Österreich Rechtspopulisten kapern Nikolaus

Nikolaus-Seminar in Sankt Nikolaus im Saarland
Foto: Sebastian Raabe/ picture-alliance/ dpaAlle Jahre wieder sorgt sich die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) um den Nikolaus, in Österreich "Nikolo" genannt. Das Thema scheint den Rechtspopulisten besonders geeignet, für die "eigenen Werte und Traditionen" zu trommeln und vor "Überfremdung" zu warnen. Dieses Jahr trifft es eine Grundschule in Wien, an der dem kostenlosen Boulevardblatt "Österreich" zufolge angeblich ein "Nikolo-Verbot" ausgesprochen wurde.
Der Wiener FPÖ-Stadtrat Anton Mahdalik bezeichnet die angeblichen Vorgänge an der Schule als "Unterwerfung vor dem Islam". "So kann Integration nicht funktionieren, so weiten sich Parallelgesellschaften immer mehr aus", zitiert ihn die Zeitung. Konkret heißt es in dem Artikel über die Schule: "Der Nikolo hat seit Jahren Hausverbot, aus Rücksicht auf den hohen Anteil an nicht-christlichen Kindern sind alle christlichen Symbole verpönt." Das Christkind müsse "ebenfalls draußen bleiben", und das Weihnachtsfest heiße jetzt "Winterfest".
Das Blatt findet noch mehr Kritikpunkte: In der Schulverpflegung gebe es kein Schweinefleisch, und in den Klassenräumen sei das Kruzifix abgehängt worden. Die "Verschleierung von Dutzenden Mädchen ab dem Alter von sieben Jahren" sei dagegen "keine Diskussion in der Lehrerschaft wert". Abmeldungen vom Schwimm- und Turnunterricht aus religiösen Gründen würden "widerspruchslos toleriert", Türkischunterricht hingegen sei für alle verpflichtend.
Die Zeitung beruft sich auf "empörte Eltern", die sich mit der Bitte um Anonymität an das Blatt gewandt hätten. Auf Nachfrage sagt der Verfasser des Artikels, Josef Galley, dem SPIEGEL, die Eltern hätten "Sorge vor Benachteiligung ihrer Kinder", wenn sie namentlich genannt würden.
SPÖ-Stadtrat: "Kein Hausverbot" für den Nikolaus
Der für die Schule zuständige Stadtrat weist die Vorwürfe zurück. Der Bericht in der Zeitung "Österreich" sei "vollständig falsch", sagt Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer. Bislang habe der Elternverein schlicht noch keinen Nikolo-Auftritt organisiert. Sollte er das tun, "würde sich die Schule freuen", teilt der SPÖ-Politiker mit. Bereits organisiert seien "Nikolaussackerl" für alle Schüler, die von den Lehrkräften ausgeteilt würden. Ein "Hausverbot" für den Nikolaus habe es nie gegeben. Zudem stehe ein geschmückter Christbaum im Eingangsbereich der Schule, das gesamte Gebäude sei weihnachtlich geschmückt - auch mit "gebastelten Nikoläusen unterschiedlichster Art".
Ein Fest, das die Schule veranstalte, heiße "Winterfest" analog zum "Sommerfest", erläutert Himmer weiter. Dabei werde auch "Weihnachten angeführt", zudem gebe es einen Adventsbastelmarkt. Und dass kein Schweinefleisch ausgegeben werde, liege daran, dass es sich um eine Halbtagsschule handle, in der überhaupt kein Essen angeboten werde. Und das Kruzifix müsse nach österreichischem Recht in jenen Klassenräumen hängen, in denen mehr als die Hälfte der Schüler christlicher Konfession seien - in der betreffenden Schule hingen aber auch in anderen Räumen Kruzifixe.
Nur zwei Mädchen der Schule würden ein Kopftuch tragen, und in beiden Fällen würden "pädagogische Gespräche" mit den Eltern geführt, "um diese umzustimmen". Abmeldungen vom Turn- oder Schwimmunterricht habe es nicht gegeben, das sei schon gesetzlich nicht möglich. Und einen "verpflichtenden Türkischunterricht" gebe es "selbstverständlich nicht", lediglich einen freiwilligen Unterricht für Kinder mit Wurzeln in der Türkei, im Rahmen eines "integrativen muttersprachlichen Unterrichts".
