
Österreich: Pressestimmen zur Ibiza-Affäre
Pressestimmen von "New York Times" bis "NZZ" zur Ibiza-Affäre "Spektakulär gescheitert"
Die Enthüllungen vom SPIEGEL und der "Süddeutschen Zeitung" über ein fragwürdiges Treffen des zurückgetretenen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache mit einer vermeintlichen Oligarchen-Nichte haben auch außerhalb Europas ein Medienecho ausgelöst.
In der "New York Times" werden die vermeintlichen Verbindungen Russlands in die österreichische Politik als "direkter Draht zu einer Regierung im Herzen Europas" aufgegriffen. Die "Washington Post" sieht in dem Skandal einen "Schlag gegen die europäischen Anti-Einwanderungsparteien", die sich als "glaubwürdige Regierungsalternativen" positionieren wollten.
Als "Erdbeben, das die Politik weit über Österreichs Grenzen hinaus erschüttert" bezeichnet die "Neue Zürcher Zeitung" die Affäre und ihre Folgen. Sebastian Kurz habe sich gefallen "in der Rolle als Posterboy der Konservativen, dem es angeblich gelungen war, die Rechtspopulisten einzubinden und mit straffer Führung zu zähmen". Sein Vorzeigeprojekt sei nun "spektakulär gescheitert" - mit Wirkung weit über die Landesgrenzen hinaus. "Denn wenn es die Absicht war, das Video ausgerechnet eine Woche vor der EU-Wahl publik zu machen, um die Problematik einer Beteiligung der rechtspopulistischen Kräfte an der Macht aufzuzeigen, dann ist dieses Kalkül aufgegangen."

Österreich: Pressestimmen zur Ibiza-Affäre
Österreichische Tageszeitungen haben auf den Skandal mit schonungslosen Analysen reagiert. So attestiert "Der Kurier" Heinz-Christian Strache eine "atemberaubende Dummheit", er sieht in der Affäre um den FPÖ-Politiker einen Beleg "für die grenzenlose Überheblichkeit und Ignoranz: Pfeif' auf demokratische Werte, wir machen, was wir wollen". "Eine völlige Katharsis, ein Neustart" sei "der einzige Ausweg aus der schier ausweglosen Situation, die die Welt wieder einmal spöttisch auf Österreich blicken lässt".
Über dem "Kurier"-Kommentar steht die Überschrift: "Österreich, wir haben ein Problem." Wenn die FPÖ wieder marginalisiert werde, bestehe die Gefahr einer Rückkehr zum Zwei-Parteien-Staat. "Das kann niemand wollen."
"Der Standard" schreibt über Straches Scheitern: "Discos, Rap und Ibiza: Der Ex-Vizekanzler hat sich lange als jugendlicher Rebell inszeniert. Nun wurde ihm das zum Verhängnis." Der Autor Eric Frey zieht Parallelen zum einstigen FPÖ-Chef Jörg Haider. Er und Strache hätten mit ihrer Rebellenmasche beide vor allem junge Männer angesprochen, "die sich sonst für politische Botschaften kaum interessierten". Es sei unwahrscheinlich, dass die FPÖ in Zukunft weiterhin dieses Coolness-Image pflegen werde. Aber: "Das macht sie nicht weniger gefährlich."
Wie geht es nun politisch weiter?
Am Samstagabend - mehr als 24 Stunden nach der Veröffentlichung der brisanten Videoaufnahmen durch den SPIEGEL und die "Süddeutsche Zeitung" (lesen Sie hier die ganze Geschichte) - hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz Neuwahlen angekündigt.
Es habe für ihn "einfach keine Alternative" gegeben, zitiert die "Kleine Zeitung" den Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer vom Institut OGM. Mit der Ausrufung der Neuwahl habe der Kanzler Chancen auf ein verbessertes Wahlergebnis. Aber das politische Agieren werde nicht einfach - falle doch die FPÖ als Koalitionspartner "völlig weg".
Das Ibiza-Video sei sicherlich "für viele Politikverdrossene ein schwerer Schlag", sagt Politikberater Thomas Hofer laut dem Bericht - "das wird nicht spurlos an der FPÖ vorübergehen". Die Partei habe einen "Supergau" erlitten, sie werde sich sicherlich mühen, die Wählerverluste nicht all zu groß ausfallen zu lassen. Das könne "brutal werden" - und gar nicht mehr zur bisherigen "Harmonieerzählung" passen. "Fraglich sei, ob die ÖVP die abwandernden FPÖ-Wähler - wie 2002 - zu sich holen kann."
In Deutschland kommentiert Christian Nitsche für die "Tagesschau" vor allem die Bedeutung des Skandals für Rechtspopulisten in Europa. Denn von Wien könnte nun das Signal ausgehen, dass der Aufstieg rechter Populisten nicht unaufhaltsam sei. Demnach waren Straches Äußerungen ein Anschlag auf demokratische Werte: "Wer versucht, die Presse zu unterwandern, ihre Unabhängigkeit zu zerstören, der hat nichts in einer Regierung verloren. Wer dies vorhat, verwirkt sein politisches Amt."