Parlamentswahl Mehrheit der Ägypter wählt Muslimbrüder
Kairo - Die Prognosen der vergangenen Tage scheinen sich zu bestätigen: Die islamistischen Parteien sind in Ägypten auf dem Weg, die erste freie Parlamentswahl zu gewinnen. Nach der ersten Phase der Abstimmung liegen die Muslimbrüder Prognosen zufolge mit rund 37 Prozent der Stimmen in Führung vor den ultra-konservativen Salafisten, die überraschend auf über über 20 Prozent kommen. Erst dann folgt der liberale Ägyptische Block.
Die Muslimbruderschaft konnte gut 3,5 Millionen der etwa 10 Millionen gültigen Stimmen auf sich vereinen, so das offizielle Ergebnis, das am Sonntag bekannt gegeben wurde. Die radikal-islamistische Nur-Partei verzeichnet etwa 2,3 Millionen Stimmen (24,5 Prozent). Die Ägyptische Allianz bekam knapp 1,3 Millionen Stimmen (rund 13 Prozent). Die traditionsreiche Wafd-Partei kommt mit rund 690.000 Stimmen auf etwa 7 Prozent, die islamische Wasat mit etwa 415.000 Stimmen auf 4 Prozent.
Die Zahlen sind allerdings vorläufig, da noch weitere Wahlgänge anstehen und auch die Stichwahlen der ersten Runde nicht abgeschlossen sind. Diese sind an diesem Montag vorgesehen. Zudem haben erst ein Drittel der 27 Provinzen gewählt, unter ihnen Kairo und Alexandria.
Das Wahlverfahren in Ägypten mit einer Mischung aus Mehrheits- und Listenwahlrecht ist kompliziert. Zwei Drittel der Parlamentarier werden über Parteien- und Koalitionslisten gewählt, ein Drittel sind Direktkandidaten. Mindestens die Hälfte der rund 500 Abgeordneten müssen Arbeiter oder Bauern sein.
"Sehr, sehr besorgniserregend"
Zwar liegen die verschiedenen islamistischen Fraktionen in ihren Ansichten teilweise deutlich auseinander. Dennoch dürfte ihr insgesamt starkes Abschneiden auf Unbehagen im Westen stoßen, insbesondere bei den USA, die Ägypten jahrelang mit milliardenschweren Militärhilfen unterstützt haben. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak sprach im Fernsehen am Samstag von einem "sehr, sehr besorgniserregenden" Vorgang. "Der Prozess der Islamisierung in den arabischen Ländern ist sehr beunruhigend", sagte Barak.
Ägypten schloss 1979 als erster arabischer Staat einen Friedensvertrag mit Israel. Die jahrelang in Ägypten verbotenen Muslimbrüder haben zwar keine Rücknahme des Abkommens gefordert, sie teilen jedoch die in der arabischen Welt weit verbreitete Feindseligkeit gegenüber Israel. Auch sind sie die geistigen Väter der radikalen Palästinenser-Gruppe Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert.
Der Zeitung "Jediot Achronot" sagte Ehud Barak am Sonntag: "Ich hoffe, dass jede Regierung, die in Ägypten gebildet wird, verstehen wird, dass es keine andere Wahl gibt, als den Rahmen der internationalen Abkommen einzuhalten, darunter auch der Friedensvertrag mit Israel."
In Ägypten selbst könnte das starke Abschneiden der Muslimbrüder einen Konflikt mit dem Militär zur Folge haben, das seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak im Februar de facto das Land führt. Sobald die Zusammensetzung des Parlaments feststeht, was wohl im März der Fall sein dürfte, soll dieses eine Verfassungsgebende Versammlung bestimmen.
Die Muslimbrüder streben anders als der Militärrat eine Stärkung des Parlaments an und damit eine Abkehr von dem bisherigen System, in dem der Präsident die wichtigste politische Figur war. Die neue Verfassung soll noch vor der auf Juni vorgezogenen Präsidentenwahl ausgearbeitet sein. Dann soll die Macht vom Militär auf eine zivile Führung übergehen - etwa ein halbes Jahr früher als ursprünglich geplant.
Der Militärrat hatte dem beschleunigten Ablauf zugestimmt, nachdem zuletzt Proteste in Gewalt umgeschlagen waren. Im Zuge der Unruhen und Demonstrationen hat auch das bisherige Übergangskabinett seinen Rücktritt eingereicht. Die Bildung der Nachfolgeregierung verzögert sich jedoch. Der neue Ministerpräsident Kamal al-Gansuri sagte, er werde nun voraussichtlich erst am Mittwoch die Auswahl seiner Minister bekanntgeben.