
Oman: Mit ihm können irgendwie alle
Omans Machthaber Sultan Qabus Der Strippenzieher
Manchmal trügt die Landkarte: Oman ist eine Insel - auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Das Land wird einerseits vom Arabischen Meer und dem Golf von Oman umschlossen, andererseits von der größten Sandwüste der Erde, Rub al-Khali, die ungleich schwerer zu durchqueren ist als jedes Gewässer.
Der Herrscher dieses Landes: Sultan Qabus ibn Said, 78, krebskrank - und dienstältestes Staatsoberhaupt der arabischen Welt. Als 29-Jähriger stürzte er 1970 seinen Vater Said ibn Taimur in einer Palastrevolte. Damals, so will es die Legende, gab es im ganzen Land nur sechs Kilometer asphaltierte Straßen, nur drei Schulen.
Der in Großbritannien ausgebildete Qabus modernisierte Oman, achtete aber zugleich darauf, dass das Sultanat seinen ursprünglichen Charakter bewahrte. In den Wettbewerb mit den anderen Golfmonarchien um die höchsten Wolkenkratzer, die größten künstlichen Inseln und die wunderlichsten Vergnügungsparks ist Oman nie eingestiegen. Stattdessen aber in die internationale Diplomatie.
Erst vor wenigen Tagen machte Qabus weltweit Schlagzeilen, als er erst Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas empfing - und dann Israels Premier Benjamin Netanyahu. (Mehr zu den Hintergründen erfahren Sie hier.)
Wer ist dieser Sultan - und wie positioniert er sein Reich in der Unruheregion?
Oman betreibt seit Qabus' Machtübernahme eine eigenständige Außenpolitik, die sich von den anderen Mitgliedsländern des von Saudi-Arabien dominierten Golf-Kooperationsrats (GCC) - unter anderem Bahrain, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) - deutlich unterscheidet.

Omans Hauptstadt Muskat
Foto: Chris Jackson/ Getty ImagesDas jüngste Beispiel: die Katarkrise. Während zahlreiche GCC-Mitgliedsstaaten dem Ruf des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman 2017 folgten und eine politisch-wirtschaftliche Blockade gegen das Emirat verhängten, hält sich der Sultan aus der Fehde raus. Dieses Verhalten folgt einem Muster.
Qabus ist zudem der einzige Herrscher auf der arabischen Halbinsel, der seit der islamischen Revolution 1979 in Iran freundschaftliche Kontakte zum Regime in Teheran pflegt.
Der Sultan gehört, wie rund drei Viertel der 4, 5 Millionen Omanis, der islamischen Glaubensrichtung der Ibaditen an, die weder sunnitisch noch schiitisch ist. Damit ist auch der Konfessionstreit, der seit Ende der Siebzigerjahre den politischen Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien überlagert, für Omans Führung kein Thema. Das Ergebnis: Die Hauptstadt Muskat ist ein beliebter Verhandlungsort.
2013 etwa trafen sich Abgesandte aus den USA und Iran dort mehr als ein Mal zu geheimen Verhandlungsrunden. Diese führten im November desselben Jahres schließlich zur Unterzeichnung eines Übergangsabkommens in der strittigen Atomfrage.
Darin verpflichtete sich Iran, sein Nuklearprogramm für sechs Monate einzufrieren. Die Vereinbarung ebnete den Weg für den 2015 verabschiedeten Atomdeal, den US-Präsident Donald Trump in diesem Jahr einseitig aufkündigte.
Auch im Syrienkonflikt schlägt sich Oman auf keine Seite. Das Sultanat ist einer der wenigen arabischen Staaten, die ihre diplomatischen Beziehungen zum Regime von Baschar al-Assad nicht abgebrochen haben.

Baschar al-Assad und der omanische Außenminister Yusuf bin Alawi bin Abdullah (Archiv)
Foto: Sana/ dpaIm Oktober 2015 schickte Qabus seinen Außenminister nach Damaskus, um Assad einen Brief des damaligen US-Außenministers John Kerry zu überbringen. Im März dieses Jahres reiste Syriens Außenminister Walid al-Muallim wiederum nach Muskat. Welche Botschaft er dabei übermittelte, drang nicht an die Öffentlichkeit.
Sultan Qabus ist damit derzeit vielleicht der einzige arabische Staatenlenker, der mit allen gut kann.

Oman: Mit ihm können irgendwie alle
Doch dem smarten Sultan werden zuweilen auch die Grenzen aufgezeigt. Besonders deutlich im Jemen. Dort herrscht seit Jahren ein brutaler Bürgerkrieg. Saudi-Arabien und die VAE kämpfen an der Spitze einer multinationalen Militärkoalition gegen die von Iran unterstützte Huthi-Miliz. Die Uno bezeichnet den Konflikt als größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart. Seit dem Wochenende sind die Kämpfe um die wichtige Hafenstadt Hudeida wieder aufgeflammt.
Eine Region, die vom Bürgerkrieg hingegen bislang fast verschont wurde, ist al-Marah. Sie grenzt direkt an Oman. Die Menschen auf beiden Seiten der Grenze sind sozial und wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Viele Bewohner von al-Marah besitzen sogar die omanische Staatsbürgerschaft und mächtige Stammesführer leben im Sultanat, wie das angesehene "Carnegie Middle East Center" in einem Dossier schreibt.
Oman hat folglich großen Einfluss in diesem Teil des Jemen. Saudi-Arabien und den VAE missfällt das, auch weil sie den Verdacht hegen, dass iranische Waffen über Oman und die Provinz al-Marah an die Huthi-Miliz geliefert wurden. Die Folge: Die Anti-Huthi-Allianz hat im November 2017 Truppen nach al-Marah geschickt und Kontrolle über die dortigen Regierungsanlagen - unter anderem einen Flughafen und zwei Grenzübergänge - übernommen. Die Besatzung hält bist heute an. Oman ist in diesem Fall machtlos.