

Es sind lediglich seine ersten öffentlichen Worte als designierter Bundespräsident Österreichs, aber Alexander Van der Bellen gibt mit ihnen am Montagabend schon eine Richtung vor. Der 72-Jährige spricht seinem politischen Gegner Norbert Hofer "Respekt und Anerkennung" aus. Keine überschäumende Freude, keine Häme - stattdessen versöhnliche Töne nach dem Wahlkampf, in dem sich der frühere Grünen-Chef und der FPÖ-Politiker Hofer zwischenzeitlich heftig attackiert hatten.
Das knappe Ergebnis bedeute eine Verantwortung für ihn, sagt Van der Bellen. Es gebe zwar "aufgerissene Gräben, aber ich möchte das nicht dramatisieren". Er wolle ein Präsident aller Österreicher sein, also auch jener Bürger, die ihn nicht gewählt hätten, sagt der Sohn russisch-estnischer Einwanderer.
Kann ihm das gelingen? Die FPÖ-Spitze verzichtete an diesem Montag auf harsche Töne. Aber so manche Reaktion von Anhängern der rechtspopulistischen Partei macht deutlich, wie tief das Misstrauen angesichts des knappen Sieges für Van der Bellen sitzt: "Ich bin davon überzeugt, dass diese Wahl nicht korrekt abgelaufen ist", lautet etwa ein User-Kommentar auf der Facebook-Seite von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache - in diese Richtung gehen viele Kommentare von Anhängern der Freiheitlichen.
"Der Einsatz für diesen Wahlkampf ist nicht verloren"
Und der unterlegene Kandidat Hofer? Auf eine Gratulation - wie unter Politikern sonst Gepflogenheit - verzichtete Hofer in einem Facebook-Post. Der 45-Jährige räumt ein, traurig zu sein, weil er gern als Bundespräsident auf Österreich "aufgepasst" hätte. Seinen Anhänger empfiehlt er aber, nicht verzagt zu sein: "Der Einsatz für diesen Wahlkampf ist nicht verloren, sondern eine Investition in die Zukunft".
Wie diese Zukunft aussehen soll, haben die Rechtspopulisten in den vergangenen Monaten mehrfach klar gesagt: Sie wollen ein Ende des "verkrusteten Systems". Die FPÖ meint damit die jahrelange Vorherrschaft der beiden Volksparteien SPÖ und ÖVP. Die beiden Parteien haben in den vergangenen Jahren in der Großen Koalition notwendige Reformen versäumt, so dass Österreich wirtschaftlich zurückfiel und unter einer vergleichsweise hohen Arbeitslosigkeit leidet. Das erklärte Ziel der FPÖ ist die Kanzlerschaft - und Umfragen zufolge hat die Partei dafür auch gute Chancen, seit Monaten liegen die "Blauen" klar vor SPÖ und ÖVP.
Vor diesem Hintergrund ist es nur schwer vorstellbar, dass es Van der Bellen gelingen kann, die starke Polarisierung zwischen den politischen Lagern aufzuheben. Van der Bellen wolle "ein Lebensverlängerer des Systems" sein, so hatte es Hofer im Wahlkampf gesagt.
Viel hängt von Christian Kern ab
ORF-Moderator Hans Bürger äußerte an diesem Montag auch bereits seine Vermutung, dass die FPÖ den neuerlichen Rückenwind durch die nur sehr knapp verloren gegangene Bundespräsidentenwahl nutzen könnte, um die Regierung unter Druck zu setzen. Neuwahlen könnten eines ihrer Ziele sein, so Bürger.
In den kommenden Monaten wird damit viel von Christian Kern abhängen. Der SPÖ-Politiker hat erst vor wenigen Tagen sein neues Amt als Bundeskanzler angetreten. In seiner ersten Regierungserklärung hatte der frühere Manager der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) angekündigt, gegen "den Vertrauensverlust und den Stillstand in unserem Land" ankämpfen zu wollen. Kern sprach von einem "New Deal", den er entwickeln wolle, um unter anderem die Investitionen in Österreich zu stärken.
Der Reformdruck gilt in dem Land als groß, so dass Beobachter davon ausgehen, dass dem neuen Regierungschef keine lange Schonfrist zugebilligt wird. Vor allem von Kern und seiner personell erneuerten Regierungsmannschaft wird also maßgeblich abhängen, ob die Bürger ihr Vertrauen in die schwächelnden Volksparteien SPÖ und ÖVP zurückgewinnen. Dreht er die negative Stimmung im Land, könnte das auch den Höhenflug der FPÖ stoppen. Scheitert er, dann war der knappe Sieg Van der Bellens möglicherweise das vorerst letzte erfolgreiche Aufbäumen der etablierten Parteien gegen die Rechtspopulisten.
Van der Bellen will Regierung unterstützen
Vorteilhaft für Kern dürfte zumindest sein, dass der designierte Bundespräsident bereits im Wahlkampf angekündigt hat, die Regierung unterstützen und mit ihr vertrauensvoll zusammenarbeiten zu wollen - FPÖ-Kandidat Hofer dagegen hatte mehrfach angedeutet, die Regierung notfalls absetzen zu wollen.
Von der FPÖ dagegen kann Kern keinerlei Unterstützung erwarten. Der 50-Jährige war noch nicht offiziell zum Nachfolger des zurückgetretenen Kanzlers und SPÖ-Chefs Werner Faymann erklärt, da hatte FPÖ-Chef Strache schon sein Urteil gesprochen: Unter Kern werde sich "am roten Crashkurs" nichts ändern, er stehe für "more of the same".
An diesem Montag erklärte Strache: 50 Prozent der österreichischen Bürger hätten den Wunsch nach Veränderung, "und diese 50 Prozent lassen wir nicht im Stich!"
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Wahlsieger: Alexander van der Bellen gewinnt sehr knapp die die Wahl zum Bundespräsidenten Österreichs
Der frühere Grünen-Chef will seine Parteimitgliedschaft ruhen lassen - und Gräben zuschütten.
FPÖ-Kandidat Norbert Hofer kommt auf 49,7 Prozent. Er schrieb auf Facebook: "Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst."
Von ihm hängt in den kommenden Monaten viel ab: Christian Kern, erst seit Kurzem neuer Bundeskanzler, will den designierten Bundespräsidenten unterstützen.
Kern, hier mit seiner Ehefrau Evelyn und Übergangsregierungschef Reinhold Mitterlehner, hatte in seiner ersten Regierungserklärung angekündigt, gegen den Vertrauensverlust und den Stillstand in unserem Land ankämpfen zu wollen.
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