
Pakistan: Wilde Spekulation über den Präsidenten
Pakistan Atommacht ohne Präsident
Und plötzlich war er weg: Inmitten der schwersten Krise in den US-pakistanischen Beziehungen tauchte Pakistans Präsident Asif Ali Zardari ab. Nur eines ist sicher: Er hält sich in Dubai auf, wo er Häuser besitzt, wo seine Kinder leben, wo seine im Dezember 2007 getötete Frau Benazir Bhutto Jahre im Exil verbrachte. Offensichtlich lässt er sich dort in einem Krankenhaus behandeln. Er werde am Donnerstag entlassen, aber noch eine Weile in Dubai bleiben, sagt sein Sprecher.
Doch was genau ist los mit Zardari? Diese Frage ist in diesen Tagen eine der meistdiskutierten in der Hauptstadt Islamabad. Erlitt er einen "leichten Herzinfarkt", wie der Menschenrechtsminister Mustafa Khokar kürzlich erklärte? Oder lässt er sich wegen eines "Mini-Schlaganfalls" behandeln, wie neuerdings aus seinem Umfeld gestreut wird? Warum erklärte sein Sprecher zunächst, Zardari sei lediglich in die Vereinigten Arabischen Emirate gereist, um seine Kinder zu besuchen und nebenbei ein paar "Routineuntersuchungen" vornehmen zu lassen?
Die Gerüchteküche brodelt, seit am Dienstagabend vergangener Woche mehrere Fernsehsender berichteten, Zardari sei nicht mehr im Lande. Zuvor hatte auch noch das US-Magazin "Foreign Policy" berichtet, Zardari habe am 4. Dezember in einem Telefonat mit Barack Obama "zusammenhangsloses Zeug" geredet. Der US-Präsident hatte angerufen, um sein Beileid über die 24 bei einem Nato-Angriff getöteten pakistanischen Soldaten auszudrücken.
Tiefer Graben zwischen Zardari und dem Militär
Talkshows beschäftigen sich mit den Gründen für die präsidiale Abwesenheit, Leitartikler spekulieren über ein mögliches Ende seiner Präsidentschaft, Regierung, Opposition und Militär streuen die unterschiedlichsten Theorien. Noch "mindestens zwei Wochen" werde Zardari in dem Emirat am Persischen Golf bleiben, verkündet Premierminister Yousuf Raza Gilani.
Vor seiner Abreise war Zardari heftig unter Druck geraten: Ein pakistanischstämmiger US-Geschäftsmann hatte behauptet, Pakistans Botschafter in Washington, Hussain Haqqani, habe ihn im Namen Zardaris im Mai nach der Tötung Osama Bin Ladens beauftragt, dem damaligen US-Generalstabschef Mike Mullen ein anonymes Schreiben zu übergeben. Darin bitte der anonyme Autor die USA um Hilfe, einen bevorstehenden Militärputsch zu verhindern und die Macht der Generäle zu beschneiden.
Haqqani dementierte, auch in den USA tat man das Schreiben als unglaubwürdig ab. Doch in Pakistan wird gemunkelt, Zardari habe tatsächlich Angst vor den Streitkräften. Sein Verhältnis zum pakistanischen Armeechef Ashfaq Parvez Kayani gilt als schlecht. Botschafter Haqqani verlor in Folge der Affäre seinen Posten.
Manche interpretieren Zardaris Abreise deshalb als Flucht vor der Armee. Von einem "Testlauf für einen Militärputsch" ist schon die Rede. Zadari, der im Fall einer Machtübernahme des Militärs mit einer Verhaftung rechnen müsste, habe sich schon mal in Sicherheit gebracht.
Drogenentzug, Geliebte oder Erholung?
Eine weitere Deutung ist, der Präsident fürchte den Obersten Gerichtshof, der womöglich seine Immunität ignorieren und wegen Korruptionsvorwürfen gegen ihn vorgehen könnte. Zardari gilt als äußerst korrupt, er soll sich schon während der zweimaligen Regierungszeit seiner Frau Benazir Bhutto als Premierministerin Anfang der neunziger Jahre kräftig bereichert haben. Seither hängt ihm der Spitzname "Mister Zehn Prozent" an, weil angeblich zehn Prozent aller staatlichen Einnahmen in seine Tasche fließen.
Zardari, der nach der Ermordung seiner Frau auf einer Welle des Mitleids ins Präsidentenamt gewählt wurde, ist in der Bevölkerung äußerst unbeliebt. Die Gerüchte können anscheinend nicht böse genug sein. Auf den Parlamentsfluren wird eifrig diskutiert: Er habe sich während einer Party eine Überdosis verpasst und sei nun in Dubai auf Entzug. Oder er sei mit einer Geliebten durchgebrannt. Oder er brauche einfach ein bisschen Ruhe in diesen stressigen Zeiten.
Letztere Begründung hat seine pakistanische Volkspartei, die PPP, selbst in die Welt gesetzt: "Glauben Sie nicht, dass er ein wenig Ruhe braucht vor diesem Wahnsinn?", schreibt ein PPP-Sprecher per SMS an Journalisten. Sobald Zardari genesen sei, werde er wieder zurückkommen.
Den "Wahnsinn" in der Atommacht Pakistan verwaltet derzeit Senatspräsident Farooq Naek, der offiziell die Aufgaben des Staatspräsidenten während dessen Abwesenheit übernimmt. Und die Parteigeschäfte, die ansonsten der "Co-Vorsitzende" Zardari führt, hat sein Sohn Bilawal Zardari Bhutto übernommen. Der hat gerade erst sein Studium in Oxford abgeschlossen, verbrachte sein Leben überwiegend in London und Dubai - und ist erst 23 Jahre alt. Mit pakistanischer Politik ist er kaum vertraut. Aber es soll ein Signal sein: Die Zardaris flüchten nicht, weder vor dem Militär noch vor der Justiz.