Österreich Die schwere Entscheidung des Thomas Klestil

Der Vorstand der ÖVP hat das Regierungsbündnis mit der rechtspopulistischen FPÖ gebilligt. Bereits gestern hatte der FPÖ-Vorstand der Koalitionsvereinbarung zugestimmt. Das letzte Wort hat nun der österreichische Bundespräsident: Er verlangt von Schüssel und Haider ein Bekenntnis zur Demokratie. In Wien demonstrierten rund 10.000 Menschen gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung.

Wien - Die endgültige Entscheidung über die in Österreich und im Ausland umstrittenen Mitte-Rechts-Koalition liegt nun beim österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil. Haider und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel werden dem Staatsoberhaupt am Donnerstag ihre Ministerliste vorlegen. Klestil will den beiden Politikern eine "Deklaration über die Grundwerte der europäischen Demokratie" vorlegen und deren Unterzeichnung verlangen.

Der FPÖ-Vorstand stimmte der Koalitionsvereinbarung bereits am Mittwochnachmittag einstimmig zu. Die ÖVP-Führung nahm das Abkommen erst in der Nacht zum Donnerstag mit einer Gegenstimme an. Das "Nein" kam vom Wiener Vize-Bürgermeister und Landesparteichef Bernhard Görg, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtete.

Bereits am Mittwoch bekannt geworden ist die von FPÖ und ÖVP vorgesehene Ressortaufteilung. Den Kanzler soll die ÖVP stellen, die für dieses Amt ihren Parteichef Schüssel vorsieht. Die bisherige Staatssekretärin Benita Ferrero-Waldner soll Nachfolgerin Schüssels als Außenministerin werden.

Klestil meldete unterdessen in einem Interview große Bedenken gegen eine Regierung aus ÖVP und FPÖ an. Die internationale Kritik an einer Regierungsbeteiligung der FPÖ als organisierte ausländische Kampagne zu sehen, sei eine "politische Fehleinschätzung". Klestil sagte den Angaben zufolge weiter: "Die FPÖ ist keine Nazi-Partei. Aber leider bedienen sich höchste Funktionäre dieser Partei nach wie vor einer Sprache, die sie für jedes politische Amt disqualifiziert."

Angesichts der erwarteten Regierungsbeteiligung der FPÖ kündigte der israelische Ministerpräsident Ehud Barak am Mittwochabend an, den Botschafter seines Landes aus Wien abzuziehen. Botschafter Nathan Meron werde nach Israel zurückfliegen, sobald die neue Regierung offiziell ins Amt berufen worden sei. Barak erklärte, zu Beginn des 21. Jahrhunderts könne eine Regierung, wie sie in Österreich derzeit formiert werde, von der Gemeinschaft zivilisierter Staaten nicht akzeptiert werden. Haider sei eine Gefahr für die Demokratie.

In Wien demonstrierten am Mittwochabend rund 10.000 Menschen gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung. Mit Pfiffen und Transparenten machten die Protestierenden ihrem Unmut gegen Haider Luft.

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