Geiseln in Slowjansk Inspektoren sollten Zustand der ukrainischen Armee klären
Was genau war die Aufgabe der OSZE-Inspektoren, die von Separatisten in der ukrainischen Stadt Slowjansk festgenommen wurden? Die Milizionäre werfen den Männern, darunter vier Deutsche, Spionage vor und bezeichnen sie als "Kriegsgefangene". Der Leiter des Teams, Bundeswehr-Oberst Axel Schneider, wies die Vorwürfe in einer von den Separatisten inszenierten Pressekonferenz am Sonntag zurück: Die Männer hätten diplomatischen Status, ihre Mission sei allen OSZE-Mitgliedern bekannt gewesen - auch Russland.
Bereits bekannt ist, dass das Team nicht zur OSZE-Beobachtermission gehörte, die am 21. März von den 57 OSZE-Staaten vereinbart worden war. Stattdessen arbeiteten sie auf Grundlage des "Wiener Dokuments 2011 der Verhandlungen über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen", das im gesamten OSZE-Raum gilt. Es erlaubt Regierungen, Militärbeobachter anderer Staaten einzuladen, um Vertrauen und Transparenz zwischen den nationalen Streitkräften herzustellen.
Auf Einladung der Regierung in Kiew waren deshalb drei Bundeswehroffiziere, ein deutscher Dolmetscher und je ein militärischer Beobachter aus Tschechien, Schweden, Dänemark und Polen in der Ukraine unterwegs - begleitet von vier ukrainischen Soldaten. Es habe sich dabei "nicht um eine bilaterale Maßnahme, sondern um eine abgestimmte OSZE-Mission auf Einladung der Ukraine" gehandelt, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Sonntag.
Ziel: Informationen über Zustand der ukrainischen Einheiten
Nur zwei Tage vor seiner Gefangennahme durch ukrainische Separatisten hatte Schneider in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk den Auftrag seines Teams erläutert. Man versuche sich ein Bild davon zu machen, in welchem Zustand die regulären bewaffneten Kräfte der Ukraine seien, sagte der Oberst - "was sie leisten könnten, ob sie offensiv oder defensiv ausgerichtet sind". Dazu führe man direkte Gespräche mit ukrainischen Soldaten, um mehr über das "Selbstbewusstsein, über die Schlagkraft von Einheiten" herauszufinden. "Sie würden sich wundern", erklärte der Offizier, "was für interessante Informationen dann für uns sichtbar werden, die auch ein Urteil ermöglichen, wie dieser Beitrag im politischen großen Bild eingesetzt werden kann."

Erkennbar würde etwa der Ausbildungsstand der einzelnen Soldaten und wie sehr sie sich mit ihrem Land identifizieren. "Daraus leitet man auch ihre Bereitschaft ab, für das Land in den Einsatz zu gehen", so Schneider. Wie groß diese Bereitschaft bei den ukrainischen Soldaten ist, sagte der Offizier nicht - er wurde allerdings auch nicht danach gefragt. Offensiv, möglicherweise eskalierend, gingen die ukrainischen Sicherheits- und Streitkräfte nicht vor, betonte Schneider: Sie versuchten zu vermeiden, "ein falsches Signal zu geben".
Offen ist bisher, warum die Inspektoren Informationen über den Zustand der regulären ukrainischen Armee in Slowjansk gewinnen wollten, das sich in der Hand der Separatisten befindet - und ob es möglicherweise zu riskant war, in Begleitung ukrainischer Soldaten dorthin zu gehen. Das Auswärtige Amt ließ entsprechende Anfragen bislang unbeantwortet.
Auf die Frage, warum Soldaten und nicht Diplomaten eine solche Mission übernähmen, sagte Schneider: "Wir als Soldaten haben hier eine diplomatische Funktion übernommen, wie wir das schon seit 1991 tun." Es finde eine enge Koordinierung mit dem Auswärtigen Amt statt, so dass "Diplomatie und militärische Planung gut zusammenlaufen können".