Ökumene Papst düpiert Protestanten
Hamburg - Protestanten wie auch andere Glaubensgemeinschaften werden in einem offiziellen Dokument des Vatikan als mit "Mängeln behaftet" bezeichnet, bei ihnen handele es sich lediglich um "kirchliche Gemeinschaften". Zur Begründung der Besonderheit der Katholischen Kirche heißt es in dem Text, Protestanten und andere christliche Gemeinschaften, die nicht den Papst anerkennen, könnten sich nicht auf die "apostolische Sukzession" ("Nachfolge") berufen. Damit ist die katholische Lehre gemeint, wonach sich Päpste und Bischöfe noch heute auf den 2000 alten Auftrag Jesu Christi an die Apostel zur Glaubensverbreitung berufen.
"Deshalb sind sie 'nicht Kirchen im eigentlichen Sinn', sondern 'kirchliche Gemeinschaften', wie die Konzils- und Nachkonzilslehre bezeigt", heißt es in einem Kommentar. Der Vatikan wies darauf hin, der Text enthalte keine neuen Positionen, sondern bringe die bekannte römische Haltung in Erinnerung. "Auch wenn diese klaren Aussagen bei den betroffenen Gemeinschaften und auch in katholischen Kreisen Unbehagen verursacht haben, ist nicht ersichtlich, wie man diesen Gemeinschaften den Titel 'Kirche' zuschreiben könnte." Allerdings heißt es, dass die protestantischen Gemeinschaften "zweifellos einen kirchlichen Charakter und einen daraus folgenden Heilswert haben".
Benedikt XVI. bestätigte mit dem Text die Erklärung "Dominus Iesus", die er 2000 als oberster Glaubenshüter der Kirche verfasst und die heftige Diskussionen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche ausgelöst hat. Die Kirche wolle ihre Einzigkeit betonen, weil einige Theologen diesen Punkt weiterhin missverstünden, hieß es in dem Text, den Ratzingers Nachfolger an der Spitze der Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, veröffentlichte.
Nach der Erlaubnis der lateinischen Liturgie erneuerte der ehemalige Kardinal Joseph Ratzinger damit innerhalb weniger Tage zum zweiten Mal einen traditionellen Standpunkt der Katholischen Kirche, der in der Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils gelockert worden war.
Huber: "Es handelt sich um Vorsatz"
Das Dokument dürfte insbesondere die Bemühungen um ein ökumenisches Miteinander mit protestantischen und orthodoxen Kirchen erschweren. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, bezeichnete die Erklärung des Papstes als versäumte Chance. Die Hoffnung auf einen Wandel der Ökumene sei damit erneut in die Ferne gerückt.
Huber nannte es bezeichnend, dass die in "Dominus Iesus" besonders umstrittenen Aussagen über die protestantischen Kirchen unverändert wiederholt worden seien. "Von Fahrlässigkeit kann niemand mehr sprechen. Es handelt sich um Vorsatz", erklärte er. Huber sagte weiter: "Paradox ist der römisch-katholische Ökumenismus nicht nur auf den ersten Blick; er ist es auf Dauer."
Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann sagte: "Ein solches Dokument zur jetzigen Zeit ist ökumenisch fatal. Wir sind sehr wohl Kirche nach unserem Verständnis."
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, räumte ein, die Stellungnahme erscheine in ihrer Knappheit und Dichte möglicherweise hart. Sie lasse aber grundlegend Raum, die anderen Kirchen nicht nur moralisch, sondern auch theologisch als Kirchen zu achten.
Der Text des Papstes beschreibt die orthodoxen christlichen Kirchen als wahre Kirchen, die von einer Wunde gezeichnet seien. Auf Latein wird hier das Wort "defectus" benutzt. Die Verletzung rührt demnach aus der Tatsache her, dass sie die päpstliche Führung nicht anerkennen.
In den protestantischen Konfessionen sei die Wunde aber noch tiefer. Es sei kaum zu erklären, wie ihnen der Titel Kirche zuerkannt werden könne. Der Dialog mit anderen Christen bleibe aber "eine der Prioritäten der katholischen Kirche".
asc/Reuters/dpa/AP