Unternehmer Osman Kavala Erdogans Feldzug gegen den türkischen George Soros

Für seine Fans ist er ein Philanthrop, der viel Geld in die türkische Zivilgesellschaft steckt. Das Regime von Präsident Erdogan sperrte ihn als Putschisten weg - schon vor einem Jahr. Doch die Anhänger von Osman Kavala geben nicht auf.
Osman Kavala (2014)

Osman Kavala (2014)

Foto: Wiktor Dabkowski/ picture alliance / Wiktor Dabkowski/Wiktor Dabkowski/dpa

Für einen Moment scheint im Cezayir, einem Lokal und Ausstellungsraum in Istanbul, alles so wie früher - wie in den kurzen, glücklichen Jahren, nachdem die Militärherrschaft in der Türkei endete und bevor neue Repressionen einsetzten: Künstler diskutieren mit Akademikern, ein Regisseur erzählt von seinem Filmprojekt. Aus den Boxen schallt Jazz-Musik. Die Stimmung ist entspannt, fast fröhlich.

Die Kulturmanagerin Asena Günal unterbricht das Treiben, erinnert ihre Gäste, warum sie an diesem Oktoberabend zusammengekommen sind: Sie wollen auf das Schicksal des Istanbuler Unternehmers und Mäzens Osman Kavala aufmerksam machen. Am nächsten Tag wird dieser 61 Jahre alt - seit einem Jahr sitzt er im Gefängnis.

Die Gruppe schießt Fotos, die sie Kavala zukommen lassen will, entrollt ein Plakat: "Alles Gute zum Geburtstag, Osman Kavala. Auf viele gemeinsame Jahre in Freiheit."

Kavala hat viele der Intellektuellen, die sich im Cezayir versammelt haben, zusammengebracht. Sein Vater wurde mit einem Tabakhandel reich, gründete einen Mischkonzern, den der Sohn 1982 übernahm. Kavala zog sich irgendwann aus dem operativen Geschäft zurück und wurde hauptberuflich Philanthrop.

Er unterstützte türkische und kurdische Künstler, ein armenisch-türkisches Jugend-Symphonieorchester, eine armenisch-türkische Kinoplattform. Kaum eine Kulturinitiative in Istanbul, an der er nicht beteiligt ist. Ausländische Regierungschefs wie Kanzlerin Angela Merkel suchten das Gespräch mit ihm.

Kavala repräsentiert diese "andere" Türkei wie kaum jemand

Für Künstler, Musiker, Autoren in der Türkei ist Kavala ein Förderer und Freund. Für Präsident Recep Tayyip Erdogan ist er ein Terrorist. Kavala war gerade auf dem Rückweg aus Gaziantep, einer Stadt an der türkisch-syrischen Grenze, wo er gemeinsam mit dem Goethe-Institut an einem Projekt arbeitete, als er am 18. Oktober 2017 am Istanbuler Flughafen festgenommen wurde.

Zugang zum Silivri-Gefängnis

Zugang zum Silivri-Gefängnis

Foto: OSMAN ORSAL/ REUTERS

Seither befindet er sich in Untersuchungshaft in Silivri, jenem Hochsicherheitstrakt, in dem auch der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner und der Journalist Deniz Yücel festgehalten wurden.

Die Behörden werfen ihm vor, die regierungskritischen Proteste im Istanbuler Gezi-Park 2013 "organisiert" zu haben und an dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft hat noch immer keine Anklageschrift vorgelegt. Erdogan bezeichnete Kavala als den "türkischen Soros", da er, wie der US-Milliardär George Soros, Bürgerrechtsorganisationen finanziert.

Erdogan beherrscht in der Türkei die Schlagzeilen. Die Zivilgesellschaft ist jedoch nach wie vor äußerst lebendig. Überall im Land setzen sich Menschen für Demokratie und Meinungsfreiheit ein. Kaum jemand repräsentiert diese "andere" Türkei so sehr wie Kavala. Der Milliardär ist kein Lautsprecher. Aber er hat rastlos dafür gekämpft, dass Menschen durch Kultur zusammenfinden. Seine Verhaftung solle die Zivilgesellschaft weiter einschüchtern, glaubt Kulturmanagerin Asena Günal: "Wenn Osman nicht sicher ist, dann ist es niemand mehr in diesem Land."

"Es ist an der Zeit, dass wir ihm etwas zurückgeben"

Günal sitzt am Morgen nach der Geburtstagsfeier für Kavala im Büro der Nichtregierungsorganisation "Anadolu Kültür", die Kavala 2002 gegründet hat, und mit der er unzählige Kulturprojekte angeschoben hat. Sie leitet "Depo", ein Istanbuler Kunst- und Kulturzentrum, das durch progressive, politische Ausstellungen, Panels und Filmvorführungen immer wieder für Aufsehen gesorgt hat. Seit Kavalas Verhaftung führt sie zudem die Geschäfte bei "Anadolu Kültür". "Osman hat so viel für uns getan. Nun ist es an der Zeit, dass wir etwas zurückgeben", sagt sie.

Kavala sitzt in Einzelhaft. Immerhin: Seit dem Ende des Ausnahmezustands im Juli dürfen ihn seine Anwälte, Ehefrau und einzelne Bekannte häufiger sehen. Die Anwälte drängen die Justiz, endlich die Anklageschrift vorzulegen. Spätestens dann, so glauben sie, müsse Kavala freikommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat dem Fall inzwischen Priorität eingeräumt.

Kavala selbst, sagt Günal, sei ungebrochen. Als sie ihn vor einigen Wochen im Gefängnis besuchte, wollte sie mit ihm über die Haftbedingungen sprechen, über sein Befinden. Kavala habe jedoch nur die Arbeit im Sinn gehabt, erzählt sie. "Er hat mich gefragt: 'Welche Projekte gehen wir an?'"

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