Obama-Herausforderer Perry in Not

Patzer in den TV-Debatten, Rassismus-Vorwürfe, Absturz in den Umfragen: Für Texas-Gouverneur Rick Perry läuft es mies, seine Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur bei den Republikanern schwinden. Wer profitiert von seinem Niedergang?
Rick Perry: Der republikanische Gouverneur ist in Umfragen abgestürzt

Rick Perry: Der republikanische Gouverneur ist in Umfragen abgestürzt

Foto: ADAM HUNGER/ REUTERS

Ganz unten fängt die Erzählung des Rick Perry an. Irgendwo im texanischen Nirgendwo, ein Flecken namens Paint Creek, ein paar Häuser, die Familien-Ranch. Kein fließendes Wasser, sagt Perry, und der Ort auf manchen Landkarten gar nicht verzeichnet. Ganz unten also.

Jahrzehnte später kämpft Perry, mittlerweile Gouverneur seines Staates, um die Präsidentschaftskandidatur der Republikanischen Partei. Kommt jetzt das Happy End der Geschichte vom Jungen aus Paint Creek?

Nun ja. Eine Zeitlang jedenfalls lief es richtig gut für Perry. Da feierten ihn die rechten Christen als den "lebensfreundlichsten Gouverneur". Natürlich nicht wegen des von ihm gehaltenen Hinrichtungsrekords - bisher 235 Tote - sondern weil er Abtreibungen kritisiert. Perry gibt den Cowboy und seinen Leuten die Storys dazu. Als er beim Spaziergang mit Hund plötzlich einem Kojoten gegenüber steht, zieht Perry seine "Ruger" und erledigt das Tier. Hart, härter, Perry.

In Lynchburg, Virginia, tritt er Mitte September vor mehreren tausend beseelten Studenten an der Liberty University auf, der größten Christen-Uni der Welt. Man betet und singt, und Perry erzählt seine Geschichte. Wie er daheim auf dem Bett lag und mit Gott rang, was er denn nun aus seinem Leben machen sollte. Wie er als Pilot der Air Force lernte, dass es noch eine Welt außerhalb von Paint Creek gibt. Und er weiß von der Präsenz des Bösen in der Welt zu berichten. Die Studenten jubelten, die Sache lief.

Unsicher und schlecht vorbereitet

Doch jetzt, plötzlich, gerät die Erzählung ins Stocken. Perry hat bei drei entscheidenden TV-Debatten gepatzt. Er wirkt zuweilen unsicher, schlecht vorbereitet, er verhaspelt sich. Die Anhänger laufen ihm davon. In Umfragen stürzt er ab.

Tiefschlag folgt auf Tiefschlag. Am Wochenende berichtete die "Washington Post" vom früheren, gemieteten Jagdsitz der Familie Perry. Der sei in den achtziger und neunziger Jahren mit einem Felsen gekennzeichnet gewesen, darauf der rassistische Begriff "Niggerhead". Perry dagegen sagt, seine Eltern hätten das Wort schon 1983 oder 1984 überpinselt, nachdem er selbst es entdeckt habe. Es sei anstößig und habe in der modernen Welt keinen Platz. Der Afro-Amerikaner Herman Cain, einer von Perrys Konkurrenten um die Kandidatur, knöpfte sich den Texaner prompt vor: Es sei "unsensibel gegenüber den Schwarzen in diesem Land", dass Perry das N-Wort so lange auf dem Stein habe stehen lassen. Es gebe "keine gemeinere, negativere Bezeichnung".

Es war nicht die erste Perry-Panne in den gerade mal sechs Wochen seit Bekanntgabe seiner Kandidatur.

  • Ärgernis Sozialpolitik: Das US-Rentensystem hat er eine "monströse Lüge" genannt - und damit die Senioren verprellt.
  • Ärgernis Immigrationspolitik: Der Texaner spendiert Kindern illegaler Einwanderer ein Studium auf Steuerzahler-Kosten, lehnt einen durchgehenden Zaun an der Grenze zu Mexiko ab - und hat damit die Hardliner verprellt.
  • Ärgernis Außenpolitik: Für den hypothetischen Fall, dass pakistanische Atomwaffen in die Hände der Taliban fallen, hat Perry den Indern zu verbesserten F-16-Kampfjets geraten; und den Mexikanern würde er als Präsident US-Truppen zur Unterstützung im Drogenkrieg senden. Mit solcherlei Naivität verprellt man das republikanische Establishment.

Wer soll Perry eigentlich noch wählen? Die neuesten Zahlen der Demoskopen sind brisant: Der Texaner hat seine Führung verspielt, er liegt jetzt sogar deutlich hinter seinem ärgsten Konkurrenten Mitt Romney und gleichauf mit Herman Cain. Nur noch 16 Prozent der Befragten würden bei republikanischen Vorwahlen laut einer Erhebung von "Washington Post" und ABC News für Perry votieren. Im September waren es noch 29 Prozent. Minus 13 Punkte. In einer Umfrage des TV-Senders CBS liegen Romney und Cain mit jeweils 17 Prozent gleichauf an der Spitze, Perry sackt auf zwölf Prozent ab.

Es ist ein Niedergang für den 61-Jährigen. Klar, das kann sich alles wieder ändern. Die Republikaner des Jahres 2011 sind eines sicher nicht: berechenbar. Nichtsdestotrotz müssen Perrys Zahlen ihm und seinen Strategen Schmerzen bereiten.

"Yes we Cain"

Besonders dramatisch sind die Verluste bei den Tea-Party-Anhängern, die die Republikanische Partei seit Monaten vor sich her treiben: Hier ist Perry von 45 auf zehn Prozent abgesackt. Gleichzeitig hat Cain in dieser Gruppe entscheidend hinzugewonnen: Der Ex-Chef der Restaurantkette "Godfather's Pizza" konnte sich von fünf auf 30 Prozent verbessern. Es war auch Cain, der nach der letzten TV-Debatte in Florida auf Kosten Perrys absahnte und schließlich sogar eine Probeabstimmung gewann. "Yes we Cain", skandierten die Leute von der Tea Party. Einige von ihnen hatten gerade erst das Lager gewechselt.

Perrys Absturz könnte aber vor allem einem nutzen: dem moderateren Mitt Romney. Ihn hatte Perry im August als "Frontrunner" abgelöst, nun ist Romney plötzlich mit großem Abstand vorn. Zwar gilt er als hölzern und ist wegen seines mormonischen Glaubens den Rechtsaußen-Christen schwer zu vermitteln, doch ist er gegenwärtig wohl der Einzige im Feld, der auch von einer Mehrheit der Amerikaner gewählt werden könnte, wenn es gegen US-Präsident Barack Obama geht.

Und noch etwas dürfte Romneys Laune gehoben haben: Das endgültige Nein von Chris Christie. Der in der Statur mächtige und ansonsten erfolgsverwöhnte Gouverneur des Ostküstenstaats New Jersey ist über Wochen von gemäßigteren Republikanern und großen Geldgebern - etwa dem Investment-Banker und Milliardär Kenneth Langone - bedrängt worden, ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur einzutreten. "Jetzt ist nicht die Zeit für mich", hat aber der 49-Jährige am Dienstag gesagt. Kurz darauf bekannte sich Langone offenbar zu Romney. Weitere Spender werden ihm folgen.

Perrys Selbstdemontage und Christies Verzicht - möglicherweise kann Mitt Romney später einmal auf den Oktober 2011 als Schlüsselmoment zurückblicken.

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