Folgen der Irankrise für Nordkorea Paranoia in Pjöngjang

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat an Abrüstung bislang kein Interesse
Foto:KCNA KCNA/ KCNA/ REUTERS
Nordkoreas Staatsmedien berichteten in den ersten Januartagen über den Besuch von Machthaber Kim Jong Un in einer Düngelmittelfabrik, den Lebensraum von Wintervögeln und das "Erblühen der nationalen Kultur". Die Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch die USA war ihnen hingegen nur eine Randnotiz wert.
Die Irankrise ist ein heikles Thema für die Führung in Nordkorea. Sie dürfte ihr vor Augen führen, dass die USA unter Trump bereit sind, aggressive und riskante Entscheidungen zu treffen. Ohne Zweifel verstünden die Nordkoreaner die Exekution Soleimanis als Warnsignal, glaubt Andrei Lankov, Orientalist an der südkoreanischen Kookmin-Universität. "Sie erinnert sie daran, dass sich eine US-Drohne auch Zielen in den Vororten von Pjöngjang nähern könnte."
Lankov rechnet damit, dass das nordkoreanische Regime künftig vorsichtiger vorgehen werde. "Zwar werden sie weiter verbal aufrüsten, aber die nordkoreanischen Entscheidungsträger werden nun zweimal nachdenken, bevor sie etwa Langstreckenraketen oder Atomwaffen testen."
Experten fürchteten in den vergangenen Wochen eben solche Tests. Hochrangige nordkoreanische Funktionäre hatten Trump mit einem "Weihnachtsgeschenk" gedroht und versucht, ihm auf diese Weise Zugeständnisse bei den stockenden Atomverhandlungen abzutrotzen. Möglicherweise stand hinter den Drohungen das Kalkül, dass der Präsident vor der Wahl im November mit einem "Nordkorea-Deal" einen außenpolitischen Erfolg erzielen wollte oder aber, dass er durch das Impeachment-Verfahren geschwächt ist.
Den Nordkoreanern galt Trump als Maulheld, seit er 2017 der Führung in Pjöngjang folgenlos mit einem Erstschlag und Feuer und Zorn ("fire and fury") drohte.
Neue Unberechenbarkeit
Der Tod Soleimanis verdeutlicht, wie unberechenbar Trump sein kann. In Südkorea erwarten nun viele, dass das kommunistische Regime im Norden seine Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.
Wie sein Vater und Großvater wird Kim Jong Un ohnehin von Eliteeinheiten geschützt, außerdem soll es unter Pjöngjang ein Netz von Bunkern und Kommandozentralen geben. Die gezielte Tötung des Machthabers in Pjöngjang hatte bislang aber unter anderem auch deshalb wenig Aussicht auf Erfolg, weil es in dem repressiven Staat an geheimdienstlichen Informationen von vor Ort mangelt. Die ohnehin umfassende Überwachung der Bürger könnte jetzt noch intensiviert werden.
"Der Drohnenangriff auf einen so wichtigen iranischen Vertreter könnte die Paranoia der nordkoreanischen Führung verstärken", sagt Leif-Eric Easley von der Ewha-Universität in Südkoreas Hauptstadt Seoul. "Es könnte strengere Grenz- und Informationskontrolle geben, insbesondere was die Aktivitäten von Kim angeht."
Eines aber wird Soleimanis Tod wohl nicht bewirken: dass Kim Jong Un atomar abrüstet.
Anschaulich hat das der frühere amerikanische Nordkorea-Unterhändler Victor Cha beschrieben, der unter Präsident George W. Bush diente. Bei den Sechs-Parteien-Gesprächen, die von 2003 bis 2007 stattfanden, habe ein nordkoreanischer Vertreter ihm einmal aufgebracht gesagt: "Ihr habt Afghanistan angegriffen, weil sie keine Atomwaffen hatten. Ihr habt den Irak angegriffen, weil er keine Atomwaffen hat. Uns werdet ihr nicht angreifen."
Nordkoreas Staatsmedien verweisen gerne auf Libyen, um diese Logik zu illustrieren: In ihrer Lesart gab Muammar al-Gaddafi erst seine Atomwaffen auf, um dann später mit US-Hilfe gestürzt zu werden.
Die Grundhaltung des Regimes spiegelte sich auch in der Rede wieder, die Kim Jong Un Ende Dezember vor Funktionären der Arbeiterpartei hielt: Atomwaffen seien wichtig, "um die nukleare Bedrohung durch die USA abzuwehren und unsere Sicherheit zu garantieren". Wie intensiv man aufrüste, hänge davon ab, wie sich die USA künftig verhielten. Damit ließ er trotz allem Spielraum für weitere Verhandlungen mit Washington.