Olmert-Nachfolge in Israel Soldat gegen Diplomatin

Wenn Israels Kadima-Partei am Mittwoch einen neuen Parteichef wählt, entscheidet sie über mehr als nur die Nachfolge von Premier Olmert. Die beiden Spitzenkandidaten Livni und Mofas stehen für sehr unterschiedliche Wege Israels: Verhandlungen oder Konfrontation.
Kandidaten Mofas, Livni: Wer wird der Nachfolger von Premier Olmert?

Kandidaten Mofas, Livni: Wer wird der Nachfolger von Premier Olmert?

Foto: AP

Jerusalem - Er spricht davon, dass die jüngste Attacke radikaler Siedler gegen ein palästinensisches Dorf ein nicht hinzunehmendes "Pogrom" sei. Er sagt, dass sich in die Tasche lügt, wer daran glaube, dass es jemals einen israelischen Staat in biblischen Grenzen geben werde. Er warnt davor, Israel drohe in einem einzigen, palästinensisch dominierten Staat unterzugehen, sollte nicht bald ein Frieden mit Zwei-Staaten-Lösung geschlossen werden: Israels Premierminister Ehud Olmert scheint mit seiner politischen Laufbahn abgeschlossen zu haben. Anders ist nicht zu erklären, dass Olmert, der sich in der Vergangenheit gut und gern darum drückte, unliebsame Wahrheiten auszusprechen, sie in dieser Woche jedem israelischen Medium in den Block diktiert, das bereit ist, sie zu drucken.

Olmert, der seinen Rückzug ankündigen musste, nachdem sich der Korruptionsverdacht gegen ihn immer weiter erhärtete, hat nichts mehr zu verlieren - zumindest politisch. Ist er erstmal wieder Zivilist, droht ihm ein Prozess wegen Veruntreuung, Vetternwirtschaft und der Annahme von Bestechungsgeldern. Vielleicht sieht er deshalb den Moment gekommen, nun ein paar ehrliche Worte loszuwerden.

Tatsächlich sind Olmerts Tage an der Regierungsspitze gezählt, wenn seine Kadima-Partei - sie hält in der Knesset die Mehrheit - am Mittwoch einen neuen Vorsitzenden gewählt hat. Vorüber jedoch sind sie noch nicht. Denn mit dieser Wahl der bürgerlichen Kadima-Partei ist nur ein erster Schritt von vielen getan. Bis Israel eine neue Regierung haben wird, werden Wochen, wenn nicht Monate ins Land gehen. In der Zwischenzeit stünde weiter Olmert an der Regierungsspitze. Nach dem Gesetz kann er vorerst im Amt bleiben - die jüngsten Äußerungen seiner Mitarbeiter deuten darauf hin, dass er genau das plant.

Olmert hat zwar angekündigt, zurückzutreten, sobald ein neuer Parteichef bestimmt ist, damit wäre auch die derzeitige Regierung aufgelöst. Präsident Schimon Peres würde daraufhin den neuen Kadima-Chef auffordern, binnen 21 Tagen eine neue Regierung zu bilden. Könnte nach drei Wochen keine Koalition geschmiedet werden, würden 90 Tage später Neuwahlen abgehalten. In der Zwischenzeit könnte Olmert im Amt bleiben.

Livni gegen Mofas heißt das Rennen um Olmerts Nachfolge

Rivalen um die Nachfolge Olmerts in Partei und Regierung sind die derzeitige Außenministerin Tzipi Livni und Verkehrsminister Schaul Mofas. Zwei Kandidaten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auch deshalb ist die Entscheidung der Parteimitglieder von Bedeutung: Sie wird einen Anhaltspunkt geben, wie die Stimmung in der Mitte der israelischen Gesellschaft ist.

Umfragen zufolge liegt derzeit die als gemäßigt geltende Livni vorn. Die 50-Jährige hat ihre Karriere im Windschatten von Ariel Scharon gemacht und dessen Abzug aus Gaza unterstützt. Als Verhandlungsführerin Israels im Annapolis-Friedensprozess setzt sie auf diplomatische Lösungen. Ihre zahlreichen Auftritte auf der internationalen Bühne hat sie gut gemeistert, trotzdem sehen viele Israelis sie als zu unerfahren, um das Land zu führen.

Mofas hingegen ist Berufssoldat, der während seiner Laufbahn auf Abschreckung setzte und auch vor Waffengängen nicht zurückschreckte. Als Generalstabschef während der Zweiten Intifada befahl er die Operationen in Dschenin, die weltweit für Entrüstung sorgten. Der 60-Jährige gilt als Kopf hinter der Taktik der gezielten Tötungen, mit denen die palästinensischen Milizen ihrer Führer beraubt wurden. Seine Erfahrung im Militärapparat wird ihm zugute gehalten. Selbst seine Kritiker müssen zugeben, dass er bewiesen hat, Entscheidungen fällen und auch schwierige Situationen durchstehen zu können. Dass Mofas bei den Sicherheitskräften auf Rückhalt hoffen kann, nimmt viele Israelis für ihn ein: Da politische Entscheidungen immer auch von sicherheitspolitischen Überlegungen beeinflusst werden, ist der direkte Draht in den Generalstab ein Pluspunkt, der hoch angerechnet wird.

Es ist auch ein Duell zweier Gesellschaftsgruppen

Doch es sind nicht nur politische Grundsätze, die beim Wahlgang den Ausschlag geben werden. Livni stammt aus einer alteingesessenen, angesehenen Zionistenfamilie. Die weiße, europäisch geprägte Mittelschicht sieht in der Politikerin Ihresgleichen. Mofas hingegen wurde in Teheran geboren. Obwohl es Neueinwanderer in Israel oft nicht einfach haben, hat er seinen Weg gemacht. Er kann auf die Unterstützung vieler der aus arabischen Ländern stammenden Juden rechnen, die sich in Israel unterprivilegiert fühlen.

Nach der jüngsten Umfrage, die die Tageszeitung "Maariv" am Montag durchführen ließ, schmilzt der Vorsprung Livnis. Nur noch rund 42 Prozent der wahlberechtigten Parteimitglieder gaben an, für sie stimmen zu wollen - rund 30 Prozent für den Verkehrsminister. Vergangenen Freitag hatten noch 46 Prozent der Kadima-Mitglieder angegeben, Livni zur neuen Parteichefin zu wählen, bei Mofas waren es 28 Prozent. Um den derzeitigen Premierminister in der ersten Runde abzulösen, muss ein Kandidat 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen - ein zweiter Wahlgang könnte also nötig werden.

Die Chancen, dass Livni oder Mofas es schaffen könnten, auch ohne Neuwahlen eine neue Regierung zu bilden, werden von israelischen Analysten mit 50 zu 50 angegeben. Für viele der kleinen Parteien in der derzeitigen Koalition sind die anstehenden Verhandlungen ein günstiger Moment, um ihre Anliegen durchzudrücken. So hat die religiöse Schas-Partei, deren Anhänger oftmals viele Kinder haben, angekündigt, einer neuen Koalition nur beizutreten, wenn das Kindergeld erhöht werde. Likud-Chef Benjamin Netanjahu, der sich bei Neuwahlen große Chancen ausrechnet, hat angedeutet, nicht für eine Koalition zur Verfügung zu stehen.

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