Obduktion von Gaddafi-Leiche Libyscher Übergangsrat trotzt Uno-Forderungen

Vor der Kühlhalle eines Einkaufszentrums: Libyer wollen Gaddafis Leichnam sehen
Foto: Mohamed Messara/ dpaMisurata - Die Leiche des getöteten früheren libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi soll nach dem Willen der neuen Führung des Landes nicht näher auf seine Todesumstände hin untersucht werden. Es werde keine Autopsie geben, sagte ein militärischer Vertreter des Nationalen Übergangsrats am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. "Niemand wird den Körper öffnen", stellte er klar.
Nach wie vor ist unklar, wie genau Gaddafi getötet wurde. Gaddafi war am Donnerstag in seiner Heimatstadt Sirt offenbar nach einem Nato-Angriff auf seinen Konvoi lebend gefangen genommen, dann jedoch getötet worden.
Zu den genauen Todesumständen Gaddafis gibt es weiterhin unterschiedliche Darstellungen. Offizielle Stellen in Tripolis behaupten, der verletzte Gaddafi sei auf der Fahrt nach Misurata im Krankenwagen ins Kreuzfeuer neuer Kämpfe geraten und dabei tödlich verletzt worden. Der Fahrer des Wagens sagte jedoch der Nachrichtenagentur Reuters, Gaddafi sei bereits tot gewesen, als er den Körper in Empfang genommen habe. Nach Einschätzung eines Arztes starb der Ex-Diktator durch "Schüsse aus nächster Nähe in Kopf und Bauch". Dies könnte auf eine absichtliche Erschießung hindeuten, berichtete der arabische Fernsehsender al-Arabija.
"Dazu muss es eine Untersuchung geben"
Wegen der rätselhaften Umstände des Todes hatten zuvor die Vereinten Nationen Aufklärung verlangt. "Wir wissen nicht, wie er gestorben ist. Dazu muss es eine Untersuchung geben", sagte der Sprecher des Uno-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Freitag in Genf. Zahlreiche Vertreter der Weltgemeinschaft schlossen sich dieser Forderung an.
Die Familie Gaddafis verlangte vom Übergangsrat die Herausgabe des Leichnams. Der Körper müsse an Gaddafis Stamm in der Stadt Sirt übergeben werden, um ihn nach islamischen Regeln beerdigen zu können, hieß es in einer Erklärung der Witwe Gaddafis, die der syrische Fernsehsender Arrai verbreitete. Der Stamm schloss sich dieser Forderung an und bat die Uno, die Islamische Konferenz und Amnesty International um Unterstützung.

Die Familie forderte auch den Leichnam von Gaddafis Sohn Mutassim, der wie sein Vater am Donnerstag in der Stadt Sirt bei einem Angriff der Rebellen unter ungeklärten Umständen getötet wurde. Aus ihrem Exil in Algerien verlangte Gaddafis Frau Safia außerdem eine Untersuchung der Todesumstände.
Nach muslimischer Tradition werden Tote normalerweise binnen 24 Stunden beigesetzt. Der Nationalrat war sich aber am Freitagabend noch nicht einig, wann und wo der Tote begraben werden soll. Auf jeden Fall soll der Ort geheimbleiben, damit Gaddafi-Anhänger keinen Wallfahrtsort bekommen.
"Sehr stolz auf das, was wir erreicht haben"
Die halbnackte Leiche Gaddafis wurde am Freitag in der Kühlhalle eines Einkaufszentrums am Stadtrand von Misurata auf einer Matratze zur Schau gestellt. Nach dem Freitagsgebet bildete sich dort eine mehrere hundert Meter lange Schlange von Schaulustigen, die die Leiche des getöteten Machthabers mit Schusswunden in Kopf, Brust und Bauch sehen wollten. Etliche Menschen fotografierten den Körper mit ihren Mobiltelefonen.
Nach dem Tod Gaddafis hat die Übergangsregierung der libyschen Bevölkerung Wahlen bis spätestens nächsten Sommer versprochen. Zunächst müssten die Waffen von den Straßen verschwinden und halbwegs geordnete Verhältnisse wiederhergestellt werden, sagte der Chef des Exekutivkomitees des nationalen Übergangsrats, Mahmud Dschibril, am Samstag auf einem Wirtschaftsforum in Jordanien. Die erste Parlamentswahl solle dann spätestens in acht Monaten stattfinden. Dieser neu gewählte Nationalkongress werde anschließend eine Übergangsregierung bestimmen und eine Verfassung ausarbeiten, über die die Bevölkerung dann in einem eigenen Referendum entscheiden solle.
Der Übergangsrat wollte nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes offiziell am Sonntag die "Befreiung" des Landes ausrufen. Gemäß der Pläne dafür werde er noch am Samstag von seinem Amt zurücktreten, sagte Dschibril am Rande der Konferenz am Toten Meer der Nachrichtenagentur Reuters. Dschibril hatte Anfang Oktober angekündigt, seinen Posten nach der Befreiung des Landes aufzugeben.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen äußerte wie andere westliche Vertreter kein öffentliches Bedauern über den Tod Gaddafis. Die Nato habe den Einsatz schnell und mit größter Vorsicht durchgeführt. "Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben", sagte Rasmussen auf einer Pressekonferenz am späten Freitagabend. Der Einsatz, der offiziell mit dem Schutz der Bevölkerung begründet wurde, soll nach seinen Worten am 31. Oktober offiziell beendet werden.