Nukleare Gefahr Nordkorea Kims Atombomben-Test schockiert die Welt
Seoul - Die EU, die USA, Japan, Südkorea, Russland: Weltweit haben Politiker den mutmaßlichen Atomtest Nordkoreas scharf verurteilt. Nach eigenen Angaben hat Pjöngjang am Montag unterirdisch einen nuklearen Sprengsatz gezündet - "erfolgreich", wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA verkündete.
Das kommunistische Regime von Kim Jong Il hatte erstmals im Oktober 2006 einen Atomsprengsatz gezündet. Damals war der Test nach Einschätzung von Experten wegen technischer Schwierigkeiten nur bedingt erfolgreich gewesen. Der neue Test sei "Teil der Maßnahmen, um die nukleare Abschreckung zur Selbstverteidigung zu stärken", hieß es nun bei KCNA. Das Land habe damit die Sprengkraft und Präzision seiner Atombombe gesteigert.
Das russische Verteidigungsministerium hat den unterirdischen Atomtest inzwischen bestätigt. Die Kernexplosion habe eine Kraft von 10 bis 20 Kilotonnen gehabt, sagte Ministeriumssprecher Alexander Drobyschewski nach Angaben der Agentur Interfax. Die Detonation sei etwa 80 Kilometer nordwestlich der Stadt Kilchu registriert worden. Zum Vergleich: Die von den USA 1945 über Hiroshima abgeworfene Atombombe hatte eine Sprengkraft von rund 15 Kilotonnen. Am frühen Morgen hatten Seismologen in Russland, Südkorea, Japan und den USA den Test als Erdbeben der Stärke 4,5 bis 4,7 registriert.
Stunden nach dem Atomtest startete Nordkorea einem Bericht der südkoreanischen Agentur Yonhap zufolge außerdem eine Kurzstreckenrakete. Yonhap berief sich dabei auf Diplomatenkreise. Es handele sich um eine Boden-Luft-Rakete mit einer Reichweite von 130 Kilometern. Sie sei von der Basis Musudan Ri aus gestartet worden. Offizielle Angaben dazu gibt es allerdings bislang nicht.
Nord- und Südkorea
Japan forderte umgehend eine Dringlichkeitssitzung des Uno-Sicherheitsrats. Nach Angaben Russlands wird das Gremium noch am Montag zusammentreten. Das sagte der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Witali Tschurkin, nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass.
Japan will beim Sicherheitsrat auf eine neue Resolution drängen. Ein solcher Test wäre inakzeptabel und ein klarer Verstoß gegen die Uno-Resolution, sagte Regierungssprecher Takeo Kawamura. Die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete, Japan erwäge zudem eine Verschärfung seiner eigenen Sanktionen gegen das abgeschottete Land.
In den USA zeigte sich Barack Obama alarmiert über die Entwicklung. Obama sagte, ein Atom- und Raketentest Nordkoreas sei "Anlass zu tiefer Besorgnis für alle Länder". Die Entwicklung erfordere eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft. "Nordkoreas Versuche, Atomwaffen zu entwickeln, ebenso wie sein ballistisches Raketenprogramm stellen eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit dar", hieß es in seiner Stellungnahme.
Ähnlich äußerte sich auch ein Sprecher der Uno-Behörde zur Überwachung des internationalen Atomwaffen-Teststoppabkommens. Der Test sei eine "Bedrohung der internationalen Sicherheit und des Friedens".
Der tschechische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Jan Kohout sagte ebenfalls, er sei "sehr beunruhigt". EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner äußerte sich am Montag während eines Besuchs in Thailand ebenfalls sehr besorgt. Ihr läge noch keine offizielle Bestätigung des Tests vor, "aber wenn es so ist, wäre das sicherlich sehr, sehr beunruhigend", erklärte sie. Ein solcher Schritt müsse verurteilt werden.
Frankreich hat den Test scharf verurteilt und fordert als Reaktion härtere Sanktionen. In den kommenden Stunden werde Paris mit seinen Partnern der Vereinten Nationen über die Konsequenzen "dieser schwerwiegenden Handlung" beraten, sagte Außenminister Bernard Kouchner. Kouchner forderte Pjöngjang auf, "jede neue Provokation zu vermeiden". Der kommunistische Staat müsse umgehend die Uno-Resolution 1718 zum Atomwaffentestverbot umsetzen und die Sechs-Parteien-Gespräche zur atomaren Abrüstung wieder aufnehmen.
Der britische Premier Gordon Brown sagte in einer Stellungnahme, die internationale Gemeinschaft werde Nordkorea nur dann als Partner behandeln, wenn sich das Land "verantwortungsvoll" benehme. "Tun sie das nicht, ist das einzige, was sie erwarten können, nur neue Isolation."
Tiefe Sorge auch in Russland: Außenminister Sergej Lawrow kündigte an, die Vorgänge genau prüfen zu wollen und über Konsequenzen beraten zu wollen.
Im Nachbarland Südkorea rief Präsident Lee das Sicherheitskabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Die Armee hat nun einen Krisenstab eingerichtet. Der Generalstab versetzte die Truppen nach Angaben eines Sprechers in erhöhte Alarmbereitschaft. Truppenbewegungen im benachbarten Nordkorea würden genau beobachtet.
Raketen und Atomtests - trotz Sanktionen
Nach dem ersten Atomtest 2006 hatten die Vereinten Nationen Sanktionen gegen Nordkorea verhängt. Im April dieses Jahres startete Nordkorea eine Langstreckenrakete. Nach ihrer Verurteilung im Uno-Sicherheitsrat kündigte die kommunistische Regierung eine Wiederaufnahme ihres Atomprogramms und einen Boykott der Sechs-Parteien-Gespräche mit Südkorea, Japan, China, Russland und den USA an.
Erst Anfang dieses Monats sprach das Regime in Pjöngjang von einem Ausbau seines Atomwaffenarsenals. Die feindliche Haltung der USA dauere an, teilte das Außenministeriums damals mit. Der US-Sondergesandte für Nordkorea, Stephen Bosworth, hatte dem Land daraufhin mit "Konsequenzen" gedroht, sollte es zu einem neuen Atomtest kommen.
Atomwaffen: Welche Staaten über welches Arsenal verfügen
Land | strategische Sprengsätze | nicht-strategisch | gesamt |
---|---|---|---|
China | 130-200 | 120 | 250-320 |
Frankreich | 350 | 0 | 350 |
Indien | 50 | unbekannt | 50+x |
Israel | 100-200 | unbekannt | 100-200 |
Nordkorea | 5-12 | 0 | 5-12** |
Pakistan | 40-70 | unbekannt | 40-70 |
Russland | 3300-3400 | 3000-8000 | 7200* |
Großbritannien | 180-200 | 5 | 180-200 |
USA | 5236 | 500 | 5736* |
**geschätzt anhand der angenommenen Menge von vorhandenem atomwaffenfähigen Plutonium