NSA-Skandal Berlin kämpft weiter für Anti-Spionage-Abkommen

Merkel, Obama (Archivbild von 2009): "Die USA wollen keinen Präzedenzfall schaffen"
Foto: Christopher Furlong/ APBerlin/Washington - Deutsche und amerikanische Behörden verhandeln nach Angaben der Bundesregierung weiterhin über ein Anti-Spionage-Abkommen. Ein Bericht der "New York Times", nach dem die geplante Vereinbarung am Widerstand der USA gescheitert sei, wurde am Dienstag in deutschen Regierungskreisen dementiert. "Die Verhandlungen gehen weiter", hieß es in Berlin.
Das Blatt berichtet, die USA hätten endgültig den Abschluss eines No-Spy-Abkommens verweigert. Dies habe die US-Sicherheitsberaterin Susan Rice bei Gesprächen in Berlin deutlich gemacht, schreibt die Zeitung unter Berufung auf einen deutschen Regierungsbeamten. "Die USA wollen keinen Präzedenzfall schaffen", zitiert die Zeitung den namentlich nicht genannten Beamten. "Susan Rice hat sich uns gegenüber sehr klar geäußert."
Die Absage sei mit dem Hinweis begründet worden, dass dann auch andere Länder eine ähnliche Behandlung einfordern könnten, schreibt die Zeitung. In Berlin hieß es dazu in Regierungskreisen, eine solche Aussage eines deutschen Regierungsbeamten sei nicht vorstellbar.
Im November hatte bereits der SPIEGEL berichtet, dass es kein No-Spy-Abkommen der Geheimdienste geben werde . Die Chefs von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen und Gerhard Schindler, waren mit ihrem Anliegen in den USA bei den Diensten NSA und CIA abgeblitzt. Auch dort hatte es geheißen, man fürchte einen Präzedenzfall.
NYT: Merkel sagte Obama, das ist wie bei der Stasi
Forderungen nach einem Anti-Spionage-Abkommen waren in Berlin laut geworden, nachdem bekannt geworden war, dass der US-Geheimdienst NSA massenhaft Telefondaten in Deutschland abschöpfte und zeitweise auch das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel überwacht hatte. Eine solche Vereinbarung, über die deutsche und amerikanische Experten verhandelten, soll gegenseitiges Ausspähen untersagen oder diesem zumindest enge Grenzen setzen.
In Deutschland gibt es auch Bedenken gegen ein No-Spy-Abkommen - es wurde unter anderem bezweifelt, dass sich die US-Dienste tatsächlich daran halten würden. Zuletzt arbeitete man zumindest an einer Vereinbarung, wie die Zusammenarbeit der Dienste künftig geregelt werde. Obama hatte zuvor lediglich zugesagt, Merkels Kommunikation werde nicht mehr überwacht.
Die "New York Times" berichtet im selben Artikel von einer "zornigen Unterhaltung" Merkels mit Obama nach den Enthüllungen über die Abhöraktion. Merkel habe dem US-Präsidenten am Telefon gesagt, die NSA-Aktivitäten erinnerten sie an die DDR. "Sie sagte ihm: 'Das ist wie bei der Stasi'", zitiert das Blatt eine namentlich nicht genannte Person, die sich mit Merkel über das Telefonat unterhalten habe.
Gericht hält NSA-Telefonüberwachung für verfassungswidrig
Zugleich gab es ersten massiven richterlichen Einspruch gegen die Daten-Sammelwut der US-Geheimdienste: Ein US-Bundesgericht wertete das millionenfache Abspeichern von Telefondaten in den USA als im Kern verfassungswidrig. Die Datenüberwachung der NSA verstoße gegen den verfassungsmäßig verankerten Schutz vor unbegründeten Durchsuchungen, urteilte das Bundesgericht in Washington.
Allerdings handelt es sich bei der Bewertung des Bundesrichters Richard Leon lediglich um eine vorläufige Entscheidung: Die Regierung habe die Möglichkeit, Einspruch dagegen einzulegen, da "erhebliche nationale Sicherheitsinteressen auf dem Spiel" stünden. Sollte die Entscheidung Bestand haben, könnte die NSA nicht mehr willkürlich die Metadaten von Millionen Telefonanrufen abgreifen.
Das Gericht bewilligte mit seinem Urteil eine einstweilige Verfügung, nach der von den beiden Klägern, Kunden des Telekommunikationsunternehmens Verizon, keine Daten mehr gesammelt werden dürfen.
Über Verizon war als erstes Unternehmen bekannt geworden, dass es Verbindungsdaten an Geheimdienste weitergibt. Die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden hatten offenbart, dass die NSA weltweit millionenfach Daten sammelt und überwacht. Fünf Milliarden Telefondatensätze pro Tag soll allein die NSA-Datenbank namens Fascia sammeln.