen Spannungen zu beruhigen, manche Experten sprechen gar von einem "Durchbruch" in den Beziehungen zwischen Pjöngjang und Washington. Fest steht: Die Nordkoreaner haben im langen Hin und Her um ihr Atomprogramm dieses Mal mehr Zugeständnisse gemacht als die Amerikaner. Ursprünglich hatten sie 300.000 Tonnen Nahrungsmittel verlangt, nun gaben sie sich mit 60.000 Tonnen weniger zufrieden.
"Aggressive" Überwachung der Lebensmittelverteilung
Zudem akzeptierten sie, dass "aggressiv" (US-Außenministerin Hillary Clinton) überwacht werde, an welche Bürger die Lebensmittel verteilt werden. Was dies konkret bedeutet, ist jedoch nicht klar. Womöglich dürfen Lagerhäuser kontrolliert werden, ohne dass die Inspektion, wie sonst üblich, einen Tag vorher angekündigt werden muss. Von Anfang an hatten sich die Amerikaner geweigert, Reis oder Weizen zu liefern. Sie fürchteten, diese könnten leichter als andere Lebensmittel für die ohnehin privilegierten Militärs und Funktionäre abgezweigt werden.
Auch der Verzicht auf die Raketentests ist ein Entgegenkommen. Der Deal ist eine wichtige Voraussetzung, die sogenannten Sechsergespräche in Peking wieder aufzunehmen, die seit April 2009 unterbrochen sind, weil die Nordkoreaner ausgezogen waren. Die Treffen haben zum Ziel, eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel zu schaffen. Neben Nord- und Südkorea sowie Gastgeber China nehmen die USA, Russland und Japan an dieser Runde teil, die sich zuletzt vor allem dadurch auszeichnete, vor sich hinzudümpeln.
Doch ob nun ernsthafte Verhandlungen möglich sind, bleibt abzuwarten. Nordkorea erwartet von Washington Sicherheitsgarantien, ernsthafte politische Zugeständnisse und Wirtschaftshilfen, bevor das Atomprogramm aufgegeben wird. Die Amerikaner wiederum wollen zunächst Beweise, dass Pjöngjang wirklich bereit ist abzurüsten.
Nordkorea ist bekannt dafür, Verträge neu zu interpretieren
Bislang hält es kaum jemand für wahrscheinlich, dass die Nordkoreaner eines Tages ihre Atombomben verschrotten und ein wichtiges Drohmittel aus der Hand geben. In den nächsten Wochen muss sich zeigen, ob sich beide Seiten überhaupt an die Abmachung halten.
Vor allem die Nordkoreaner sind dafür bekannt, Verträge in ihrem Sinne neu zu interpretieren. So zerstörten sie zwar ihren Plutoniumreaktor in Yongbyon und sprengten 2008 den Kühlturm. Sie überraschten aber die Welt, als sie zwei Jahre später dem amerikanischen Experten Siegfried Hecker eine moderne Anlage vorführten, in der mit über 1000 Zentrifugen Uran angereichert wurde. Das ist für den Bau von Atombomben notwendig.
Dies war eine satte Blamage für die Geheimdienste Südkoreas und der USA. Amerikanische Fachleute gehen inzwischen davon aus, dass die Nordkoreaner mindestens ein weiteres geheimes Laboratorium besitzen, in denen sie Uran bearbeiten. In dem jetzt vereinbarten Moratorium ist davon nicht die Rede.
Offen ist, warum die Nordkoreaner ausgerechnet jetzt einlenken. Will der "Große Nachfolger" Kim Jong Un signalisieren, dass er umgänglicher ist als sein im Dezember vorigen Jahres verstorbener Vater Kim Jong Il? Die meisten Fachleute halten dies für unwahrscheinlich, denn bislang prägten kriegerische Reden die Amtsführung des Thronfolgers.
Der junge Kim plant im April jedoch pompöse Feiern zum 100. Geburtstag seines Großvaters, des 1994 verstorbenen Staatsgründers Kim Il Sung. Und dafür muss er dem Volk, so ist es in Nordkorea üblich, etwas schenken - zum Beispiel mehr Lebensmittel aus Amerika.
"Wir begrüßen das Ergebnis, das ein Haupthindernis für die Wiederaufnahme der Sechsergespräche beseitigt", kommentierte am Donnerstag die englischsprachige Pekinger "Global Times" die Vereinbarung. Das Parteiblatt gab damit offenkundig die Meinung der KP-Führung wieder. Aber auch die scheint ihre Pappenheimer zu kennen: "Wir alle wissen, dass es viele Faktoren gibt, die diesen zerbrechlichen Fortschritt zerstören können", schreibt die "Global Times".
Die Zeitung gibt deshalb beiden Seiten ein paar Ratschläge mit auf den Weg: Die USA, Japan und Südkorea sollten ihre "Kalte-Kriegs-Mentalität" ablegen, Pjöngjang nicht mehr unter Druck setzen und seine Sorgen um die eigene Sicherheit ernst nehmen. Und vom engen Verbündeten Nordkorea erhoffe sich man sich, die "Gelegenheit zu nutzen" und die Lage auf der koreanischen Halbinsel zu entschärfen.