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Neonazitreffen in Bleiburg: Gottesdienst mit Faschisten

Foto: Christopher Glanzl

Neonazis in Kärnten Gedenken mit Hakenkreuz und Hitlergruß

Es gilt als eines der größten Neonazitreffen Europas: Am Samstag reisen Tausende Rechtsextreme nach Kärnten, offiziell zu einem Gedenkgottesdienst. Die Behörden geben sich machtlos.

Bleiburg ist ein beschaulicher Ort im österreichischen Kärnten. Etwa 4000 Menschen leben hier, umgeben von Wiesen, Wäldern und Bergen. Doch jetzt droht in der Gemeinde der Ausnahmezustand - wieder einmal.

Wie jedes Jahr wollen am Samstag Tausende Menschen anreisen, um an das "Massaker von Bleiburg" zu erinnern. Im Mai 1945 hatten Kämpfer der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee in der Nähe Angehörige der mit dem Nazi-Regime verbündeten kroatischen Ustascha-Miliz und Zivilisten getötet.

Die Kroaten waren gegen Kriegsende vor den Jugoslawen nach Westen geflohen. In Österreich wollten sie sich der britischen Besatzung ergeben, doch sie wurden abgewiesen - angeblich am Loibacher Feld vor Bleiburg. Die Partisanen aus Jugoslawien griffen viele an Ort und Stelle auf, andere auf dem Rückweg. Unterschiedliche Quellen sprechen von 50.000 bis 70.000 Toten.

Politiker, TV-Stars und Faschisten

In Kroatien gilt das Gedenken an das Massaker als inoffizieller Feiertag. Jedes Jahr pilgern im Mai vor allem auch Kroaten nach Kärnten. Diesmal werden bis zu 30.000 Besucher erwartet: Politiker sind dabei, Würdenträger der katholischen Kirche und Fernsehstars.

Aber auch: ehemalige Ustascha-Kämpfer, frühere SS-Mitglieder und Wehrmachtssoldaten, internationale Rechtsextremisten.

Was als "Gedenkgottesdienst auf privatem Gelände" angekündigt ist, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem gigantischen Neonazitreffen entwickelt. "Das größte in Europa", heißt es beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW). Was für die einen ein harmloses Gedenken an unschuldige Opfer ist, verurteilen andere als Huldigung des Ustascha-Regimes. Die Faschisten hatten in der Nazizeit in Kroatien für die Vernichtung der Juden, Roma, Serben und Antifaschisten gesorgt, vor allem im Konzentrationslager Jasenovac. Mindestens 86.000 Menschen wurden dort systematisch ermordet.

Handel mit Nazi-Devotionalien

Angemeldet hat die Feier nun der Verein "Bleiburger Ehrenzug", der die "dreiteilige Veranstaltung" gemeinsam mit der katholischen Kirche Kroatiens organisiert. Geplant sind demnach ein Totengedenken am Friedhof, eine Prozession zum Loibacher Feld und eine Messfeier mit Kranzniederlegung. Das österreichische DÖW bezeichnet den "Bleibuger Ehrenzug" als "rechtsextremistischen Verein mit stark revisionistischer Tendenz". Gleichwohl seien nicht alle Teilnehmer Neonazis.

Bilder, Videos, Tonaufnahmen und Augenzeugenberichte aus den vergangenen Jahren belegen, dass während der Feier mit Nazi-Devotionalien gehandelt wird. Teilnehmer zeigten ihre tätowierten Hakenkreuze und streckten den rechten Arm zum Hitlergruß.

2017 sagte ein Teilnehmer dem ORF offen: "Wenn ich heute über Hitler rede, sehen das alle negativ. Warum? Er hatte eine Ideologie und hat Deutschland groß gemacht. Das tun wir heute auch. Wir haben 75 Jahre gebraucht, um einzusehen, dass das ein kluger Mann war, der Ordnung schaffen wollte."

Am Samstag dürfte es wieder ähnliche Szenen geben. Auch diesmal werden wohl wieder Teilnehmer die schwarze Uniform und Abzeichen der Ustascha-Armee tragen.

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Neonazitreffen in Bleiburg: Gottesdienst mit Faschisten

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Auf Nachfrage des SPIEGEL teilen die österreichischen Behörden mit, sie hätten keine Handhabe gegen das Zurschaustellen solcher Symbole. Zwar seien Nazi-Zeichen in Österreich verboten, nicht aber die des Unabhängigen Staates Kroatien, der Nazideutschland als Vasallenstaat diente. Gegen Hakenkreuze werden man aber vorgehen, heißt es bei der Kärntner Polizei.

Es sei "festzuhalten, dass die Aufarbeitung der Geschichte nicht Teil des Aufgabengebiets der Sicherheitsbehörde ist", heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von katholischer Kirche Kärnten, der Landespolizeidirektion Kärnten und der Lokalverwaltung.

Die Kirche erklärt, sie distanziere sich "mit Nachdruck und Entschiedenheit von allen rechtsextremen und faschistischen Kundgebungen im Umfeld des Totengedenkens". Iwan Olip, Pfarrer in Bleiburg, sagt dem SPIEGEL, was sich außerhalb des Gottesdienstes abspiele, liege "nicht in der Kontrolle der Kirche". "Das ist Sache der Polizei, die solche Sachen verhindern sollte."

"Gemeinsam beten und singen"

An der Veranstaltung will die Kirche aber dennoch festhalten, schließlich wolle man "gemeinsam beten und singen". Um diesmal keinen Anlass für Kritik zu bieten, habe man die Kirche in Kroatien gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass keine politischen Reden gehalten würden, dass auf das Tragen von Uniformen sowie das Zeigen von Abzeichen und Plakaten verzichtet werde, dass es keine Verkaufsstände geben solle und dass der Ausschank von Alkohol verboten würde.

Die Polizei wiederum ist in den vergangenen Jahren kaum bis gar nicht gegen die Umtriebe vorgegangen. Stattdessen hieß es intern, es handele sich "um ein Medienproblem, nicht um ein Faschismusproblem". In diesem Jahr wollen die Sicherheitskräfte mehr Personal zur Verfügung stellen. "Wie viel, wollen wir aus taktischen Gründen nicht sagen", erklärt ein Sprecher.

Gleichwohl sieht man in der Messfeier nach wie vor "keinen politischen Hintergrund", weshalb "die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes nicht zur Anwendung kommen", wie die Kommunalverwaltung mitteilt. Da es sich um eine "religiöse Veranstaltung" handele, könne man nicht so durchgreifen, wie es sonst möglich wäre. Man könne sie deshalb auch nicht verbieten, da sie nicht genehmigungspflichtig sei.

Pfarrer, die die Veranstaltung kritisch sehen und am liebsten untersagen würden, hoffen nun auf Einschränkungen wie das Alkoholverbot. Vielleicht verliere die Veranstaltung damit an Attraktivität. "Womöglich kommen diesmal keine 30.000 Menschen, sondern nur 300 Neonazis", sagt ein Pfarrer aus Kärnten. "Und das wäre schlimm genug."

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