Wahlkampf mit dem Nikolaus
"Österreich" verteidigt seine Berichterstattung mit einer Pressemitteilung. Die Kritik beruhe auf Aussagen von Eltern, und diese würden auf ihren Aussagen beharren. Man müsse Rücksicht auf andere Religionen nehmen, habe die Schule ihnen mitgeteilt. Überprüfen lässt sich das nicht, da die Eltern anonym bleiben wollen.
In der vergangenen Woche hatte der Nikolaus schon in Niederösterreich im Wahlkampf herhalten müssen - in dem Bundesland wird im Januar gewählt. "Der Nikolo darf nicht sterben!", hatte die FPÖ in einer Pressemitteilung gefordert und davor gewarnt, "traditionelle, christliche und heimische Feste" seien "massiv in Gefahr". Dazu zähle "auch der traditionelle Besuch des Nikolos". "Immer öfter wird die klassische Nikolofeier vom Lehrplan gestrichen und durch Feste aus anderen Kulturen ersetzt."
FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer hatte in einer weiteren Mitteilung behauptet, in Kindergärten gebe es "den offiziellen Auftrag zur Islamisierung unserer Kleinsten". Der Bildungsplan schreibe "Feste und Feiertage aus verschiedenen Kulturen", "Musik und Lieder aus verschiedenen Kulturen" sowie "Speisen aus anderen Kulturen" vor, beklagte Landbauer. "Ich bin fassungslos!", schäumte er. Außerdem zitierte er einen Vater, der sich beschwerte, sein Sohn müsse "türkisch zählen lernen". Eine "Islam-Lehrerin" mit Kopftuch treibe "ihr Unwesen" und bekehre die Kinder "mit ihrem Islam-Wahnsinn". Die FPÖ fordere "den sofortigen Stopp dieser skandalösen Zwangsislamisierung".
Regierungschefin im Tschador
Die FPÖ-Jugend in Niederösterreich verbreitete daraufhin auf Facebook eine Fotomontage von der Regierungschefin des Bundeslandes, Johanna Mikl-Leitner: in einen schwarzen Tschador gehüllt, im Hintergrund drei in einen düsteren Himmel ragende Minarette. "Moslem-Mama-Mikl abwählen" war das inzwischen gelöschte Bild unterschrieben. Auch Landbauer hatte die ÖVP-Politikerin in seiner Pressemitteilung "Moslem-Mama-Mikl" genannt. "Jeden Sonntag ins Dirndl hüpfen und gleichzeitig unsere Kinder mit dem Multi-Kulti-Wahnsinn zwangsbeglücken, das ist die Politik der ÖVP Niederösterreich!", schrieb er.
Die ÖVP will künftig mit der FPÖ in Österreich regieren, wie beide Parteien nach der Wahl am 15. Oktober bekanntgegeben haben. Die Koalitionsverhandlungen laufen, noch in diesem Monat will man sich auf einen Koalitionsvertrag einigen. Dass die FPÖ mancherorts der ÖVP "Zwangsislamisierung" vorwirft, darüber scheint man geflissentlich hinwegzusehen. Offenbar gehört das zum Ton der FPÖ, an den man sich inzwischen gewöhnt hat.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Jürgen Czernohorszky habe als Stadtschulratspräsident den Bericht des Boulevardblatts "Österreich" als falsch bezeichnet. Die aktuellen Reaktionen stammen jedoch von seinem Nachfolger Heinrich Himmer.
Zusammengefasst: In der österreichischen Boulevardzeitung "Österreich" wird einer Wiener Grundschule vorgeworfen, ein Hausverbot für den Nikolaus verhängt zu haben, Kruzifixe abzuhängen und aus Rücksicht auf muslimische Kinder auf Schweinefleisch zu verzichten. Die FPÖ spricht von einer "Unterwerfung vor dem Islam". Der für die Schule zuständige SPÖ-Stadtrat weist die Vorwürfe zurück, der Bericht sei "vollständig falsch", so werde etwa in der Schule überhaupt keine Verpflegung angeboten.