Obama-Berater über Guantanamo-Insassen "Sie haben ein sehr starkes Motiv für Rache"
SPIEGEL ONLINE: Der designierte US-Präsident Barack Obama hat im Wahlkampf immer wieder angekündigt, das US-Gefangenenlager Guantanamo zu schließen. Welche Gefangenen werden dabei die schwierigsten Fälle sein?
Riedel: Die Jemeniten. Sie sind die größte Gruppe der noch verbliebenen Häftlinge, und nach Angaben des US-Militärs gehören von den 248 noch verbleibenden Gefangenen 27 zum Führungskader der al-Qaida. 99 sind untere Chargen der Organisation. Ein erheblicher Teil dieser Leute sind Jemeniten. Sie können nicht in den Jemen zurück, weil nicht sichergestellt ist, dass sie sich nicht gleich wieder dem globalen Dschihad anschließen. Wer heute noch in Guantanamo ist, gehört zum harten Kern. Die leichten Fälle sind längst weg. Ein anderes Problem sind die Chinesen. Sie können nicht nach Hause, weil ihnen dort Misshandlung droht.
SPIEGEL ONLINE: In Europa hat eine Diskussion begonnen, Ex-Gefangene aus Guantanamo aufzunehmen. Deutschland und Portugal haben sich wohlwollend in diese Richtung geäußert. Wie wichtig wäre solche Unterstützung für die USA?
Riedel: Auch wenn die europäischen Länder wie etwa Portugal oder Deutschland nur eine kleine Zahl Häftlinge aufnehmen könnten etwa ein halbes Dutzend wäre das eine wichtige Unterstützung. Die USA brauchen alle Hilfe, die sie kriegen können, um den Schlamassel zu beseitigen, den Präsident George W. Bush und Vizepräsident Dick Cheney dem Rest der Welt hinterlassen haben.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es eine bestimmte Gruppe Gefangener, an die Sie da besonders denken?
Riedel: Die chinesischen Gefangenen wären besonders dafür geeignet, in Europa aufgenommen zu werden. Sie sind eine nicht so ernsthafte terroristische Gefahr wie andere, etwa die Jemeniten.
SPIEGEL ONLINE: Sind die Chinesen denn überhaupt gefährlich?
Riedel: Wie gefährlich auch immer die Leute waren, als sie nach Guantanamo kamen nach sechs, sieben Jahren Gefängnis haben sie ein sehr starkes Motiv, Rache zu üben.
SPIEGEL ONLINE: Worauf müssten sich Länder einrichten, die sich bereit erklären, Gefangene aufzunehmen?
Riedel: Die Freigelassenen müssten für einige Zeit unter strikte Beobachtung gestellt werden. Außerdem gäbe es finanzielle Belastungen: Man muss davon ausgehen, dass die Ex-Insassen etwa in Deutschland Prozesse auf Wiedergutmachung anstrengen würden, deutsche Gerichte würden sie wahrscheinlich anhören. Nicht zu vergessen die Lebenshaltungskosten. Diese Leute sind mittellos und es ist schwer vorstellbar, dass sie mit ihrer Vergangenheit einen Job finden.
SPIEGEL ONLINE: Werden die Amerikaner selbst auch Gefangene aufnehmen?
Riedel: Das ist auch eine sehr schwierige Frage, weil die Leute im amerikanischen Gefängnissystem alle mögliche juristische Hilfe in Anspruch nehmen können, die es in Guantanamo nicht gab. Die Regierung des Bundesstaates, der die Insassen aufnehmen sollte, wäre vermutlich nicht gerade begeistert. Es ist sehr schwer, für diese Leute einen Platz zu finden. Auch die Bush-Regierung hat am Schluss schon in diese Richtung gedacht, aber da sind ein paar gefährliche Leute, die durch die Haft noch gefährlicher geworden sind. Man kann sie nicht einfach gehen lassen, aber sie legal festzuhalten wird immer schwieriger. Guantanamo war ein sehr teurer Fehler.
Das Interview führte Cordula Meyer